Bislang kein Kontakt Zwei Deutsche in Türkei festgenommen
01.09.2017, 11:59 Uhr
Staatschef Erdogan hat seit dem Putschversuch Zehntausende festnehmen lassen.
(Foto: imago/Depo Photos)
Am Flughafen Antalya nehmen die türkischen Behörden zwei Bundesbürger fest. Grund für die Aktion sind "politische Vorwürfe". Das Auswärtige Amt bemüht sich darum, Kontakt zu den Festgenommenen aufzunehmen.
In der Türkei sind nach Angaben der Bundesregierung zwei weitere Deutsche festgenommen worden. Grund für die Aktion am Donnerstag seien offenbar "politische Vorwürfe", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin. Demnach gab es bislang noch keinen direkten Kontakt zu den Festgenommenen.
Das Generalkonsulat in Izmir sei von nichtstaatlichen Stellen über die Festnahme der beiden informiert worden, sagte sie weiter. Die Flughafenpolizei in Antalya habe die Festnahme auf Anfrage des Konsulats bestätigt. Bestätigt worden sei auch die alleinige deutsche Staatsangehörigkeit der beiden Festgenommenen. Ob es bei der Ein- oder Ausreise am Flughafen zu den Festnahmen kam, könne sie nicht sagen, so die Sprecherin. Weitere Angaben machte sie nicht.
In der Türkei sitzen damit inzwischen zwölf Deutsche wegen politischer Vorwürfe in Haft. Unter ihnen sind die Bundesbürger Peter Steudtner, Mesale Tolu und Deniz Yücel - Letzterer bereits seit 200 Tagen. Insgesamt sind derzeit 55 Deutsche in türkischen Gefängnissen inhaftiert. Die Türkei hat seit dem gescheiterten Putsch im Juli 2016 Zehntausende Personen unter dem Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung inhaftiert.
"Unsere Forderung an die Türkei ist klar: Wir erwarten von der Türkei, dass deutsche Staatsbürger, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen inhaftiert sind, freigelassen werden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Situation, in der sich Yücel und die anderen Inhaftierten befänden, "macht uns große Sorgen".
Die Bundesregierung erwarte nicht nur die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahren, sondern auch die vollständige Einhaltung des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, sagte der Regierungssprecher weiter. Verstöße dagegen, etwa unterlassene Informationen über Verhaftungen oder das Versagen konsularischer Betreuung, seien "vollkommen inakzeptabel", so Seibert. Die Bundesregierung beklagt seit Wochen, dass sie keinen ungehinderten Zugang zu deutschen Staatsbürgern erhalte.
Schulz fordert härtere Gangart
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz forderte eine härtere Gangart im Umgang mit der Türkei. Er brachte eine mögliche Aussetzung der Verhandlungen mit der Türkei über eine Ausweitung der Zollunion ins Spiel, sowie einen Vorstoß auf EU-Ebene über eine Einstellung der sogenannten Vorbeitrittshilfen und eine Verschärfung von Reisehinweisen. Solche Maßnahmen sollten "in den nächsten Tagen" geprüft werden. Die beiden neuen Inhaftierungen nannte Schulz einen "gravierenden Vorgang".
Erst vor wenigen Tagen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Freilassung der deutschen Inhaftierten gefordert. Andernfalls sehe sie kaum Möglichkeiten für eine Verbesserung der angespannten diplomatischen Beziehungen. Die Inhaftierungen seien nicht gerechtfertigt. Die Bundesregierung hatte zuletzt ihre Türkei-Politik neu ausgerichtet. Dazu zählt etwa die Prüfung der Staatsbürgschaften. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hatte zuletzt dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgeworfen, die Deutschen als "Geiseln" festzuhalten, um Druck auf Berlin zu machen. Er riet zudem von Reisen in das Land ab.
Grünen-Chef Cem Özdemir sagte nun der "Bild"-Zeitung mit Blick auf die neuen Festnahmen: "Erdogan ist kein Präsident, sondern ein Geiselnehmer. Er tritt die Würde seines Amtes mit Füßen." Die Situation sei so ernst, "dass ich niemandem mehr mit gutem Gewissen sagen kann, dass man in der Türkei derzeit sicher ist", fügte Özdemir hinzu.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen übte scharfe Kritik an der Bundesregierung. Ihre Partei fordere "angesichts der Gefährdungslage unverzüglich eine offizielle Reisewarnung für die Türkei", erklärte Dagdelen. "Das Zaudern der Bundesregierung hat in der Vergangenheit und wird auch in der Zukunft den Geiselnehmer Erdogan nicht beeindrucken", fügte sie hinzu.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa/rts