Aufrichtig geht anders Aiwanger zeigt, wie man es nicht machen sollte


"Aufrichtige Entschuldigung" - aber wofür? Hubert Aiwanger am Donnerstagnachmittag in seinem Ministerium.
(Foto: dpa)
Auch der jüngste Auftritt von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hinterlässt mehr Fragezeichen als Antworten. Was hier fehlt, sind Transparenz und Demut. Auch dem bayerischen Ministerpräsidenten hilft Aiwanger mit seinem Verhalten nicht.
Egal, wie man zu Hubert Aiwanger oder zur Rolle von 36 Jahre alten Verfehlungen steht: Der Fall des bayerischen Wirtschaftsministers und Freie-Wähler-Chefs ist ein Lehrstück darüber, wie man nicht mit Vorwürfen umgehen sollte.
Das reicht von seinem Versuch, die Veröffentlichung der "Süddeutschen Zeitung" mit juristischen Mitteln zu verhindern, bis hin zur jüngsten Erklärung, in der er seine Entschuldigung nur im Konjunktiv formulierte: "Ich bereue zutiefst, wenn ich durch mein Verhalten in Bezug auf das in Rede stehende Pamphlet oder weitere Vorwürfe gegen mich aus der Jugendzeit Gefühle verletzt habe", sagte er. Entschuldigungen sollten nicht in Konditionalsätzen formuliert und an Bedingungen geknüpft werden. Auch, dass Aiwanger nach seiner knappen Erklärung keine Fragen zuließ, ist kein souveränes Verhalten und verstärkt den Eindruck, dass hier einer eher vertuschen als ehrlich sein will.
Seine "aufrichtige Entschuldigung" gelte "zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, Hinterbliebenen und allen Beteiligten der wertvollen Erinnerungsarbeit", fügte Aiwanger dann noch hinzu. Dabei blieb unklar, wofür er sich überhaupt entschuldigte. Klar ist für ihn nur eines: "Ich habe den Eindruck, ich soll politisch und persönlich fertig gemacht werden."
Vieles ist dubios an der ganzen Affäre. Dazu gehört, dass ein Lehrer, der offenbar eine der Quellen der "Süddeutschen Zeitung" war, zu einem ehemaligen Mitschüler Aiwangers gesagt haben soll, es werde Zeit, "dass wir diese braune Socke jetzt stürzen" - das berichtet jedenfalls der "Focus". Dazu gehört aber auch, dass sich Aiwangers Bruder nicht erinnern kann, warum der heutige Minister die Flugblätter in der Schultasche hatte: weil er sie einsammeln oder weil er sie verteilen wollte?
Ob ein Politiker tragbar ist, der als Jugendlicher antisemitische Flugblätter mit sich herumgetragen hat, sie möglicherweise gar geschrieben und verteilt hat, das ist eine Frage, zu der es viele Ansichten gibt. Letztlich sollten Jugendsünden nicht dazu führen, dass ein Politiker sein Amt aufgeben muss. Doch im Fall Aiwanger geht es nicht in erster Linie um das Flugblatt, um etwaige Hitlergrüße und antisemitische Witze. Es geht um seinen heutigen Umgang damit. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Politiker nicht über Vorwürfe stürzt, sondern über seine Reaktion darauf. Konkret: Aiwanger ist in dem Moment untragbar, in dem sich herausstellt, dass er gelogen hat.
Schon jetzt ist sicher, dass es ihm geholfen hätte, von Anfang an transparenter und auch demütiger mit den Vorwürfen umzugehen. Die Mischung aus Selbstgewissheit und Erinnerungslücken ist es, die Aiwanger zum Verhängnis werden kann. Von einer "Schmutzkampagne" zu sprechen, deren Ziel es sei, ihn zu zerstören, war nicht hilfreich. Das gilt nicht nur für ihn selbst: Auch dem bayerischen Ministerpräsidenten hilft Aiwanger mit seinem heutigen Verhalten nicht. Setzt er weiter vor allem auf Abwehr, engt er dessen Spielraum ein. Am Ende könnte es passieren, dass Markus Söder keinen anderen Ausweg sieht, als Aiwanger zu entlassen - einfach, weil der ihm keine Wahl gelassen hat.
Quelle: ntv.de