Eiertanz um Waffenlieferungen Das Problem der SPD heißt Gerhard Schröder
31.01.2022, 19:44 Uhr
Schröder gibt den Startschuss bei der "Regatta Gazprom Race"
(Foto: picture alliance / rtn - radio tele nord)
Die SPD redet gern über ihre moralischen Prinzipien in der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine - die aber fordert kaum jemand in Deutschland. Die Scheindebatte soll Geschlossenheit vorgaukeln. Die SPD lotet ihren Umgang mit Russland neu aus und muss dafür so oder so ihre Bande zum Altkanzler kappen.
Wer Sozialdemokraten in diesen Tagen über die Ukraine-Krise sprechen hört oder direkt mit ihnen redet, bekommt ein Potpourri an Einschätzungen geboten. In einem Punkt ist die SPD aber ganz klar, da gibt es kein Vertun: Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt sie strikt ab. Die fordert in Deutschland zwar keine Partei. Doch die SPD hat Redebedarf, welch hehre Prinzipien sie in dieser Frage leiten. Von den Verbrechen der Deutschen in der Sowjetunion in der NS-Zeit über das Erbe der Brandt'schen Ostpolitik bis hin zu einer grundsätzlich restriktiven Waffenexportpolitik werden da zahlreiche ethische Überlegungen angeführt, allein: Es ist eine Scheindebatte.
Erstens sind die angeführten Argumente oft nicht überzeugend. Für Polen, die baltischen Staaten, Belarus und die Ukraine ist Deutschlands historische Verantwortung nicht geringer als für Russland. Vor diesem Hintergrund Willy Brandt und Egon Bahr in Haftung zu nehmen für einen moderateren Kurs gegenüber dem Kreml, ist mindestens fragwürdig. Und wie restriktiv die SPD Waffenlieferungen tatsächlich handhabt, ist der Exportbilanz der letzten acht Jahre Regierungsbeteiligung zu entnehmen, in der sich Großkunden wie Ägypten oder mehrere Golfstaaten finden. Zweitens gibt es, wie gesagt, ohnehin keine relevante Stimme in Deutschland, die ernsthaft nach Waffenlieferungen ruft.
Zwei Sichtweisen, beide legitim
Warum also bläst die SPD dieses Thema so auf? Damit es ein anderes überdeckt: die eigene Unsicherheit im Umgang mit Russlands neo-imperialistischer Außenpolitik. Parteichef Lars Klingbeil trommelte für den heutigen Montag Spitzen- und Außenpolitiker der Partei zusammen, um diesen notorischen innerparteilichen Konflikt zu klären: Soll Deutschland gleiche Distanz zu Washington und Moskau halten, auf russische Forderungen nach dem Erhalt von Einflusssphären eingehen und weiter versuchen, über die energiepolitisch vorteilhafte wirtschaftliche Verflechtung beider Länder Putin einzuhegen? Oder braucht es angesichts des zunehmend aggressiven Kurses harte Kante gegenüber Putin - auch um den Preis, dass Projekte wie Nord Stream 2 auf Eis gelegt werden?
Für beide Sichtweisen gibt es gute Gründe. Für welchen Kurs auch immer die Partei sich entscheidet: Sie wird ihn nur dann glaubwürdig vertreten können, wenn ohne jeden Zweifel klar ist, dass der Kreml keinerlei Einfluss auf die SPD hat. Solche Zweifel bestehen aber, solange der Kreml-Lobbyist Gerhard Schröder weiter als sozialdemokratischer Altkanzler auftritt und seine wenig objektiven Einschätzungen in die Welt posaunt. Es ist ja kein Zufall, dass seine jüngsten Aussagen aus einem Podcast stammen, den Schröder zusammen mit seinem früheren Regierungssprecher Béla Anda produziert. Schröder will gehört werden, und gehört wird er nie als Privatmann. Kanzler ist wie Weltmeister: Das bleibt man ein Leben lang.
Der Kreml ist kein Partner
Gewicht haben Schröders Äußerungen auch, weil die SPD sich bis heute nicht konsequent von ihm distanziert. Andere Verdienste um Land und Partei überwiegen aus Sicht führender Sozialdemokraten noch immer die Tatsache, dass Schröder sich zur Sprechpuppe eines Regimes gemacht hat, das einen Staatsmord im Tiergarten ausführen ließ, das einen Cyberangriff gegen den Deutschen Bundestag geführt hat und das über Desinformation und Social-Media-Kampagnen Deutschland zu beeinflussen und zu destabilisieren versucht. Putins Russland bedroht aktiv und systematisch Frieden und Stabilität in Deutschland anderen Ländern der Europäischen Union.
Wer ungeachtet dessen gegen Bares Russlands Interessen in Deutschland vertritt und dabei Putins Verbrechen verharmlost, ist der SPD offenbar weiter willkommen. So können Menschen wie Schröder oder der Hannoveraner Honorarkonsul Heino Wiese weiter ihre Netzwerke spinnen in der Partei, und ganz gleich, ob diese Verbindungen am Ende ziehen: Sie erschüttern die Glaubwürdigkeit der SPD, dass allein politische, moralische oder dem deutschen Sicherheitsinteresse geschuldete Erwägungen den Russlandkurs der Partei bestimmen.
Schröder in der SPD in allen Fragen, die mit Russland zu tun haben, zu einer Art unerwünschten Person zu erklären oder einen anderen Weg der größtmöglichen Distanzierung zu finden, wäre für seinen einstigen Wahlkreis-Mitarbeiter und heutigen Parteichef Klingbeil ein sicherlich auch persönlich schmerzhafter Schritt. Aber er wäre im deutschen, europäischen und auch im sozialdemokratischen Interesse.
Quelle: ntv.de