Ampel an allem schuld? Merz führt einen Kulturkampf, den die CDU nicht gewinnen kann
05.06.2023, 16:42 Uhr Artikel anhören
Am Sonntagabend stellte Friedrich Merz klar, dass es keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben werde, "solange ich Parteivorsitzender bin".
(Foto: dpa)
CDU-Chef Friedrich Merz wirft der Ampel vor, "normale Wähler" nicht zu vertreten, er rückt sie in die Nähe einer "engstirnigen Meinungselite". Solche Behauptungen werden der CDU nicht helfen.
In vielen europäischen Ländern sind rechtsradikale oder rechtspopulistische Parteien seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten, ziemlich erfolgreich. Allein das macht es unwahrscheinlich, dass die Ampelkoalition in Deutschland die zentrale Verantwortung für den Umfrageerfolg der AfD trägt. CDU-Chef Friedrich Merz behauptet dies trotzdem. Am Kern des Problems geht das weit vorbei.
Merz ist einst angetreten, um die Union in den Bereich von 40 Prozent zu bringen, die AfD wollte er halbieren. Beides hat bislang nicht geklappt. Zumindest am Erstarken der AfD soll nun die Koalition schuld sein. Bei näherer Betrachtung seien die Ursachen dafür "seit langem ziemlich klar", schreibt Merz in seinem Newsletter. "Eine schwache und beständig streitende Regierung löst Gegenreaktionen aus. Mit der AfD können die Bürgerinnen und Bürger heftige Denkzettel verpassen."
Konkret kritisiert Merz vor allem die Grünen, die "mit ihrer penetrant vorgetragenen Volkserziehungsattitüde auf besonders starken Widerstand stoßen". "Und wenn die ganz normalen Bürgerinnen und Bürger bei den Regierungsparteien kein Gehör mehr finden, dann wenden sie sich eben denen zu, die ganz besonders scharf dagegen sind, egal ob ganz rechts oder ganz links." Ob bewusst oder unbewusst, Merz macht sich damit das Selbstbild der AfD zu eigen, das "normale" Deutschland zu vertreten. Da stellt sich jedoch die Frage: Warum gehen diese Menschen nicht zur CDU?
Diese Frage liegt so sehr auf der Hand, dass Merz sie thematisiert. Seine Antwort: Auch die Union werde "mitverantwortlich gemacht für den Zustand des Landes - und das Mantra der Ampel, sie müsse nun endlich mal aufräumen, was da 16 Jahre lang liegen geblieben ist, verfängt eben bei vielen Wählerinnen und Wählern". Dabei werde großzügig unterschlagen, "dass auch SPD und FDP an diesen Regierungen beteiligt waren".
Das wird nicht funktionieren
Die Ampel trägt nach Merz also nicht nur Verantwortung für den Umfrageerfolg der AfD, sondern auch dafür, dass die Union von der unbestreitbar schlechten Performance der Koalition nicht profitieren kann. Diese Analyse ist so unterkomplex, dass sie für ein Verständnis der Realität nicht taugt. Als Grundlage einer strategischen Ausrichtung der CDU wird das nicht funktionieren.
Die Ursachen für das Umfragehoch der AfD sind vielfältig: Die Politik der Ampel spielt eine Rolle, auch die Tatsache, dass mit der FDP eine Partei in Regierungsverantwortung eingebunden ist, die das Potenzial hat, eine Alternative zur AfD anzubieten. Dazu kommt, unter anderem, das Unbehagen vieler Menschen mit Veränderungen, die sie nicht als Bereicherung erleben oder empfinden, sondern als Bedrohung, mindestens als Überforderung.
Natürlich ist es Aufgabe einer Oppositionspartei, zumal einer konservativen, ein solches Unbehagen aufzugreifen. Aber Merz legt den Schwerpunkt nicht darauf, für die eigene Position zu werben, er raunt von einer "engstirnigen Meinungselite" und verstärkt das Unbehagen damit noch. Das ist nicht Politik, das ist ein Kulturkampf, aus dem die CDU nicht als Gewinner hervorgehen wird. Denn dadurch wird eine Polarisierung befördert, von der allein die AfD profitiert. Und natürlich ist auch Merz nicht der allein Verantwortliche für das Erstarken der AfD, selbstverständlich sind auch Linke an diesem Kulturkampf beteiligt, was ebenfalls ein Problem ist. Aber wenn Merz die AfD immer noch halbieren und die Union stärker machen will, dann ist seine Analyse eher Teil des Problems als Teil einer Lösung.
Quelle: ntv.de