Inhaltslos, würdelos, vulgär Je älter Biden wird, desto schmutziger wird Trumps Wahlkampf
14.06.2024, 19:38 Uhr Artikel anhören
Angriff! Donald Trump macht Wahlkampf.
(Foto: IMAGO/Middle East Images)
Immer wieder kursieren Videos von US-Präsident Biden, die sein deutlich sichtbares Alter thematisieren. Sie sind Beleg für die Inhaltslosigkeit des Wahlkampfs. Herausforderer Trump und die Medienblase der Republikaner sinken darin auf ein erschreckendes Niveau.
Der Politikbetrieb der Vereinigten Staaten hat sich seine beiden designierten Präsidentschaftskandidaten für November schon länger ausgesucht: zwei alte Männer vor ihrem Lebensabend. Joe Biden, der 81-jährige Demokrat im Weißen Haus, der manchmal über Sätze stolpert, nuschelt und stocksteif geworden ist. Donald Trump, sein inzwischen 78-jähriger Vorgänger und Herausforderer, der mit fortschreitenden Jahren die demokratischen Institutionen und politischen Regeln immer mehr ignoriert und dessen Reden sich zuweilen in "Stream of consciousness"-Gebrabbel aus Stichworten und Versatzstücken verlieren.
Das sind Fakten über Joe Biden und Donald Trump. Berechtigte Gründe, jemanden zu verhöhnen oder kalkulierend ständig über körperlichen Verfall zu spekulieren oder gar zu fabulieren, sind es nicht. Über das Video vom G7-Gipfel etwa, dass manche Medien so genüsslich ausschlachten, nur so viel: Wäre Biden 20 Jahre jünger, oder hätte sich Justin Trudeau oder Emmanuel Macron interessiert anderen Fallschirmjägern zugewandt und den Daumen gehoben, wäre das womöglich eine Randnotiz darüber geworden, wie locker sie sich auf internationalem Parkett bewegen.
Doch in den vergangenen Jahren haben sich andere Mechanismen eingespielt: Jeder Auftritt kommt auf einen Haufen, von dem ständig etwas genommen und an die medialen Wände der eigenen Blasen geklatscht werden kann; im Fernsehen, in sozialen Medien, in Podcasts. Bleibt es kleben, ist das gut. Tropft es in andere Blasen hinein, ist das ein Hauptgewinn. Wer sich damit beschäftigt, tut es zugleich nicht mit den wahren Problemen oder Lösungen. Dabei sind ungeschriebene Regeln und die Grenzen öffentlicher Äußerungen völlig verschoben; auf Trumps Mist gepflanzt und von machtversessenen, führungssüchtigen Republikanern willfährig gehegt und gepflegt.
Sie machen sich damit gemein mit den Wütenden, Zeternden, ja, Hassenden, und ziehen sich wie so häufig auf die Meinungsfreiheit zurück. So jagen sie den Demokraten die Stimmen derer ab, die von den negativen Folgen der marktliberalen und globalisierenden Politik emotionalisiert und getrieben werden. Das Ziel ist der Kopf: Joe Biden. Den behandeln Republikaner wie einen Angeklagten. Der schlechteste Präsident jemals, der korrupte Joe Biden und seine Verbrecherfamilie, oder eben der senile, desorientierte, inkontinente. Trump und seine MAGA-Welt äffen ihn nach, machen sich über sein Alter lustig, verdrehen Fakten bis zur Unkenntlichkeit, unterstellen. Manche, den Demokraten zugewandte Medien arbeiten inzwischen ähnlich. Dieser neue Standard ist nicht nur unangemessen. Sondern würdelos und vulgär.
Nichts für Zimperliche
Biden wird am Jahresende eine (an den historischen Schwierigkeiten gemessene) erfolgreiche erste Präsidentschaft beschließen. Es gibt keine ernst zu nehmenden Hinweise darauf, dass er und sein Team die Kontrolle verlieren. Es sind auch keine erratischen Entscheidungen bekannt. Biden tritt fast täglich öffentlich auf, er fliegt durch die Weltgeschichte, erfüllt seine Aufgaben. US-Staatschefs sind umringt von erfahrenen Beratern, Ministerien und anderen Institutionen. Sie sind keine Superhelden, sie müssen es auch nicht sein. Auch wenn dies als Idealbild vermittelt wird.
Zweifellos ist Biden ein vom Alter gezeichneter Mann und inzwischen sehr steif. Ebenso zweifellos stellt sich deshalb die Frage: Wie soll dieser Mann im Falle eines Wahlsieges noch weitere vier Jahre durchhalten? All das kann öffentlich diskutiert werden, schließlich ist er der mächtigste demokratisch bestimmte Staatschef der Welt. Zudem ist der politische Umgang in den USA nichts für Zimperliche, der Wahlkampf schon gar nicht. Aber das heißt noch lange nicht, und das gilt auch für den Umgang mit Trump, dass man sich damit gemein machen und darüber das menschliche Augenmaß verlieren sollte.
Politik ist auch im Wahlkampf eine Diskussion der Ideen, an deren Ende irgendwann ein Kompromiss steht, mit dem die Extreme nie zufrieden sind, aber wie die Mitte leben können. Im Zweifel darüber ist dieser Prozess jedoch kein Blankoscheck für Diffamierungen und Beschimpfungen, sogar dreckige, ethisch verwerfliche Anspielungen und Verhöhnungen. Das legt nicht nur nahe, dass inhaltliche Argumente fehlen. Sondern auch den Willen, sich damit auseinanderzusetzen.
Quelle: ntv.de