"NIEMAND IST ZUHAUSE" Trump und MAGA-Welt verspotten alternden Biden
14.06.2024, 08:58 Uhr Artikel anhören
Donald Trump verspottet seinen Kontrahenten immer wieder.
(Foto: AP)
Vor vier Jahren konnten es Joe Biden und die Demokraten noch ignorieren, nun ist das Thema fast allgegenwärtig. Wenn der US-Präsident sich zeigt, wirkt er häufig alt, manchmal gebrechlich. Sein Herausforderer Donald Trump und dessen Anhänger nutzen das schamlos aus.
6. Juni, US-Präsident Joe Biden ist mit anderen Staatschefs auf einer Bühne in der Normandie, um des 80. Jahrestags des D-Day, der alliierten Bodenoffensive in Europa gegen Nazi-Deutschland zu gedenken. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Biden reden mit Veteranen, schütteln Hände, klopfen Schultern und gehen danach zu ihren Plätzen. Der 81-Jährige schüttelt Macrons Hand, lehnt sich nach vorn, hält inne, als seine Frau Jill ihm etwas sagt, dann setzt er sich hin. Die anderen tun es ihm gleich.
Trumps Team veröffentlicht am selben Tag über ein X-Konto der Republikanischen Partei ein Video davon - ohne den Teil mit dem Stuhl. Es kommentiert die Aufnahme mit "seltsam" und einem nervös grinsenden Emoji. Trumps MAGA-Medienblase greift es auf - und behauptet, Biden habe nicht mehr an sich halten können. Die fäkalen Details kann sich jeder selbst ausmalen. Der konservative Fernsehsender Fox News geht zwar nicht so weit, wirft dem Staatschef jedoch vor, er habe in der Normandie "räumlich desorientiert" und "verwirrt" gewirkt.
Im Kontext wird jedoch klar, dass Biden keinesfalls verloren oder verwirrt war. Er hielt wenig später zudem eine energische Rede: über die Bedeutung des D-Day und zur aktuell nötigen Unterstützung der Ukraine in ihrem Verteidigungskrieg gegen Russland. Wie üblich geschah dies mithilfe eines Teleprompters. Auch an den darauffolgenden Tagen tritt Biden immer wieder öffentlich auf. Sein Alter kann er nicht verstecken. Aber es geschieht auch nichts Ungewöhnliches.
Die Episode mit dem Video aus Frankreich ist ein Beispiel dafür, auf welchem Niveau die Republikaner ihren Wahlkampf gegen die Demokraten und Biden führen. Alles über den politischen Gegner an die Wand schmeißen und abwarten, was hängenbleibt. Wenn es um Bidens Alter geht, wird diese Vorgehensweise mit fortschreitender Zeit wirkungsvoller.
Schon im Wahlkampf 2020 hatten Republikaner dies versucht, immer wieder Biden als Schwächling hingestellt, der sich im "Keller" oder "Bunker" seines Hauses verstecke, statt Wahlkampf zu machen. Doch Biden war körperlich sichtlich fitter, zudem hatte der Kandidat der Demokraten einen Grund. Die Covid-Pandemie. Außerdem musste er sich nicht unbedingt zeigen. Trump war unbeliebt, die Wirtschaft am Boden, und Biden in Umfragen weit obenauf. Das ist derzeit völlig anders. Die Zustimmungswerte für den Demokraten sind mies, im Mai ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Gallup 39 Prozent. Jeder Präsident mit weniger als 47 Prozent zum gleichen Zeitpunkt wurde wenige Monate später abgewählt.
Hohn und Spott für den Gegner
Die Grenzen davon, wie die Republikaner mit dem politischen Gegner umgehen, hat Trump in den vergangenen Jahren weit verschoben oder gar ausradiert. Die Forderung im Wahlkampf 2016, Hillary Clinton einzusperren. Die Verhöhnung von körperlicher Behinderung. Die Schimpfwörter für jede in Ungnade gefallene Person. "Schläfriger Joe", als der Biden seit 2020 bezeichnet wird, ist in dieser Liste fast schon liebevoll. Bei einem Wahlkampfauftritt vergangene Woche äffte Trump seinen Konkurrenten einmal mehr nach; diesmal als dementen, unbeweglichen Greis, der nicht einmal mehr weiß, welche Speiseeis-Geschmacksrichtung er mag.
Bidens Alter ist zum Hauptangriffspunkt geworden. Die Republikaner stellen ihn als schwachen Anführer hin, der nichts im Griff hat, dem das Land nicht anzuvertrauen ist und es nicht mehr repräsentieren kann. Wie bei einem Konzert im Weißen Haus vor wenigen Tagen. Auf einer Videoaufnahme ist zu sehen, wie Vizepräsidentin Kamala Harris neben Biden tanzt und mitsingt, die meisten Gäste wiegen sich im Rhythmus. Es ist ein seltener Moment von ein wenig Ausgelassenheit. Biden lächelt und guckt starr und bewegt sich sekundenlang nicht. "NIEMAND IST ZUHAUSE", spottete "Fox News" dazu, der Präsident sei "anscheinend eingefroren". Das Video wurde in den sozialen Netzwerken schnell zu einem Meme; es könnte noch lange nachwirken.
Es stimmt, Biden ist schon jetzt der älteste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Allerdings nicht der einzige alte Mann, der in Washington weitere Rekorde brechen könnte. Verliert Biden die Wahl im November gegen Trump, wird dieser ihm seinen Rekord abknöpfen: Am heutigen 14. Juni wird Trump 78 Jahre alt, er wäre also am Ende seines Mandats 82. Doch bevor es so weit ist, werden die beiden alten Männer sich in rund zwei Wochen im Fernsehen duellieren. Und damit neue Videos liefern.
Quelle: ntv.de