
Inhaltlich ist die Union leer, wie im Wahlkampf sichtbar wurde. Laschet hat daran - schon aus Zeitmangel - nichts geändert. Er hat es aber auch gar nicht versucht, weil er der Ansicht war: Es wird schon reichen.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Armin Laschet sorgt mit seinem merkwürdigen Vorgehen für Turbulenzen, wie man sie so bisher nicht kannte. Es bleibt unklar, was ihn reitet oder wohin er damit will. Man fragt sich: Ist das Hybris, Realitätsverlust oder Strategie?
Wäre es nicht so traurig, man könnte lachen. Erst sticht die Union an die wichtigsten Medien des Landes durch, dass Armin Laschet seinen Rückzug vom CDU-Vorsitz in der Fraktion angekündigt habe, was für entsprechende Schlagzeilen und ein gewisses Aufatmen sorgt, dass "der Untote", wie ihn der "Spiegel" nannte, nun doch sein politisches Ende auf Bundesebene akzeptiert. Dann tritt er vor die Medien und erklärt statt seines Rücktritts, weiter an eine schwarz-grün-gelbe Jamaika-Koalition zu glauben.
Nebenbei will der ungeliebte Kanzlerkandidat die CDU umfassend erneuern. Neue Inhalte und Köpfe müssen her. Wie war das noch? Hatte Laschet nicht ein "Zukunftsteam" benannt? Und natürlich steht eine tiefgreifende und schonungslose Aufarbeitung des Wahldebakels an. Es ist nur die nächste Ankündigung, die CDU personell und inhaltlich neu aufzustellen, seit dem Abgang von Angela Merkel als Parteichefin. Drei Jahre ist das mittlerweile her.
Zur Erinnerung hier noch einmal die Verlautbarungen aus dem Konrad-Adenauer-Haus nach den verlorenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im März dieses Jahres auf Twitter. "Unsere volle Konzentration liegt jetzt darauf, unser Land gut aus der Krise zu bringen. Wir arbeiten gemeinsam mit aller Kraft dafür." Als "Wegmarken" wurden genannt: "Kreisvorsitzenden- & Ostkonferenz: Wir diskutieren intern über Chancen & Herausforderungen & sammeln Ideen für eine gute Zukunft."
So kann man sich irren
Das Sammeln funktioniert in der Union offenkundig nicht. Sie hat sich auf die Jagd spezialisiert. Jeder schießt quer und vergrößert das Chaos. Inhaltlich ist die Union leer, wie im Wahlkampf sichtbar wurde. Laschet hat daran - schon aus Zeitmangel - nichts geändert. Er hat es aber auch gar nicht versucht, weil er der Ansicht war: Es wird schon reichen. Eine Bundesregierung ohne Union? Unvorstellbar. So kann man sich irren.
Erst gab sich Laschet als Versöhner, dann als streitlustiger Angreifer. Neuerdings macht er auf bescheidenen Kumpeltyp, der gerne zurücksteckt im Interesse der großen Sache. Er hat "Lust" auf ein "Modernisierungsbündnis", "ein neues Politikprojekt", das mit dem alten Lagerdenken bricht. Dabei kann die Union nicht mal ihre eigenen Lager versöhnen.
Laschet gibt als Motto aus: "Erst das Land, dann die Partei und dann die Person." Unter Verweis auf exakt diese Losung hatte ihn ein Bürger in einer TV-Sendung vor der Wahl gefragt, warum er, der stets behaupte, das Beste für das Land zu wollen, nicht angesichts seiner Umfragewerte die Kanzlerkandidatur an Markus Söder abtrete. Der irritierte Laschet antwortete vor Millionenpublikum: Wer Kanzler werde, entschieden die Bürgerinnen und Bürger am 26. September 2021.
Liest der Mann keine Nachrichten?
Nimmt man ihn beim Wort, lautete das Votum, wenn auch knapp: Olaf Scholz. Am Wahlabend gratulierte Laschet nicht einmal dem Sozialdemokraten, sondern bot sich selbst als Kanzler an. Dass er nicht Regierungschef wird, stand da längst fest. Selbst wenn doch noch die Jamaika-Koalition käme, könnte er nicht Kanzler werden. Seine Popularitätswerte sind seit der Wahlniederlage nicht besser geworden.
Inzwischen muss sogar die Frage gestellt werden, ob Laschet an Realitätsverlust leidet, sein Verhalten Hybris, einer genialen Strategie oder beidem geschuldet ist, kurzum: was ihn reitet? Seit der Wahl mutet sein Verhalten - gelinde gesagt - merkwürdig an, als lebe er in einer Parallelwelt. Er sei der "Ansprechpartner" für weitere Jamaika-Gespräche. "Dafür habe ich die Rückendeckung der Fraktion." Liest der Mann keine Nachrichten? Schaut er nie auf den Twitter-Kanal von Friedrich Merz?
Laschet benennt Politikbereiche, als wäre der Wahlkampf noch nicht vorbei, klagt, dass viele wichtige Themen in der Großen Koalition "mühsam mit der SPD zu bewegen waren". Deshalb müsse Jamaika her, deshalb "werden wir mit unseren Ideen bereitstehen", erklärt der Mann, dem seit Wochen Ideenlosigkeit und Inhaltsleere bescheinigt werden. "Wir von uns schlagen keine Tür zu." Laschet nennt viele Forderungen, die die FDP möchte - als wären die Grünen in einer Jamaika-Koalition eher bereit, den Liberalen nachzugeben, als in einer Ampel. Das ergibt schlicht keinen Sinn.
Laschet preist Schwarz-Grün-Gelb als das Nonplusultra des Fortschritts an, obwohl statt der SPD die zurzeit strategisch miserabel aufgestellte Union mitmachen würde. Er fragt Grüne und Liberale, "warum ohne Not in einseitige Sondierungsgespräche gestartet worden ist". Die Antwort ist einfach: Weil die Union unter seiner Führung zum Chaos-Klub verkommen ist.
Quelle: ntv.de