Union-Krise bei Illner und Lanz "Wir sind alle Teil des Problems"
08.10.2021, 04:27 Uhr
Altmaier hatte in der Kandidatenfrage der Union CSU-Chef Söder unterstützt.
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Unions-Kanzlerkandidat Laschet hält am Ziel einer Jamaika-Koalition fest, notfalls auch ohne ihn. Ein Parteitag solle die inhaltliche und personelle Erneuerung der CDU einleiten. In den ZDF-Talkshows mit Maybrit Illner und Markus Lanz bewerten Politiker die jüngsten Aussagen Laschets.
Die Bombe platzte am Donnerstagabend um halb sieben. Da trat Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet vor die Presse. Die Union stehe weiterhin zu Gesprächen für die Bildung einer Regierungskoalition zur Verfügung, sagte er. Gleichzeitig deutete er an, dass es Jamaika auch ohne ihn als Bundeskanzler geben könne. "Das große Projekt Jamaika wird nicht an der Person scheitern", sagte er.
Zudem, so Laschet außerdem, müsse die Union eine personelle und inhaltliche Erneuerung einleiten. Die Partei müsse mit neuen Persönlichkeiten einen Neuanfang machen, ob in der Regierung oder in der Opposition. Am späten Donnerstagabend haben Politiker von Union, Grünen und FDP bei Maybrit Illner und Markus Lanz im ZDF die Ankündigungen Laschets bewertet.
"Kein Vakuum in der CDU"
"Es gibt kein Vakuum in der CDU", versichert Unionspolitiker Friedrich Merz bei Maybrit Illner. Armin Laschet sei Vorsitzender und Kanzlerkandidat und stehe als Ansprechpartner zur Verfügung. Die CDU habe viele Fehler gemacht, die aber nicht nur bei der Person Laschet zu suchen seien, sagt der Politiker. Die Fehler reichten zurück bis Ende Oktober 2018. Da habe die Partei akzeptiert, dass Parteivorsitz und Bundeskanzler nicht mehr in einer Hand liegen sollen. "Das war der strategische Fehler, das ist uns nicht gut bekommen; sonst hätten wir die Wahl nicht verloren." Damals habe die Führungskrise begonnen, die die Union bis jetzt nicht gelöst habe.
Merz gibt auch CSU-Chef Markus Söder eine Mitschuld am schlechten Unionswahlergebnis. Auf dessen kritische Haltung zu Laschet angesprochen, sagt er: "60 Prozent der Wähler haben die Union als zerstritten angesehen, und zerstrittene Parteien werden nicht gewählt."
Gleichzeitig kritisiert Merz die Art der Aufstellung Laschets zum Kanzlerkandidaten. Laschet sei "von dem Establishment der CDU durchgesetzt worden", sagt er und fügt hinzu: "Mit derartigen Entscheidungen haben wir krachende Wahlniederlagen eingefahren, das müssen wir jetzt ändern."
"Mit Geschlossenheit überzeugen"
Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU blickt in die Zukunft. Altmaier bei Markus Lanz: "Jeder Nachfolger, der gewählt wird, muss dafür sorgen, dass wir das Vertrauen wieder zurückgewinnen, das wir verloren haben." Die Union habe Wähler verloren, weil sie keine Antworten auf Fragen gehabt habe, die die Wähler interessierten. Dazu gehörten die Renten- und die Sozialpolitik, so Altmaier. "Wir möchten wieder die Volkspartei der Mitte werden; dazu müssen wir uns inhaltlich reformieren." Diese Verantwortung müsse die gesamte CDU tragen. "Wir sind alle Teil des Problems", sagt Altmaier.
Die Zerstrittenheit in der Union kritisiert auch der Vorsitzende der CDU Hamburg, Christoph Ploß. "Was mir im Moment Sorgen macht ist, dass einige in der CDU gerade übereinander herfallen", sagt er bei Markus Lanz. Die CDU müsse wieder als geschlossenes Team wahrgenommen werden. "Nur mit Geschlossenheit und Teamfähigkeit kann man auch die Wähler überzeugen."
Was Ploß meint, wird klar, als Peter Altmaier von Moderator Markus Lanz gefragt wird, wie loyal er eigentlich gegenüber dem Kanzlerkandidaten gewesen sei. Immerhin habe Altmaier ja ursprünglich die Kanzlerkandidatur von Markus Söder unterstützt. Er habe auf allen Wahlveranstaltungen gesagt, Laschet sei Unionskandidat und man wolle, dass er Kanzler werde, erklärt Altmaier. Aber ob er denn auch etwas Freundliches gesagt habe, will Lanz wissen. Es entsteht eine lange Pause. Dann die Antwort: "Ich glaube, dass das die falsche Debatte ist. Ich habe die Fragen beantwortet, die mir die Menschen gestellt haben."
"Es gibt etwas Neues"
Unterdessen haben sich SPD, Grüne und FDP auf weitere Sondierungsgespräche zur Bildung einer Ampel-Koalition verständigt. Die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal lobt die bisherigen Gespräche: Es gebe etwas Neues, sagt sie bei Maybrit Illner. Man spreche jetzt vor allem über Inhalte. Dabei sei eines der wichtigsten Ziele, dass das Klimaabkommen von Paris eingehalten werde. "Wir wollen von unserer Erde auch noch etwas haben."
Grünen-Politiker Cem Özdemir spricht sich ebenfalls bei Maybrit Illner dafür aus, dass die neue Regierung miteinander arbeite statt gegeneinander. Früher sei es so gewesen, dass ein Ministerium die Beschlüsse eines anderen blockiert habe. Das müsse sich jetzt ändern.
"Spannend für Deutschland"
FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff schließlich weist darauf hin, dass sich schon etwas Wesentliches geändert habe. Bei Markus Lanz erklärt er, wann es zu möglichen Jamaika-Gesprächen kommen könnte: "Wir werden mit der Union reden, wenn wir und die Grünen meinen, dass es sinnvoll ist." In Deutschland gebe es jetzt keine großen Parteien mehr. "Wir haben ein anderes Parteiensystem." Nun müssten Liberale und Grüne miteinander verhandeln, die als die Erneuerungsparteien wahrgenommen würden. "Das ist spannend für Deutschland."
Spannend ist auch, dass sich ganz kleine Veränderungen bei der CDU schon anzudeuten scheinen. Das kann man aus dem Satz des Abends herauslesen, den der eine oder andere Zuschauer mit einem leicht ironischen Grinsen quittiert haben könnte. Er lautet: "Ich würde gerne sehen, dass wir in Zukunft die drei Buchstaben C D U etwas größer schreiben als die drei Buchstaben I C H." Gesagt hat ihn - ausgerechnet - Friedrich Merz.
Quelle: ntv.de