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Panzer rücken auf Gaza-Stadt vor Netanjahu scheint bereit, die Geiseln zu opfern

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Der von der Hamas vor 711 Tagen verschleppte Guy Gilboa-Dalal im Video der Terroristen

Der von der Hamas vor 711 Tagen verschleppte Guy Gilboa-Dalal im Video der Terroristen

(Foto: Aufnahme aus einem Propaganda-Video der Terrorgruppe Hamas)

20 verschleppte Israelis sollen noch leben - in der Hand der Hamas-Terroristen. Statt einen Deal zu erwirken, steckt Netanjahu Gaza-Stadt in Brand. Das werden die Geiseln kaum überstehen.

So sieht es aus, wenn ein Regierungschef sich Rechtsextremisten unterwirft: Benjamin Netanjahus radikale Regierungspartner bestimmen seinen Kurs. Das wurde schon am vergangenen Dienstag sichtbar, als die israelische Luftwaffe versuchte, Mitglieder der Hamas-Delegation in Katar zu töten. Die Führungspersonen der Terrorgruppe waren vor Ort, um mit israelischen Unterhändlern über einen Geisel-Deal zu verhandeln.

Die Gespräche kreisten seit Monaten um einen Deal, der den Krieg beendet. Doch während man dort auf der Stelle trat, soll parallel dazu ein Vorschlag auf dem Tisch gelegen haben, der eine 60-tägige Waffenruhe vorsah, dazu die Freilassung zehn israelischer Geiseln und im Gegenzug die Übergabe einiger in Israel inhaftierter Palästinenser.

Nicht der große Deal, aber ein erster Schritt. Für zehn Geiseln hätte er die Rettung ihres Lebens bedeutet, die Hamas hatte bereits zugestimmt. Fast drei Viertel der israelischen Bevölkerung wünscht sich einen Deal zur Befreiung der Geiseln. Doch der Anschlag in Katar machte das zunichte und seit heute fürchten die Geisel-Familien mehr denn je um das Leben ihrer Lieben. Denn israelische Truppen rücken vor auf Gaza-Stadt.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte die Hamas ein Video, das zwei der noch lebenden Geiseln zeigt. Guy Gilboa-Dalal wird in einem Auto durch das zerbombte Gaza-Stadt gefahren. Er sagt offensichtlich von der Hamas diktierte Sätze: "Bitte, holt uns zurück!" Er habe Angst, durch die israelische Offensive getötet zu werden.

Das Gebahren der Hamas ist widerwärtig

Gilboa-Dalal wird - wie vermutlich acht weitere Geiseln - von den Terroristen als menschlicher Schutzschild missbraucht. Da nun die vollständige Einnahme von Gaza-Stadt droht, haben sie ihre Gefangenen aus den Tunneln ans Tageslicht gezerrt. Die Botschaft: Wenn Ihr die Stadt angreift, macht Ihr Euch schuldig am Tod Eurer Landsleute, die Ihr doch befreien wolltet.

Das Gebahren der Hamas ist widerwärtig und verachtenswert. Und egal, auf welche Weise die Geiseln in Gaza-Stadt zu Tode kommen könnten - Schuld daran würden immer ihre Entführer und Peiniger haben. Seit 711 Tagen halten die Terroristen die Israelis gefangen, ihr alles entscheidendes Faustpfand im Ringen mit Israel. Vorsicht also vor einer Umkehr von Opfer und Täter.

Doch angesichts des brutalen israelischen Einmarsches, der in Gaza nun begonnen hat, ist das Risiko immens groß, dass die Geiseln einem Racheakt der Hamas zum Opfer fallen oder sogar durch einen Angriff ihrer Befreier sterben könnten. Die Angehörigen der Entführten formulieren deutlich: Guy Gilboa-Dalal habe "nicht nur Angst davor, durch die Hände seiner Entführer zu sterben, sondern auch durch die Bomben, die ihn eigentlich retten sollen", sagt ein Freund seiner Familie.

Ähnliche Warnungen kamen schon mehrfach aus der Armee: Israels Generalstabschef Eyal Zamir und weitere Generäle haben öffentlich gegen die Pläne zur Besetzung von Gaza-Stadt protestiert. Aus ihrer Sicht droht im Häuserkampf und wenn die Hamas Zivilisten als Schutzschilde missbraucht, eine hohe Zahl an zivilen Opfern. Die Hungerkatastrophe würde sich verschärfen, zudem seien Israels Ziele per Offensive nicht zu erreichen. Für eine dauerhafte Besetzung der Stadt und volle Kontrolle reicht aus Sicht der Militärs die Truppenstärke der IDF nicht aus.

Reservisten verweigern den Dienst

Zugleich sinkt in der Armee radikal die Bereitschaft zum Krieg. Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber israelische Medien schätzen, dass von den seit Kriegsbeginn eingezogenen 300.000 Reservisten mehr als ein Drittel den Dienst verweigert.

Einer der Gründe dafür ist das wichtigste Argument der Militärführung und der Geisel-Familien gegen die Offensive: die Gefahr für die Entführten, ihr Leben zu verlieren - durch die Hand der Hamas oder bei einem Angriff ihrer eigentlichen Befreier.

Doch Netanjahus Regierung scheint für Argumente nicht mehr erreichbar. Seine rechtsreligiösen Koalitionspartner haben den Ministerpräsidenten in der Hand. Folgt er ihrem Willen nicht, lassen sie die Regierung platzen. Dann wäre Netanjahu vermutlich erledigt.

Darum, und viele Israelis sagen: nur darum erschüttern seit heute schwere Explosionen den Gazastreifen, berichten palästinensische Medien von vorrückenden Panzern. Was mit Israel passiert, wenn es im Zuge seiner Offensive nun noch die letzten 20 lebenden Geiseln verlieren sollte - Netanjahu ficht das nicht an. In Gaza fürchten Tausende um ihr Leben, doch auch für Israel selbst könnte es dieser Tage kaum schlimmer kommen.

Quelle: ntv.de

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