Person der Woche Lencke Steiner - die neue FDP
12.05.2015, 12:21 Uhr
Die FDP kann wieder jubeln. Nach Hamburg hat nun auch in Bremen eine junge Frau die Liberalen neu beflügelt. Sie sind Gegenmodelle - nicht nur zu den Brüderles der alten FDP.
Die FDP ist so etwas wie der Porsche 911 unter den Parteien. Ziemlich umstritten, unziemlich individuell. Da liegt unternehmerisches Gasgeben in der Luft, es riecht nach beheizbarem Weichlederlenkrad und es weht der Wind der Freiheit übers Cabriodach der Gedanken. Die Sache ist etwas für Ambitionierte (böse Zungen behaupten, für Reiche), vom politischen Opel-VW-Milieu völlig verschmäht. Eine Provokation - und doch immer wieder ein Hingucker. Und wie beim automobilen Spiegelbild, so wagt auch die FDP alle paar Jahre einen Modellwechsel.
Vor Zeiten war das Modell "Genscher" angesagt, ein geschmeidiger, schnurrender Dauerbrenner mit gelbem Allseiten-Airbag. Dann gab es das Modell "Lambsdorff", ein knarziges Mehr-Markt-Getriebe mit Gehstock auf der Hutablage. Die Sondereditionen "Hamm-Brücher", "Baum" und "Leutheusser-Schnarrenberger" boten Linkslenkung und ein Bürgerrechts-Distance-Controll-System.
Dann kam eine völlig neue Modellreihe heraus, als Erlkönig noch "Guidomobil" genannt. Die FDP wandelte sich zur rasenden "Westerwelle" mit 18 Gängen und einem Dolby-Surround-Steuersenkungs-System. Doch dieses Modell wurde in Berlin ziemlich direkt an die Wand des Außenministeriums gefahren, woraufhin die ganze Marke zerstört schien.
Nun kommt die FDP mit einer runderneuerten Modellreihe auf den Markt - und hat damit erstaunlichen Erfolg. Der "Lindner" hat einen geschmeidigen, weichen Lauf und kommt in völlig neuen Farben (Magenta, Pink, Lila) daher. Er röhrt nicht mehr so wie das Vorgängermodell und lockt - Brüderle dürfte staunen - gezielt Frauen ans Steuerrad.
Sympathie-Überraschung der Wahl
In Hamburg ist der "Lindner" bereits mit Katja Suding durchgestartet. Und nun wurde selbst das obersozialdemokratische Bremen mit einem liberalen Beschleunigungsmanöver verblüfft. Lencke Steiner war die große Sympathie-Überraschung der Wahl. Mit ihrer Natürlichkeit hat sie ein Wahlergebnis erreicht, das vor wenigen Monaten noch für unmöglich gehalten worden war. Schließlich hatten die Liberalen 2011 in Bremen gerade einmal 2,4 Prozent erhalten.
Steiner hebt das Individualisierungs-Konzept der Modellreihe "Lindner" auf eine neue Ebene. Sie ist mit 29 Jahren für eine Spitzenkandidatin sehr jung, den Wahlkampf führte sie, ohne selbst FDP-Mitglied zu sein, eine non-konformistisch auftretende, schlagfertige Polit-Amateurin, die als Jurorin in der Vox-Casting-Show "Höhle des Löwen" telegene Talente erprobt hatte.
Steiner hatte im Wahlkampf Erfolg, gerade weil sie keine glatt geschliffene, erfahrene Vertreterin der politischen Profi-Truppe war. Sie arbeitet mit ihrem Vater im mittelständischen Familienbetrieb und verkörpert auch als Vorsitzende des Bundesverbands "Junge Unternehmer" das, was in der postmodernen Politik am meisten vermisst wird: Echtheit.
Die Modell-Generation "Lindner" ist, wie Suding und Steiner, so frei wie keine FDP-Generation vor ihr. Sie haben keine Parteikarriere mit Banden und Wunden und Pflichten hinter sich. Sie haben nur sich selbst. Gerade diese innere Unabhängigkeit macht sie stark. Und weil die FDP in Trümmern gelegen hat und nichts mehr zu verlieren gewesen ist, können sie machen und sagen, wovon sie wirklich überzeugt sind. Ausgerechnet der ewigen Regierungspartei scheint damit eine außerparlamentarische, fast anarchische Selbstbefreiung zu gelingen. Die Erfolge der neuen FDP erklären sich also aus der Kraft der Autonomie. Das Modell Steiner und Suding ist nicht nur - wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" meint - ein Gegenentwurf zur Generation Brüderle. Es ist ein Gegenentwurf zur eingefahrenen politischen Korrektheit. Wie ein Porsche in Bremerhaven.
Quelle: ntv.de