Personen der Woche Scholz und Merz - der alte und der neue Bundeskanzler
17.12.2024, 10:57 Uhr Artikel anhören

Scholz (l.) hofft darauf, dass Merz im Wahlkampf auf der Zielgeraden noch größere Fehler machen wird.
(Foto: picture alliance / dts-Agentur)
Olaf Scholz ist als Ampel-Bundeskanzler gescheitert. Nun sollen drei Taktiken den Wahlkampf der SPD retten. Darunter ist auch eine scharfe Anti-Merz-Kampagne. Doch das droht nach hinten loszugehen - aus einem überraschenden Grund.
Olaf Scholz war der neunte Kanzler der Bundesrepublik. Doch keiner der acht zuvor startete so abgeschlagen in den Wiederwahlkampf wie er. Die Ampel-Regierung ist krachend gescheitert, in Umfragen liegen er und seine Partei auf miserablen Werten sogar noch hinter der AfD. Der Bundestag hat ihm das Vertrauen entzogen, doch der Vertrauensverlust des Kanzlers ist in der Wirtschaft, bei Alten und Jungen, in Ost- und Süddeutschland weiträumig. Für viele Milieus ist Scholz eher ein Gespött als ein Garant für neue Erfolge.
In der SPD-Zentrale wäre man darum lieber mit dem populären Boris Pistorius in den Wahlkampf gezogen, plant nun aber trotzig das große Comeback mit dem Kanzler, der unbedingt Kanzler bleiben will. Drei Taktiken sollen dabei helfen.
Scholz attackiert FDP weiter scharf
Taktik 1: Aktion Sündenbock. Mit einiger Energie ereifert sich die SPD seit Wochen über Christian Lindner und die FDP als "Verräter", "Spieler", "Trickser", die die Ampelkoalition kühl geplant und verantwortungslos hätten platzen lassen. Bei seiner Rede zur Vertrauensfrage verstieg sich Scholz am Montag zur Beleidigung, es fehle Lindner "an sittlicher Reife", und sogar hin zum ungeheuerlichen Vorwurf der "Sabotage", was nach Paragraf 88 des Strafgesetzbuchs eigentlich ein Verbrechen ist.
Die geifernde Attacke auf den einstigen Koalitionspartner soll vor allem eines bewirken - die Schuldfrage über das grandiose Scheitern der Regierung einem Einzelnen, vor allem einem anderen zuschieben. Und dem eigenen Lager ein Feindbild verschaffen, das die SPD-Reihen schließt.
Das Problem dieser Taktik liegt darin, dass man mit den Dauerattacken auf die FDP das peinliche Scheitern der Ampel immer weiter thematisiert, ohne etwas Positives und Neues ins Feld zu führen. Zudem ist die FDP für die SPD eigentlich der unwichtigste Konkurrent. Anstatt mit CDU oder AfD zu streiten oder die Lager-Konkurrenten Grüne und BSW aktiv zu kontern, ist der erste Wahlkampfmonat mit wildem FDP-Verbeißen einigermaßen vertan worden.
SPD als "Friedenspartei" trotz Waffenlieferungen
Taktik 2: Aktion Taube. Die SPD sucht nun im zweiten Wahlkampfmonat nach einem Thema, mit dem sie emotional mobilisieren und sich positiv gegen Friedrich Merz und die CDU profilieren kann. Der Ukraine-Krieg ist nun dazu auserkoren, einen vermeintlichen Gegensatz zu konstruieren zwischen Frieden (SPD) und Krieg (CDU).
SPD-Fraktionschef Mützenich ruft Scholz lautstark zum "Friedenskanzler" aus, die SPD lobt sich selbst als "Friedenspartei". Das Nein zu Taurus-Lieferungen in die Ukraine wird zum heroischen Akt stilisiert, um Scholz als den Besonnenen und Standhaften zu präsentieren.
Der Nachteil dieser Taktik besteht aber darin, dass Scholz und seine Regierung in Wirklichkeit die Ukraine massiv militärisch unterstützen und bislang keine aktive Friedensinitiative eingeleitet haben, außenpolitisch vielmehr wankelmütig und isoliert wirken. Die Aktion Taube könnte daher eher Wähler zu BSW und AfD treiben, die einem sofortigen Diktatfrieden Russlands das Wort reden und damit vor allem im Osten punkten.
CDU beklagt eine "Schmutzkampagne"
Taktik 3: Merz-Mobbing. Die heimliche Hoffnung der SPD für den dritten und letzten Wahlkampfmonat ruht auf Friedrich Merz. Zum einen hofft die SPD, dass Merz - womöglich wie weiland Armin Laschet 2021 - auf der Zielgeraden noch größere Fehler machen wird. Zum anderen soll der CDU-Kanzlerkandidat systematisch als "kalter Kapitalisten-Freund", als "Frauenfeind" und "gestriger Knochen" dargestellt werden. Die CDU beklagt bereits eine "Schmutzkampagne".
Die Mobbing-Taktik hat gleich drei Schwächen. Zum einen ist Olaf Scholz in direkten Präferenzumfragen unbeliebter als Merz. Die Persönlichkeiten zu thematisieren, könnte der SPD also eher schaden als nutzen. Zum anderen funktioniert das Mobbing nur, wenn Merz eklatante Fehler machen sollte. Die aber hat er in letzter Zeit weitgehend unterlassen. Zum Dritten wirkt das "Negative Campaigning" bei Merz schon lange nicht mehr so gut. Merz ist den Deutschen seit vielen Jahren zu genau bekannt als dass man ihn noch weiter verteufeln könnte.
Der Polit-Stratege und Ex-Regierungssprecher von Gerhard Schröder, Bela Anda, warnt seine SPD daher vor der irrigen Annahme, Merz sei ein dankbarer Gegner: "Ich halte Merz für einen schwierigen Gegner. Denn er bedient Themen, die viele SPD-Wähler umtreiben, aber von der Partei vernachlässigt werden." Innere Sicherheit, das Migrationsproblem und Wirtschaftskompetenz habe Merz besetzt. "Die SPD sollte nicht glauben, dass es gegen Merz einfach wird. Er kann bei aller Polarisierung eine breite Wählerschaft ansprechen", sagt Anda.
Wirtschaftskompetenz als Vorteil für Merz
Meinungsforscher weisen darauf hin, dass Merz recht gut zum aktuellen Retro-Zeitgeist passe. Kritik am "Kapitalistenversteher" wäre vor zehn Jahren womöglich auf fruchtbaren Boden einer linksgeneigten Stimmung getroffen. Heute aber ist Wirtschaftskompetenz ein großer Vorteil für Merz. Dass er jahrelang aus der Politik ausgestiegen war, hätte man ihm zu anderen Zeiten gut als fehlende Regierungs-Erfahrung vorwerfen können.
Heute aber wirkt einer, der in der Wirtschaft viele Jahre tiefe Expertise sammeln konnte, eher als unbelasteter Fachmann. Auch die kantige Ernsthaftigkeit, die Merz ausstrahlt, wäre in sonnigeren Zeiten der Republik wenig anschlussfähig gewesen. Heute aber wirkt Merz wie der klassische "ernste Mann für ernste Zeiten". Auch das Comeback-Topos und die Klartexter-Aura, die seine Biografie prägten, hilft Merz in diesen Zeiten.
Kurzum: Das Habituelle spricht im Moment eher für Merz als für Scholz. Die SPD wird andere Narrative brauchen als den Sündenbock, die Taube und den Bonzen-Bösewicht.
Quelle: ntv.de