Person der Woche: Kari Lake Wird sie Amerikas erste Präsidentin?
11.11.2022, 13:03 Uhr (aktualisiert)
Bei den Midterms in den USA wird ein Rechtsruck erwartet - und eine Vorentscheidung, wer von den Republikanern nächster Präsidentschaftskandidat werden könnte. Eine Frau sticht dabei besonders heraus: Sie ist geschmeidige TV-Moderatorin, neuer Superstar der Konservativen und plötzlich eine kommende Kandidatin fürs Weiße Haus.
Sie sieht aus wie ein Hollywoodstar, sie kann reden wie Barack Obama und sie denkt wie Ronald Reagan. Kari Lake ist im amerikanischen Midterm-Wahlkampf die große Neuentdeckung. Lake wird - den Umfragen zufolge - wohl neue Gouverneurin im Schlüsselstaat Arizona. Normalerweise wäre das nur eine Randnotiz der Weltpolitik. Doch Kari Lake ist ein TV-Star und ihr Erfolg in der Politik sorgt für allerlei Schlagzeilen.
Für liberale Medien ist sie eine neue Hassfigur des Rechtspopulismus, sie wird wahlweise als "Trump in Highheels", als "gefährlichste Frau Amerikas" oder die "Leading Lady der MAGA-Bewegung" (von "Make America Great Again") bezeichnet. Für konservative Medien in den USA ist sie die neue Heldin der politischen Szene. Lakes Aufstieg von einer populären TV-Moderatorin zum neuen Star der Republikaner verleiht der politischen Fantasie vieler Amerikaner jedenfalls Flügel. Und so raunen immer mehr politische Kommentatoren, dass Lake das Zeug habe, in zwei Jahren ins Weiße Haus einzuziehen.

Früher Buddhistin und Demokratin, heute Christin und Republikanerin: Kari Lake.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Lakes Ausnahmestellung rührt daher, dass sie polarisierende Positionen im geschmeidigen Kleid moderner Telegenität darbietet. Sie ist ein smart lächelndes Gegenbild zu den geifernden Altherren-Republikanern wie Donald Trump oder Ron DeSantis. Die Mutter zweier Kinder arbeitete 22 Jahre als Moderatorin und Publikumsliebling des Fernsehsenders KSAZ-TV im Fox-Newsverbund. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie mit einem Emmy Award ausgezeichnet. Sie interviewte Barack Obama ebenso wie Trump - und studierte dabei die andere Seite des Mikrofons. Sie weiß sich perfekt in Szene zu setzen, ihre Sprache ist griffig, ihre Stimme moduliert, ihre Mimik und Gestik präzise, ihre Ausstrahlung charismatisch. Sie weiß sich über Bilder zu inszenieren und befeuert den Superstar-Eindruck mit visueller Methodik.
Kommt es zum "Karizona"?
Die 53-Jährige verwandelt selbst staubige Ranches in ein TV-Studio-Setting und punktet mit einer eigenartigen Mischung aus Charme und Härte. Sie warnt vor der angeblichen "Invasion" durch "drogenschmuggelnde Migranten", vor "freiheitsraubenden Corona-Politikern", vor dem "Inflationisten" Biden. Doch sie findet eine reporterhafte Direktheit in ihrer Ansprache, die neu ist für die politische Kultur Amerikas. Der einstige Chef-Redenschreiber von Ronald Reagan, Kenneth Khachigian, beschreibt ihre rhetorische Stärke so: "Sie hisst ein Banner aus kräftigen Farben, keine Pastelltöne." Sollte Lake den Wechselwählerstaat Arizona mit seinen vielen jungen Modernisierern der Techindustrie tatsächlich erobern und in ein "Karizona" verwandeln, dann wäre das ein Sieg mit Folgewirkung.
Lake intoniert den tiefgreifenden Kulturkampf in Amerika mit lustvoll offensiven Tönen. Ihre Leitsprüche "awake not woke" (wach statt woke), "common sense not communism" (gesunder Menschenverstand statt Kommunismus) zielen auf die einfachen Menschen. Es gehe ihr darum, "die Basics zurückbringen: God, Guns & Glory" (Gott, Waffen und Ruhm). Woke Identitätsthemen, "Globalisten" und linke Journalisten attackiert sie als nervige Phänomene einer dekadenten Oberschicht. Bei einem Auftritt bei einem Rodeo-Event lästert sie über ihre demokratische Gegnerin im Kampf um den Gouverneursposten: "Katie Hobbs glaubt, dass es 47 verschiedene Geschlechter gibt." Dem johlenden Publikum ruft sie entgegen: "Ich habe zwar kein Biologiestudium, aber es gibt zwei Geschlechter, Leute. Zwei!"
Trotz ihrer blitzsauberen Auftritte in fein gebügelten Kostümen beherrscht sie den Gestus der sozialen Bodenständigkeit. Anders als viele ihrer Parteifreunde kommt sie weder aus einer reichen Familie noch von einer Eliteuniversität oder aus einer Armeekarriere. Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen als jüngste von neun Kindern im ländlichen Iowa auf. Als kleines Mädchen habe sie im Winter um 6 Uhr aufstehen müssen, um Holz zu hacken. Eines Tages habe sie beim Schaukeln in den Himmel geschaut, ein Flugzeug gesehen und davon geträumt, einmal so wichtig zu werden, dass sie auch fliegen werde. "Und dann hatte ich diesen Gottes-Moment. Und Gott sagte mir: Du wirst einmal fliegen. Du wirst einmal etwas Großes machen."
Jobwechsel mit Gottes Segen
Auch das religiös Beseelte kommuniziert sie wie eine Reporterin. Den Jobwechsel vom Journalismus in die Politik beschreibt sie so: "Ich hatte Sorge, mein gutes Gehalt zu verlieren, saß an meinem Schreibtisch in der Redaktion und betete zu Gott um Rat. Dann nahm ich eine Bibel und schaute zufällig auf Timotheus 1 Kapitel 6. 'Du bringst nichts mit in diese Welt. Und Du wirst nichts mitnehmen aus dieser Welt.' Ich habe das als direkte Botschaft verstanden. Ok, Gott, dann lege ich los."
Lake ist im Wildwest-Milieu Arizonas absolut geländegängig. Auch wenn Donald Trump sie offiziell unterstützt und Gerüchte streuen lässt, er könne sie möglicherweise zu seiner "Running Mate" und künftigen Vizepräsidentin machen, so verkörpert Lake in vielem doch einen ganz anderen Stil - den Westen, nicht New York. Ihr eigentliches Vorbild ist Ronald Reagan. Mit ihm teilt sie die TV-Karriere (sogar im gleichen Sender), wie er spielt sie mit kommunikativen Wildwest-Motiven, wie er beherrscht sie die Medienklaviatur schlichtweg professioneller als viele Konkurrenten. Offen sagt sie: "Ronald Reagan war mein Held. Seinetwegen bin ich mit 18 Republikanerin geworden."
Wie Reagan war auch Lake in ihrem bisherigen Leben keine superlinientreue Republikanerin. So erklärte sie 2006 den Austritt aus der Partei als Reaktion auf den Irak- und Afghanistan-Krieg. Im Januar 2008 trat sie den Demokraten bei und spendete für Barack Obamas Wahlkampf vor dessen erster Präsidentschaftswahl. 2012 wechselte sie wieder zur republikanischen Partei.
Dass Reagan erst Gouverneur und dann Präsident wurde, dürfte ihr als Parallele ebenfalls gefallen. Und wie Reagan in seinen frühen Jahren einen gut bezahlten Medienjob gegen einen schlecht dotierten Gouverneursposten eintauschte, so kokettiert auch Lake mit diesem Thema. Als sie auf einer Wahlkampfveranstaltung gefragt wird: "Bedauern Sie es, nicht mehr im Fernsehen zu sein?" lautet Lakes Antwort: "Ich vermisse den Gehaltsscheck!" Als Gouverneurin wird sie 95.000 Dollar im Jahr verdienen, als TV-Star bekam sie das zuweilen im Monat.
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 08. November 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de