Regionalnachrichten

Hessen Gefahr für Hinterbliebene: Kriminelle zielen auf Trauernde

Schockanrufe, falsche Rechnungen, Einbrüche: Warum Trauernde nach einem Todesfall besonders ins Visier von Betrügern geraten – und welche Tipps vor Schaden schützen können.

Frankfurt/Kassel (dpa/lhe) - Vier Tage nach der Beerdigung seiner Frau klingelt das Handy eines 77-Jährigen. "Papa, Papa, es ist etwas Schreckliches passiert", sagt eine weinende Frau. Die angebliche Tochter reicht das Telefon an einen "Polizisten" weiter, der dem Rentner erzählt, die Tochter haben einen schweren Verkehrsunfall verursacht. 

Der Witwer ist skeptisch, verlangt die "Tochter" zurück an den Hörer und fragt sie etwas, das - vermeintlich - nur sie wissen kann: "Weißt du, was wir am Donnerstag gemacht haben?" Die Antwort: "Da haben wir doch Mama beerdigt."

Glücklicherweise stellt sich schnell heraus: Es sind offenkundig Betrüger am Werk, die versuchen, die Trauernden auszunehmen. Die Vermutung des Rentners: Die Täter müssen für ihre Masche Informationen genutzt haben, die sie in der Traueranzeige für seine Frau gelesen haben.

Nach Einschätzung der hessischen Polizei nutzen Betrüger immer wieder die emotionale Ausnahmesituation von Hinterbliebenen aus, um Straftaten zu begehen. Besonders gefährdet seien Angehörige, die zu viele persönliche Daten öffentlich preisgeben. "Wichtig ist, bei einer Traueranzeige so wenig Informationen wie möglich zu geben", betont Dirk Hintermeier, Präventionsexperte des Hessischen Landeskriminalamtes.

"Ist diese Information wirklich nötig?"

"Bevor man eine Traueranzeige schaltet, sollte man sich ein paar Gedanken machen: Ist die Information wirklich nötig oder nicht? Können vielleicht Dritte diese Information nutzen, um Straftaten zu begehen?", rät der Experte.

Die Täter griffen bei ihren Betrugsversuchen häufig auf bekannte Maschen zurück. So würden Schockanrufe geführt, bei denen vorgetäuscht werde, ein naher Verwandter habe einen schweren Unfall verursacht und müsse nun gegen Kaution freikommen. 

Eine Traueranzeige enthalte oft Hinweise, wann eine Trauerfeindlichkeit stattfinde, wer trauere und nenne vielleicht sogar eine Traueranschrift. Das gebe einem Täter Informationen über den Verstorbenen, aber auch die Hinterbliebenen. 

"Oft er erfährt außerdem: Gibt es einen Witwer oder eine Witwe? Wer ist die Tochter? Wie heißt der Sohn? Das gibt ihm die Möglichkeit, über Recherchen zum Beispiel im Internet die Telefonnummern von Angehörigen herauszufinden und dann einen Schockanruf oder andere Betrugsmaschen zu starten", erklärt Hintermeier.

Zudem könne der vermeintliche Sohn beziehungsweise die Tochter gezielt das Opfer namentlich ansprechen, erläutert der Experte. So erzeuge der Täter eine zusätzliche Glaubhaftigkeit. Dabei sei es für die Täter prinzipiell nicht einmal wichtig, dass die Traueranzeige aktuell sei, da die erlangten Daten meist noch über Jahre ihre Gültigkeit besitzen.

Angeblich offene Rechnungen

Es geht bei Straftaten im Zusammenhang mit Trauerfällen aber nicht nur um Schockanrufe, wie der Experte erzählt. Es kann auch sein, dass die Identität des oder der Verstorbenen genutzt wird, um in deren Namen Waren oder Dienstleistungen zu erwerben.

Ebenso versuchten Betrügerinnen und Betrüger immer wieder, durch falsche Rechnungen für angeblich offene Forderungen an das Geld der Verstorbenen oder Hinterbliebenen zu kommen. Laut Polizei lassen sich diese Fälle zahlenmäßig schwer erfassen, da sie in der Kriminalstatistik in die allgemeinen Kategorien Betrug per Telefon oder Internet fallen. 

Auch Einbrüche während Trauerfeiern und Beisetzungen seien immer wieder zu beobachten, berichtet der Experte. Diese Gefahr besteht nach seiner Erfahrung vor allem, wenn eine Traueranzeige eine Anschrift enthalte.

Auch ans "virtuelle Erbe" denken

Der Präventionsexperte der Polizei hat noch einen weiteren Tipp im Umgang mit Todesfällen. Immer wieder gebe es Probleme mit dem sogenannten virtuellen Erbe, warnt Hintermeier. Man müsse es Hinterbliebenen ermöglichen, einen Menschen auch in der virtuellen Welt sterben zu lassen, indem man den Account eines Toten beispielsweise auf Social-Media-Plattformen lösche. 

"Das bedeutet, dass ein Angehöriger oder Freund die Möglichkeit haben sollte, bei einem Todesfall die an einem sicheren Platz verwahrten Passwörter zu holen und dann das Konto des Toten bei Instagram, Facebook und Co. zu löschen", rät der Polizeiexperte.

Kondolenzschreiben besser an Bestatter schicken lassen

Das Problem mit Betrugsversuchen im Zusammenhang mit Trauerfällen ist auch beim Bestatterverband Hessen bekannt. In keinem Fall sollte man bei Todesanzeigen die Privatadresse angeben, rät der Verband. Stattdessen sollen die Kondolenzschreiben an den Bestatter geschickt werden. 

"Wir hören auch von allen Bestattungshäusern, dass sie diese Hinweise geben", berichtete der Verband. Die Unternehmen dürften keine Auskünfte wie Telefonnummern an Anrufer geben, ohne vorher Rücksprache mit Familienangehörigen zu halten. 

Betrügereien würden ab und zu versucht, berichtet der Verband: "Es kommt immer wieder mal vor, das gibt es schon länger, schon seit einigen Jahren."

Der Fall des 77-jährigen Witwers ging glimpflich für den Mann aus. Er blieb skeptisch und legte einfach auf. Dann rief er seine echte Tochter auf der ihm bekannten Nummer an und fragte, ob alles in Ordnung sei.

Quelle: dpa

Regionales
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen