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"Collinas Erben" staunen Oliver Glasners fehlende Regelkenntnis hat fatale Folgen

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Oliver Glasner muss gehen.

(Foto: picture alliance / HMB Media)

Der Frankfurter Trainer Oliver Glasner lässt sich zu einer Unsportlichkeit hinreißen, für die er nur die Gelbe Karte erwartet, aber zu Recht die Rote Karte bekommt. Nach dem aufregenden Spiel zwischen Mainz und Schalke erklärt der Schiedsrichter derweil nachvollziehbar, warum er den Gästen in letzter Minute einen Strafstoß zugesprochen hat.

Als zur Saison 2019/20 das Fußball-Regelwerk dahingehend geändert wurde, dass auch Teamoffizielle die Gelbe und die Rote Karte bekommen können, war der Unmut bei manchen Trainern groß. Er wuchs sogar noch, als bekannt gegeben wurde, dass sie nach vier Verwarnungen für ein Spiel gesperrt werden, das Spiel ihrer Mannschaft also nicht von der Bank aus verfolgen dürfen. Einige Übungsleiter äußerten die Befürchtung, fortan schon für Kleinigkeiten mit einer persönlichen Strafe belegt zu werden und in ihrem Wirken dadurch zu stark eingeschränkt zu werden.

Die Aufregung legte sich jedoch bald, die Trainer arrangierten sich mit dem neuen Strafkatalog, die Unparteiischen sanktionieren die Coaches keineswegs inflationär häufig, zu Gelbsperren kommt es nur selten. Vielleicht ist das der Grund, warum selbst im Profifußball offenkundig nicht alle Teamoffiziellen wissen, für welches Fehlverhalten die Regeln welche persönliche Strafe vorsehen. Oliver Glasner, der Trainer von Eintracht Frankfurt, räumte nach seiner Roten Karte in der Partie seines Teams bei der TSG 1899 Hoffenheim (1:3) jedenfalls ein, nicht mit einer derart harten Sanktion durch Schiedsrichter Harm Osmers gerechnet zu haben.

Glasner hatte in der Nachspielzeit der ersten Hälfte in einer Spielunterbrechung einen zweiten Ball auf das Spielfeld gekickt und war dafür vom Referee auf die Tribüne verwiesen worden. "Das war mein stiller Protest gegen die Leistung des Schiedsrichters", sagte er später. "Ich wollte nicht beleidigend sein und wusste nicht, dass es dafür Rot gibt. Ich dachte, dass ich die Gelbe in Kauf nehme. Doch Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Und wenn das Rot ist, dann war das gerechtfertigt."

Bei Glasners Roter Karte hat der Referee keinen Spielraum

Das war es in der Tat, denn in der Regel 12 (Fouls und sonstiges Fehlverhalten) ist bei den Vergehen, die für Teamoffizielle zu einer Roten Karte führen, unmissverständlich das "absichtliche Werfen/Treten von Gegenständen auf das Spielfeld" aufgeführt. "Da gibt es auch keinen Spielraum", wie Osmers nach dem Spiel erklärte. Der Schiedsrichter hätte in dieser Situation sogar noch einen weiteren Grund gehabt, Glasner des Innenraums zu verweisen. Denn auch die "Verzögerung der Spielfortsetzung durch das gegnerische Team" führt zu einer Roten Karte. Und da Hoffenheim im Begriff war, einen Freistoß auszuführen, war eine solche Verzögerung gegeben.

Ein Auswechselspieler oder ausgewechselter Spieler, der auf der Bank sitzt, hätte für das gleiche Vergehen übrigens nur die Gelbe Karte gesehen. Im Regelwerk sind weitere Verstöße aufgeführt, für die ein Spieler oder Reservist lediglich verwarnt wird, ein Teamoffizieller hingegen die Rote Karte bekommt. Anscheinend ist dieser Unterschied nicht allen Trainern bewusst. Er begründet sich durch die besondere Vorbildfunktion, die Teamoffizielle haben. Sie führt dazu, dass manche Vergehen - so zum Beispiel auch das Verlassen der Coachingzone, um gegen eine Entscheidung des Schiedsrichters zu protestieren - bei ihnen härter bestraft werden als etwa bei Auswechselspielern.

Der Roten Karte für Oliver Glasner war eine Entscheidung von Harm Osmers vorausgegangen, die völlig korrekt war: Der Frankfurter Buta hatte den Hoffenheimer Verteidiger Angelino im Luftzweikampf angesprungen, deshalb gab es jenen Freistoß für die TSG, dessen Ausführung sich durch Glasners Ballwurf verzögerte. Kurz bevor der Referee das Spiel aufgrund des Fouls mit einem Pfiff unterbrechen konnte, war er allerdings versehentlich mit dem Frankfurter Djibril Sow kollidiert. Die Eintracht ging offenbar davon aus, dass es einen Schiedsrichterball mit einem ihrer Spieler geben würde. Doch da irrten die Gäste, ihr Protest war somit unberechtigt.

Kramarićs Finte beim Elfmeter ist legal

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"Collinas Erben" - das ist Deutschlands erster Schiedsrichter-Podcast, gegründet und betrieben von Klaas Reese und Alex Feuerherdt. Er beschäftigt sich mit den Fußballregeln, den Entscheidungen der Unparteiischen sowie mit den Hintergründen und Untiefen der Schiedsrichterei. "Collinas Erben" schreiben jeden Montag auf ntv.de über die Schiedsrichterleistungen des Bundesligaspieltags. Unser Autor Alex Feuerherdt ist seit 1985 Schiedsrichter und leitete Spiele bis zur Oberliga. Er ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in Köln, Schiedsrichterbeobachter im Bereich des DFB und arbeitet als Lektor und freier Publizist.

Das gilt auch für die Reklamationen gegen die Art und Weise, wie Andrej Kramarić wenige Minuten zuvor einen Strafstoß für Hoffenheim ausführte und zum 2:0 für die Gastgeber verwandelte. Kramarić hatte während des Anlaufs kurz abgestoppt, bevor er einen weiteren Schritt machte und schließlich den Ball ins Tor trat. Harm Osmers gab den Treffer, Mario Götze protestierte dagegen, wofür ihn der Unparteiische verwarnte. Auch der Frankfurter Torwart Kevin Trapp äußerte nach dem Spiel im Interview leichte Zweifel daran, dass die Ausführung des Elfmeters regelkonform war.

Es ist ein zählebiger Mythos, dass der Anlauf beim Strafstoß in einem Zug ausgeführt werden muss. Der Schütze darf während des Anlaufs verzögern, unterbrechen, sogar abstoppen - all das sind Finten, die das Regelwerk zulässt. Nicht erlaubt ist es dagegen, nach vollendetem Anlauf - das heißt, wenn der Schütze einen Fuß neben den Ball gestellt hat und mit dem anderen Bein ausholt - die Schussbewegung nur vorzutäuschen oder abzubrechen, um erneut auszuholen. Hier haben die Regelhüter die Grenze zwischen zulässigem Trick und unsportlicher Täuschung gezogen. Gegen Kramarićs Elfmeterausführung war somit nichts einzuwenden.

Manche mögen es kritisch sehen, dass das Regelwerk hier dem Schützen wesentlich mehr Freiheiten einräumt als dem Torhüter, der mit einem Fuß auf oder hinter der Torlinie bleiben muss, bis der Schütze den Ball getreten hat. Doch dieses Ungleichgewicht ist genau so von den Regelhütern gewollt. Denn der Strafstoß ist eine Kompensation für eine Regelübertretung des verteidigenden Teams in der torgefährlichsten Zone des Spielfeldes. Deshalb sollen die Erfolgsaussichten beim Elfmeter für das ausführende Team größer sein als für die Mannschaft, die das Vergehen im Strafraum begangen hat.

Jöllenbeck macht seinen Elfmeterpfiff transparent

Begonnen hatte der Spieltag am Freitagabend unter anderem mit der Partie zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und dem FC Schalke 04 (2:3), die mit dem überaus späten Siegtreffer der Gäste durch einen von Marius Bülter verwandelten Foulelfmeter endete. Noch am Sonntag dauerten die Diskussionen darüber an, ob die Entscheidung von Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck, nach dem Zweikampf zwischen Bülter und Anthony Caci im Mainzer Strafraum und dem folgenden, von VAR Günter Perl empfohlenen On-Field-Review einen Elfmeter für die Schalker zu geben, richtig war. Der Referee selbst äußerte sich mehrmals öffentlich dazu: nach dem Spiel in Fernsehinterviews, am Sonntag in der Talksendung "Doppelpass" und auch auf seinem Twitter-Account.

Im Laufe des Zweikampfs hatten beide Spieler ihren Gegner am Trikot gehalten, Caci allerdings als Erster, deutlich länger und am Ende zudem klarer. Bülter hatte so keine Möglichkeit mehr, den Mainzer Keeper Robin Zentner beim Fangen des heranfliegenden Balles herauszufordern. Der Knackpunkt in der Debatte war, wie man Bülters zwischenzeitlichen Griff an das Jersey von Caci bewerten sollte. Als fußballtypisches "Positionsgerangel" bezeichnete der Unparteiische diesen Einsatz, wie auch den vorherigen von Caci.

Nachvollziehbare Entscheidung in schwieriger Situation

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Als der Mainzer den Versuch des Schalkers, sich Zentner zu nähern, durch ein überdeutliches Festhalten am Trikot unterband, waren für Jöllenbeck dagegen die Grenzen des Zulässigen überschritten. "Es war ein langes, klares Halten", das "den Rahmen gesprengt hat", erklärte er. Auf dem Feld habe er es gleichwohl nicht wahrgenommen, daher habe ihm VAR Günter Perl zum On-Field-Review geraten. Eine weise Empfehlung, auch angesichts der heftigen Kritik an Schiedsrichter und VAR nach dem Spiel zwischen dem VfL Bochum und Borussia Dortmund eine Woche zuvor - und eingedenk der besonderen Tragweite der Entscheidung.

Matthias Jöllenbeck hat in einer schwierigen Situation eine begründete und nachvollziehbare Entscheidung getroffen. Bülters Einsatz war an der Grenze des Erlaubten, Caci jedoch der insgesamt aktivere Part, bei dem sich ein Regelverstoß zudem nicht von der Hand weisen ließ. Im "Doppelpass" bezeichnete Oliver Ruhnert, Geschäftsführer des 1. FC Union Berlin und im Amateurfußball selbst als Unparteiischer aktiv, nicht nur den Elfmeterpfiff als korrekt, er lobte auch die gesamte Spielleitung des Schiedsrichters. Zu Recht, denn Jöllenbeck hatte diese so aufregende wie brisante Begegnung gut unter Kontrolle, er sorgte mit seiner Linie bei der Zweikampfbewertung für Spielfluss und bewahrte auch in der hektischen Schlussphase den Überblick.

Quelle: ntv.de

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