Dax macht Verluste wett Anleger beweisen starke Nerven
22.02.2022, 12:06 Uhr
Bislang ist die Reaktion des Westens verhalten ausgefallen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Russland schafft Fakten. Dass der Aktienmarkt sich erholt, bedeutet für Marktbeobachter keine Entwarnung. "Noch sind wir nicht am Worst-Case-Szenario für die Börsen angelangt", kommentiert ein Vermögensverwalter. Im Fokus stehen jetzt Sanktionen gegen Russland.
Nachdem die Entsendung russischer Soldaten in die Ost-Ukraine den Dax am Morgen auf einen Schlag über zwei Prozent gekostet hatte, berappelt sich der Leitindex wieder. "Die Nachrichtenlage aus der Nacht hörte sich für viele so an, als ob die Russen auf breiter Front in die Ukraine eingefallen sind", erklärte ein Händler. Dies sei nicht der Fall, also würden zumindest "Panik-Hedges" wieder eingedeckt. Zudem gebe es Gewinnmitnahmen von Leerverkäufen, die schon Hunderte von Punkten nach unten gutgemacht hätten.
Der Dax erreichte nach dem Absturz sogar wieder den grünen Bereich. Der Leitindex gewann zur Mittagszeit 0,1 Prozent auf 14.744 Punkte. Der morgendliche Schock ließ auch deshalb etwas nach, weil die Reaktion des Westens bislang relativ verhalten ausgefallen ist. Mit den USA dürfte sich das Verhältnis zu Russland dennoch weiter verschlechtern. US-Präsident Joe Biden will Investitionen in die beiden Regionen Donezk und Luhansk verbieten. Für Deutschland verheißt die Ukraine-Lage nichts Gutes: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat bereits hervorgehoben, dass die deutsche Wirtschaft von möglichen Sanktionen belastet werde.
Sorgen machen sich Strategen, sollte der Ölpreis wegen der Ukraine-Krise über die 100-Dollar-Marke schießen. In den langfristigen Kontrakten ist allerdings keine Panik zu erkennen, da der Markt mittlerweile fest mit der Rückkehr des Iran als Anbieter am internationalen Ölmarkt rechnet. Der Ölpreis zieht am Morgen zwar kräftig an, Brent notiert aber immer noch knapp unter der 100-Dollar-Marke. Gesucht sind die Krisenwährungen Gold und Dollar. Die Aufschläge des Bund-Futures halten sich bislang in Grenzen.
Der Worst-Case ist noch nicht eingetroffen
"Noch sind wir nicht am Worst-Case-Szenario für die Börsen angelangt", so der Vermögensverwalter QC Partners. Wenn man der Situation etwas Positives abgewinnen wolle, dann dass Russland bislang nur Worte abfeuere und keine Kanonen. Der sofortige Einsatz von Waffen hätte an den Börsen sicherlich zu einer noch heftigeren Verkaufswelle geführt. Entscheidend werde nun sein, ob der Westen die Schritte Russlands zur Anerkennung der abtrünnigen Gebiete als Invasion betrachtet oder nicht. Klar sei bereits, dass Sanktionen gegen Russland kämen.
Russland habe mit der Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk "Fakten geschaffen. Jetzt folgen Sanktionen", schreibt Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst CMC Markets in einem Marktkommentar zu den Folgen für das Marktgeschehen: Für die Börse gehe es jetzt darum, wie diese Sanktionen aussehen werden. Wichtig sei erst einmal, dass die Ukraine nicht Mitglied der NATO sei und das Verteidigungsbündnis daher nicht militärisch antworten müsse. "Es wird daher aller Wahrscheinlichkeit nach bei Sanktionen bleiben."
Der europäische Erdgaspreis sei nach oben geschnellt. Rund 40 Prozent der Erdgasimporte der Europäischen Union stammen aus Russland. Es sei fraglich, ob sich die EU angesichts der bereits schwelenden Energiekrise ins eigene Fleisch schneidet und die Erdgasimporte sanktioniert, ergänzt der Analyst. "Man wird es aller Voraussicht nach bei Sanktionen gegen Personen belassen."
Mit der Anerkennung der ostukrainischen "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten durch Russland hat sich die Ukraine-Krise erneut stark verschärft. Moskau hat die Entsendung von Truppen in die Separatistengebiete und damit auf ukrainisches Staatsgebiet angeordnet. Da die Republiken international nicht anerkannt sind, entspricht dieser Schritt einem Bruch des Völkerrechts und der formalen Aufkündigung des Minsker Friedensabkommens. Ein Krieg sei "nicht eingepreist", warnte ntv-Börsenreporterin Corinna Wohlfeil am Morgen. "Die politische Situation ist riskant wie lange nicht", pflichtete auch Thomas Altmann, Portfoliomanager vom Vermögensverwalter QC Partners bei.
Quelle: ntv.de, ddi/rts