Durchbruch im Glyphosat-Streit?Anleger stürzen sich auf Bayer-Papiere

In den USA könnte dem Chemiekonzern Bayer der langersehnte Befreiungsschlag beim Thema Glyphosat gelingen. Die US-Regierung empfiehlt dem Supreme Court, sich auf ein Berufungsverfahren einzulassen. Noch immer sind Zehntausende Klagen offen.
Anleger schöpfen nach positiven Signalen aus den USA wieder Hoffnung bei der seit Jahren gebeutelten Bayer-Aktie. Die US-Regierung hat dem Obersten Gerichtshof des Landes empfohlen, ein Berufungsverfahren des Pharma- und Agrarkonzerns anzunehmen. Die Unterstützung durch den Solicitor General, den Vertreter der Regierung vor dem Supreme Court, gilt als entscheidender Schritt für Bayer, um Tausende Klagen abzuwenden. An der Börse sorgte die Nachricht für einen Kurssprung. Die Bayer-Aktie legte zeitweise um fast 15 Prozent auf 35 Euro zu und war damit so teuer wie seit fast zwei Jahren nicht mehr. "Die Entscheidung ist ein wichtiger Meilenstein für Bayer auf dem Weg, die Glyphosat-Risiken zu reduzieren", sagte Fondsmanager Markus Manns von Union Investment.
Für Bayer steht viel auf dem Spiel: Eine Annahme des Falls durch den Supreme Court und eine Entscheidung zugunsten des Unternehmens könnten Rechtssicherheit schaffen und die Gefahr weiterer Klagen weitgehend ausräumen. Im Kern geht es um die Frage, ob Bundesrecht Klagen nach einzelstaatlichem Recht ausschließt. Der Konzern verweist darauf, dass die US-Umweltbehörde EPA Glyphosat nicht als krebserregend einstuft und entsprechende Warnhinweise auf den Etiketten untersagt. "In den USA muss jetzt juristisch klargestellt werden, dass Unternehmen nicht auf Basis des Rechts einzelner Bundesstaaten bestraft werden können, wenn sie sich an Kennzeichnungsvorgaben des US-Bundesrechts halten", forderte Bayer.
Vorstandschef Bill Anderson wertete die Entscheidung als "wichtigen Schritt und eine gute Nachricht für die Landwirte in den USA, die regulatorische Klarheit benötigen". Er hat sich zum Ziel gesetzt, die Rechtsstreitigkeiten - die das Unternehmen seit Jahren schwer belasten - bis Ende 2026 signifikant einzudämmen. Bis Anfang Januar erwartet Bayer eine Entscheidung des Gerichts über die Annahme des Falls, ein Urteil wäre damit bis zum Sommer kommenden Jahres möglich. Für Bayer ist es bereits der dritte Anlauf vor dem Supreme Court. Zwei vorherige Versuche scheiterten 2022.
Ein Erfolg vor dem Supreme Court würde die Risiken für Bayer deutlich reduzieren, wenn auch nicht alle Klagen sofort beenden, erklärte Fondsmanager Manns. Künftige Klagen würden jedoch deutlich erschwert. Zudem sei zu erwarten, dass viele Kläger dann eine außergerichtliche Einigung zu für Bayer günstigeren Bedingungen annehmen würden. Die Klagewelle hatte sich Bayer 2018 mit der 63 Milliarden Dollar teuren Übernahme des amerikanischen Glyphosatentwicklers Monsanto ins Haus geholt. Bayer argumentiert seit jeher, dass jahrzehntelange Studien die Sicherheit von Glyphosat belegen .Die Zahl der offenen Glyphosat-Klagen in den USA stieg zuletzt auf 65.000 von zuvor 61.000 Fällen.
Der Vertreter der US-Regierung, Solicitor General D. John Sauer, erklärte, die Umweltbehörde EPA habe wiederholt festgestellt, dass Glyphosat für Menschen wahrscheinlich nicht krebserregend sei. Wenn Gerichte in den Bundesstaaten nun gegenteilige Urteile fällten, untergrabe dies die wissenschaftliche Einschätzung der zuständigen Bundesbehörde. Bayers Vorstoß wird auch von wirtschaftsnahen Gruppen wie der US-Handelskammer unterstützt. Diese argumentieren, dass die Haftung von Bayer auch viele andere Unternehmen, die sich an Bundesrecht halten, Klagen aussetzen würde.
Parallel arbeitet der Konzern gemeinsam mit Landwirtschaftsverbänden an politischen Initiativen für mehr Rechtssicherheit bei der Kennzeichnung glyphosathaltiger Produkte. Für die Beilegung von Klagen hat Bayer bereits rund zehn Milliarden Dollar gezahlt, die Rückstellungen für Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten lagen zuletzt bei knapp sieben Milliarden Euro. Im Ringen um ein Ende der Causa Glyphosat schließt Anderson auch einen Ausstieg aus dem Geschäft mit dem Herbizid in den USA nicht aus. Der Verkauf an US-Privatkunden wurde bereits 2023 gestoppt, da sie die überwiegende Mehrheit der Kläger stellten.