Deutsches Werk wird weitergebaut Batterie-Hersteller Northvolt meldet Insolvenz an
22.11.2024, 09:36 Uhr Artikel anhören
Für die ehrgeizigen Expansionspläne hat sich Northvolt in Milliardenhöhe verschuldet.
(Foto: Frank Molter/dpa)
Das schwedische Startup Northvolt soll die Abhängigkeit der europäischen Autoindustrie von Batterien aus China verringern. Auch Volkswagen und BMW investieren. Doch die erhofften Aufträge bleiben aus. Northvolts Milliardenschulden werden zum Problem. Der Chef des Unternehmens räumt seinen Posten.
Der angeschlagene schwedische Batteriehersteller Northvolt hat Gläubigerschutz nach US-Recht beantragt und sucht nun nach einem weiteren Investor. Das teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Das Sanierungsverfahren nach Kapitel 11 (Chapter 11) des US-Insolvenzrechts schützt Northvolt für eine gewisse Zeit vor dem Zugriff seiner Gläubiger und erleichtert damit den finanziellen Neustart. "Das über allem stehende Ziel ist es, mit einem oder mehreren langfristigen strategischen Finanzinvestoren zusammenzuarbeiten", hieß es in den Gerichtsunterlagen. Zugleich erhält das Unternehmen Zugriff auf 245 Millionen Dollar und kann damit sein Überleben in den kommenden Wochen gewährleisten.
Zudem verkündete Northvolt-Chef Peter Carlsson seinen Rücktritt. Der ehemalige Tesla-Manager und Northvolt-Pionier bleibe im Aufsichtsrat des Unternehmens und fungiere als führender Berater, teilte das schwedische Unternehmen mit. Die Suche nach einem neuen Vorstandschef laufe bereits.
Die deutsche Northvolt-Tochter wird nach Unternehmensangaben unabhängig von der Muttergesellschaft finanziert und ist nicht Teil des Chapter-11-Verfahrens. Das Bauvorhaben bei Heide in Schleswig-Holstein bleibe ein strategischer Grundpfeiler, hieß es von Northvolt. Northvolt wil dort künftig bis zu einer Million Batteriezellen für Elektroautos pro Jahr bauen. In der Fabrik sollen 3000 Jobs entstehen. Bund und Land fördern die 4,5 Milliarden Euro teure Batteriefabrik mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen mögliche Garantien über weitere 202 Millionen Euro, die noch bewilligt werden müssen.
VW größter Anteilseigner
Northvolt verfügt den Gerichtsunterlagen zufolge derzeit nur noch über flüssige Mittel von 30 Millionen Dollar - das reicht den Angaben nach gerade noch für eine Woche. Zugleich liegt der Schuldenberg inzwischen bei 5,8 Milliarden Dollar. Das Unternehmen hatte in den vergangenen Monaten mit seinen Geldgebern über ein Finanzierungspaket verhandelt, allerdings ohne Erfolg.
Nun stellt der schwedische Lkw-Hersteller Scania Northvolt ein Darlehen in Höhe von 100 Millionen Dollar zur Verfügung. Damit solle die Herstellung von Batteriezellen für E-Fahrzeuge im nordschwedischen Skelleftea unterstützt werden. Scania bezieht schon jetzt Batterien von Northvolt. Die weiteren 145 Millionen Dollar sind Mittel von Northvolt, die bislang als Sicherheiten zurückgelegt wurden. Der größte Anteilseigner ist Volkswagen, auch die US-Investmentbank Goldman Sachs und BMW gehören zu den Eigentümern. BMW und Goldman Sachs lehnten eine Stellungnahme ab. Volkswagen erklärte am Abend, man stehe mit Northvolt in engem Kontakt.
Die vom Northvolt-Mitbegründer Harald Mix geleitete Investmentgruppe Vargas beschrieb den Schritt als notwendig, um die Kapitalstruktur zu stärken. Gleichzeitig könne das Unternehmen den Betrieb aufrechterhalten, sich auf die Steigerung der Fertigungszahlen konzentrieren und die Kosten senken. Man sei überzeugt, dass Northvolt diese Zeit durchstehen werde. Northvolt selbst erklärte, das Unternehmen erwarte, die Restrukturierung bis zum ersten Quartal 2025 abzuschließen. Solange werde der Betrieb wie gehabt weitergehen.
BMW zog Milliardenauftrag zurück
Die schwedische Regierung hatte jüngst erklärt, keine Anteile von Northvolt übernehmen zu wollen. Northvolt hat noch nie einen Gewinn erwirtschaftet und kämpft mit Qualitätsproblemen und Verzögerungen. Im Juni zog deswegen BMW einen Auftrag mit einem Volumen von zwei Milliarden Euro zurück. Wegen wegbrechender Aufträge und Problemen beim Hochfahren der Produktion hatte der Konzern zuletzt seine Ausbaupläne massiv eingedampft, Tausende Mitarbeiter entlassen und Tochtergesellschaften verkauft. Noch am Mittwoch ernannte Northvolt den Sanierungsexperten Paul O'Donnell zum Chef seiner Hauptanlage in Nordschweden.
Der Antrag auf Gläubigerschutz ist ein Rückschlag für die europäischen Bemühungen, sich mit einer eigenen Batterie-Industrie unabhängiger von chinesischen Herstellern wie CATL und BYD zu machen. Nach Daten der Internationalen Energieagentur ist 85 Prozent der Batteriezellen-Herstellung in der Volksrepublik beheimatet. Northvolt hat zwar eine Reihe von europäischen Startups bei der Investition von Milliardensummen in die Batteriefertigung angeführt. Allerdings ist die Nachfrage nicht so schnell angestiegen, wie von Teilen der Branche vorhergesagt. Wegen wegbrechender Aufträge und Problemen beim Hochfahren der Produktion hatte der Konzern zuletzt bereits seine Ausbaupläne massiv eingedampft, Tausende Mitarbeiter entlassen und Tochtergesellschaften verkauft.
Quelle: ntv.de, mbo/rts