Zehntausende Kaffeetassen fehlen Bei Tesla in Grünheide wird getanzt und gestohlen
09.07.2024, 15:02 Uhr Artikel anhören
Mit einer großen Feier wurde im Frühjahr 2022 die Tesla-Fabrik in Grünheide eröffnet. Inzwischen könne die Mitarbeiter im werkseigenen Club ganzjährig tanzen. Die Produktionsstraßen sind wegen der eingebrochenen Nachfrage allerdings nicht ausgelastet.
(Foto: AP)
In Grünheide geht es hoch her bei der Tesla-Betriebsversammlung. Die Belegschaft fürchtet um ihre Arbeitsplätze, Betriebsräte machen sich gegenseitig schwere Vorwürfe. Der Werksleiter klagt unterdessen über fehlende Kaffeetassen.
Der Absatz ist dramatisch eingebrochen, die Jobs werden abgebaut und Mitarbeiter reihenweise gekündigt: Die Krise der Elektromobilität hat das einzige europäische Werk von Tesla vor den Toren Berlins voll im Griff. Dennoch scheinen Werksleitung und Betriebsrat neben der Sorge um die Zukunft ihrer - noch - rund 12.500 Mitarbeiter Zeit und Muße zu haben, sich ausgiebig mit sich selbst, mutmaßlich gestohlenen Tassen und Techno-Musik zu beschäftigen.
Ende vergangenen Monats teilte Werksleiter André Thiering in Sozialen Medien ein Video zur Eröffnung des "Giga Berlin rave cave (aka Hamster)", eines Techno-Clubs auf dem Werksgelände - exklusiv für Mitarbeiter. Als "neueste 'Einrichtung' von Giga Berlin", beschrieb Thiering den Club auf LinkedIn und fügte hinzu "Party on!". Neben einigen begeisterten Kommentaren stellen nicht wenige Nutzer infrage, ob das angesichts der jüngsten Entlassungsrunden der richtige Zeitpunkt für eine solche Bekanntgabe sei.
Der Arbeitsplatzabbau war laut einem Bericht des "Handelsblatts" auch die größte Sorge der Mitarbeiter auf einer Betriebsversammlung in der vergangenen Woche. Für Unmut sorgt laut einem Mitschnitt, auf den sich die Wirtschaftszeitung beruft, dabei besonders, dass offenbar viele Kündigungen im Zusammenhang mit Abmahnungen bei Krankmeldungen ausgesprochen würden. Demnach wird im Teslawerk von Mitarbeitern im Krankheitsfall verlangt, sich nicht per E-Mail zu melden, sondern auch einen entsprechenden Eintrag im IT-System zu machen und ihren Vorgesetzten telefonisch zu benachrichtigen. Viele Streitfälle rund um die Krankmeldungen zeigten, dass dieses Krankmelde-Verfahren "missbraucht wird", sagte Gewerkschaftssekretär Jannes Bojert von der IG Metall.
Werksleiter Thiering ging laut "Handelsblatt" auf der Versammlung nicht auf diese Vorwürfe und die Sorgen der Belegschaft ein. Seine Redezeit widmete er schwerpunktmäßig einem ganz anderen Thema: "Eure Erwartung ist, dass jeden Tag einfach der Schrank voll steht mit sauberen, neuen Kaffeetassen", wird Thiering laut Mitschnitt zitiert. "Und da will ich euch jetzt einfach mal ’ne Zahl nennen. Wir haben seit Beginn der Produktion hier 65.000 Kaffeetassen gekauft. 65.000! Rein statistisch hat jeder von euch schon fünf Ikea-Kaffeetassen zu Hause." Der Diebstahl der Kaffeetassen sei auch der Grund, führte Thiering weiter aus, weswegen es in den Pausenräumen bei Tesla erst gar kein Besteck gebe. Teilweise mit Klatschen, teilweise mit Gelächter habe die Belegschaft auf diese gegen sie gerichteten Vorwürfe reagiert, heißt es weiter in dem Zeitungsbericht.
Gewerkschaft beruft sich aufs Grundgesetz
Auch der im Frühjahr neugewählte Betriebsrat ist allerdings nicht nur auf die Sorgen der Belegschaft konzentriert, sondern verwendet einen erheblichen Teil seiner Energie auf innere Auseinandersetzungen. Betriebsratschefin Michaela Schmitz nutzte die Versammlung, um vor versammelter Belegschaft gegen die Gewerkschaftsvertreter in dem Gremium zu wettern: "Wir haben hier leider Mitglieder im Betriebsrat, die sich eher instrumentalisieren lassen von der Gewerkschaft von außen." Diese Mitglieder versuchten, "Interessen der Gewerkschaft" durchzusetzen und hielten die Mitarbeitervertretung so davon ab, "hier wieder geile Ergebnisse für euch zu erreichen". Schmitz verwies als Erfolg darauf, dass in Grünheide deutlich weniger als die von Tesla-Boss Elon Musk unternehmensweit verkündeten zehn Prozent aller Stellen abgebaut werden sollten.
Damit setzte sich auf der Betriebsversammlung ein schon lange im Tesla-Werk schwelender Konflikt fort. Bei der jüngsten Betriebsratswahl im Frühjahr hatte die Liste der IG Metall mit knapp 40 Prozent die meisten Stimmen bekommen, was die Gewerkschaft angesichts des massiven Gegenwindes aus dem Unternehmen als großen Erfolg wertete. Die Mehrheit in der Mitarbeitervertretung liegt aber weiter bei nicht- und dezidiert anti-gewerkschaftlichen Vertretern. So wurde Betriebsratschefin Schmitz über die Liste "Giga United" gewählt, die hauptsächlich aus Angehörigen und Teamleitern des Managements bestand. "Was wir nicht brauchen, ist eine Gewerkschaft", hatte Schmitz schon im Wahlkampf gesagt. Aktuell sitzen nur 16 Gewerkschaftsvertreter in dem 39-köpfigen Betriebsrat.
Gewerkschaftsvertreter Bojert wies die Kritik der Betriebsratschefin auf der Versammlung grundsätzlich zurück. Dass in dem Gremium mitunter heftig um Themen gerungen wird, sei Teil der Demokratie. Die IG Metall sei grundsätzlich "für Tesla", trete aber für bessere Arbeitsbedingungen ein. Seinerseits kritisierte er die Führungskräfte, darunter Tesla-Chef Elon Musk, die vor der Betriebsratswahl im Werk Stimmung gegen die IG Metall gemacht hatten. Bojert: "Wer Gewerkschaften bekämpft, der verletzt das Grundgesetz, verstößt gegen unsere Verfassung. Das muss mal gesagt werden nach diesem Wahlkampf."
Quelle: ntv.de, mbo