Chef kennt aber die Richtung Boeing fährt Milliardenverlust ein - und steht "am Scheideweg"
23.10.2024, 16:23 Uhr Artikel anhören
Boeing-Chef Ortberg will die Bilanz sanieren, das Portfolio des Flugzeugbauers straffen und die Entwicklung verbessern.
(Foto: REUTERS)
MBGA - make Boeing great again. Und genauso kompliziert, wie sich die Abkürzung spricht, ist wohl auch die Mission für Boeing-Chef Ortberg. Man könne einen Tanker wenden, doch es brauche Zeit. Dann könne es großartig werden, sagt er. Zunächst aber meldet der Flugzeugbauer ein Milliardenminus. Es regiert der Rotstift.
Der neue Chef des US-Flugzeugbauers Boeing will das von Streik und Produktionsproblemen gelähmte Unternehmen mit einem Sanierungsplan aus der Krise ziehen. Die mit Technikproblemen behafteten Flugzeugmodelle Boeing 737 MAX und 777 sowie das Verteidigungsgeschäft müssten auf Vordermann gebracht und der Konzern stabilisiert werden, sagte Vorstandschef Kelly Ortberg. Boeing stehe "am Scheideweg", nachdem das Unternehmen Kunden enttäuscht und das Vertrauen gelitten habe. "Dies ist ein großes Schiff, das einige Zeit braucht, um zu wenden - aber wenn es das tut, hat es das Potenzial, wieder großartig zu sein", erklärte Ortberg anlässlich der Veröffentlichung seiner ersten Quartalsbilanz.
Diese allerdings fiel dramatisch aus: Unter dem Strich stand mit tiefroten knapp 6,2 Milliarden Dollar ein fettes Minus. Es ist der zweitgrößte Verlust seit 2018. Damals war nach zwei Abstürzen mit insgesamt 346 Toten ein Verlust im vierten Quartal von fast 8,5 Milliarden Dollar aufgelaufen. Grund für das neuerliche Minus waren nun die Streiks sowie Probleme in der Verteidigungssparte. Der Umsatz sank in den drei Monaten auf Jahressicht um ein Prozent auf 17,8 Milliarden Dollar.
Weniger Modelle und frisches Geld?
Der neue Boeing-Chef forderte einen "grundlegenden Kulturwandel" bei dem Airbus-Konkurrenten ein. Die Zusammenarbeit müsse verbessert werden. Ortberg will die Bilanz sanieren, das Portfolio des Flugzeugbauers straffen und die Entwicklung verbessern. Auf eine mögliche Kapitalerhöhung, die sich Insidern zufolge auf 15 Milliarden Dollar belaufen könnte, ging er nicht ein. Vor gut einer Woche hatte Boeing den Wegfall jeder zehnten Stelle angekündigt - in Summe werden so etwa 17.000 Arbeitsplätze gestrichen. Man müsse die Personalsituation an die finanziellen Realitäten anpassen, hatte es geheißen.
Boeing schlittert seit Jahren von einer Krise in die nächste. Im Januar hatte sich in einer Boeing 737 MAX mitten im Flug ein Teil der Kabinenwand gelöst. Auch bei der neuen Boeing 777 gibt es jahrelange Verzögerungen bei der Auslieferung wegen Technikproblemen. Airlines weltweit warten händeringend auf neue, effizientere Maschinen - so auch die Lufthansa als erster Abnehmer der 777X. In der Verteidigungssparte gab es unerwartete Kosten, etwa beim Bau eines Militär-Tankflugzeugs. Der Druck auf den Vorstand stieg enorm und sorgte letztlich für den Wechsel an der Konzernspitze im Sommer.
Zudem streiken seit Mitte September rund 33.000 gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte. Sie stimmen bis heute Abend 19 Uhr über eine jüngst erzielte Grundsatzeinigung mit der Geschäftsführung ab. Boeing will 35 Prozent mehr Gehalt über einen Zeitraum von vier Jahren zahlen, dazu einen Bonus von 7000 Dollar. Bisherige Angebote haben die Gewerkschaft oder ihre Mitglieder abgelehnt. Bei Boeing gab es laut IAM seit 2008 keine Gehaltserhöhungen. Der Ausstand, der die Produktion der Boeing 737 MAX beeinträchtigt, kostet den Konzern schon mehr als eine Milliarde Dollar.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/AFP