"Die Lage ist sehr kritisch" Experten: Deutschland bei seltenen Erden weiter abhängig von China
28.10.2025, 19:01 Uhr Artikel anhören
Nur China und Frankreich verfügen aktuell über das Know-how, seltene Erden zu verarbeiten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Seltene Erden sind für die Elektronik- und Rüstungsindustrie essenziell. Jahrelang konnte sie Deutschland billig einkaufen, nun hat China ihre Ausfuhr beschränkt. Experten zeichnen nun ein düsteres Bild: Weder hat die Industrie hierzulande Bestände aufgebaut, noch kann sie die Rohstoffe verarbeiten.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sieht keine schnelle Besserung bei der Versorgung der deutschen Wirtschaft mit seltenen Erden. Vor allem bei den schweren Elementen "ist die Lage sehr kritisch", sagte der Experte der Bundesbehörde, Harald Elsner. "Besonders betroffen sind Magnete, die teilweise auf diese schweren Elemente angewiesen sind." Die ohnehin angeschlagene deutsche Wirtschaft ist hier nahezu vollständig von Lieferungen aus China abhängig. Die Volksrepublik hat allerdings Ausfuhrbeschränkungen für die Rohstoffe verhängt, die vor allem für die Elektronik- und Rüstungsindustrie wichtig sind.
"Neue Minenprojekte etwa in Norwegen könnten künftig helfen", sagte Elsner, dessen Behörde die zentrale geowissenschaftliche Beratungseinrichtung der Bundesregierung ist und auch die Wirtschaft berät. "Aber es würde Jahre dauern, bis dort seltene Erden gefördert und separiert werden können." Bei schweren seltenen Erden verfügten derzeit nur China und Frankreich über das dafür nötige Know-how für die Verarbeitung - selbst die USA seien hier nicht konkurrenzfähig.
Die aktuelle Krise sei auch Folge der bisherigen Sorglosigkeit. "Seltene Erden waren lange günstig und jederzeit verfügbar", sagte der Experte. "Es wurden keine strategischen Maßnahmen getroffen - nur Japan hat sich vorbereitet." Viele Unternehmen hätten keine Lagerbestände aufgebaut.
IW: Abhängigkeit "sehenden Auges zugelassen"
Auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) sieht Versäumnisse. China habe sich eine "monopolartige Position" aufgebaut, sagte IW-Experte Jürgen Matthes im Deutschlandfunk. "Wir haben das sehenden Auges zugelassen. Jetzt sitzen wir in der Falle." Seltene Erden gebe es zwar in vielen Ländern. Neue Rohstoffpartnerschaften wie mit Australien, Kanada oder Chile bräuchten aber Zeit.
Ein verstärktes Recycling dürfte der BGR zufolge kaum helfen, die Knappheit zu überwinden. Der Anteil recycelter seltener Erden weltweit werde auf etwa ein Prozent geschätzt. "Viele Anstrengungen wurden eingestellt, da die Marktpreise lange Zeit niedrig waren und sich die Rückgewinnung wirtschaftlich nicht lohnte", sagte Elsner. "Bei Geräten wie Handys sind eher Edelmetalle wie Gold relevant - diese sind deutlich wertvoller als seltene Erden."
Die enthaltenen Mengen an seltenen Erden seien oftmals so gering, dass sich ein Rückbau nicht lohne. In Autos, besonders in denen mit Luxusausstattung, seien zwar viele Magnete verbaut. "Aber sie sind winzig - oft im Millimeterbereich", sagte Elsner. "Der Ausbau aus Altfahrzeugen ist mühsam und lohnt sich wirtschaftlich kaum." Anders sehe es bei Katalysatoren aus, die Platin enthalten - hier sei Recycling etabliert. Auch in Haushaltsgeräten oder Robotern seien zwar Magnete enthalten, aber in so geringen Mengen, dass ein Rückbau kaum wirtschaftlich sei.
Recycling lohne sich nur bei Produktionsabfällen von Unternehmen, die die Stoffe direkt wieder einsetzen könnten. "Magnete aus Windkraftanlagen könnten künftig eine relevante Quelle sein", sagte Experte Elsner. Allerdings seien die Anlagen noch vergleichsweise jung. Das Thema dürfte daher erst in Zukunft relevant werden, wenn die ersten alten Anlagen ausgedient haben.
Quelle: ntv.de, gri/rts