Wirtschaft

"Geistiges Opium" China bremst Gaming-Branche

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Chinas Regierung erhöht den Druck auf die Spiele-Branche.

(Foto: REUTERS)

Chinas Videospiel-Anbieter reagieren auf den Druck der Regierung. Der Spiele-Gigant Tencent führt neue Zeitlimits für Jugendliche ein. Viele von ihnen sind wütend.

Es sind die letzten Sommerferien für Zhang Yuchen, bevor die weiterführende Schule beginnt - doch genießen kann er sie kaum. Die Zeit, die der 14-Jährige mit Videospielen verbringen kann, wurde drastisch zusammengekürzt. Chinesische Spielehersteller wollen damit dem Vorwurf von Staatsmedien begegnen, sie würden "geistiges Opium" an Chinas Jugend verkaufen.

Ein Beschluss des Videospielriesen Tencent beispielsweise hindert Spieler unter zwölf Jahren seitdem daran, in dem Multiplayer-Superhit "Honor of Kings" Käufe zu tätigen. Für alle Spieler unter 18 Jahren gilt während der Ferien außerdem eine maximale Spielzeit von zwei Stunden, an Schultagen von einer Stunde.

"Ich hätte heulen können", sagt Zhang, als er sich daran erinnert, wie die Neuigkeit auf dem weltweit größten Markt für Videospiele ankam. Allein im ersten Halbjahr 2021 wurden dort umgerechnet 17 Milliarden Euro Umsatz gemacht. "Dass sie die Spielzeit über die Ferien begrenzt haben, bedeutet, dass ich nicht mehr so viel Honor of Kings spielen kann wie ich mag", sagt Zhang.

Die Änderungen sind eine Reaktion der Spielehersteller auf Anschuldigungen des Staates. Die staatlichen Behörden haben bei ihrem Vorgehen gegen Technologiefirmen auch die Spielebranche entdeckt. Ein Medienbericht bezeichnete Videospiele kürzlich als "geistiges Opium", ein anderer forderte ein Ende der steuerlichen Vorteile für die Spielebranche. Die Reaktion der Investoren: Aktien von Spieleherstellern wie Tencent, NetEase, XD Inc und Bilibili wurden verkauft - trotz der Größe des chinesischen Videospielmarkts. Tencent ist gemessen am Umsatz der weltgrößte Spieleanbieter.

"Kann immer nur kurz spielen"

Für die Spieler gehen die Maßnahmen zu weit. Sogar Jugendliche, die ihre Aufnahmeprüfungen für die Universitäten bestanden haben und nun ihre Ferien genießen wollen, sind betroffen. "Ich habe Ferien und habe nichts zu tun, aber ich kann immer nur kurz spielen", klagt eine 17-jährige Schülerin namens Li. Ältere Jugendliche dürften nicht vom Spielen abgehalten werden, fordert sie.

Natürlich gibt es Schlupflöcher, sagt Li weiter. Zwischen verschiedenen Spielen wechseln sei eines davon. Die Einschränkungen lassen sich auch komplett umgehen, wenn man Zugang zum Account eines Erwachsenen bekommt oder das Handy der Eltern nutzt.

Manche Analysten halten die Reaktion auf die staatliche Berichterstattung über Videospiele für übertrieben. "Investoren haben das zu einer großen Geschichte gemacht, weil sie überreagiert haben", sagt Ether Yin von der Beratungsfirma Trivium China. "Zu verhindern, dass Kinder von Videospielen abhängig werden, ist bereits seit 2018 gängige Politik.“

Tencent verdient Milliarden

Tencent hatte trotz des zunehmenden Regulierungsdrucks durch die chinesische Regierung den Gewinn im zweiten Quartal deutlich gesteigert. Das Nettoergebnis kletterte um 29 Prozent auf 42,6 Milliarden Yuan (umgerechnet 5,6 Milliarden Euro). Zu dem Plus, das höher ausfiel als von Analysten erwartet, trugen neben der anhaltend hohen Nachfrage nach Kassenschlagern wie "Honor of Kings" und "PUBG" auch ein Anzeigen-Boom bei sowie Wertgewinne von Tencent-Beteiligungen. Der Umsatz kletterte um ein Fünftel auf umgerechnet 18,2 Milliarden Euro.

Doch um der öffentlichen Kritik zuvorzukommen, hält auch Analystin Yin es nicht für unwahrscheinlich, dass weitere Hersteller ähnliche Regeln zu Spielzeiten und Käufen in Videospielen einführen. Die Auswirkungen für Tencent werden wohl vorerst minimal bleiben - lediglich drei Prozent der Bruttoeinnahmen gehen auf Kunden unter 16 Jahren zurück.

Auch Unbeteiligte fallen den neuen Jugendschutzbestimmungen von Tencent zum Opfer: Als der zwölfjährige Sohn des Programmierers Peng Jianfei dessen Account nutzte, um "Honor of Kings" zu spielen, wurde das Konto versehentlich gesperrt. "Ich denke, solche Maßnahmen können zu einem bestimmten Maß dazu beitragen, die Bildschirmzeit von Kindern zu verringern", sagt der 45-Jährige. "Aber wenn ich die Spiele von Tencent nicht mehr spielen kann, dann kann ich ja immer noch zu NetEase gehen, oder?"

Andere Eltern hingegen begrüßen die Einschränkungen. "Wenn Kinder zu viel Videospiele spielen, ist das schlecht für ihre Augen", sagt eine 34-jährige Mutter in Peking. Ihr zehnjähriger Sohn und großer "Honor of Kings"-Fan sieht das ganz anders: "Mama, sag, dass das eine schlechte Entscheidung war! Warum machen die das nur?“

Quelle: ntv.de, jga/AFP

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