Inflation nimmt zu Das wurde seit 1991 richtig teuer
10.12.2021, 15:17 Uhr
Die Preise steigen kräftig - auch an der Supermarktkasse.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Die Inflation gewinnt in Deutschland an Fahrt. War das Tempo der Teuerung über viele Jahre eher gemütlich, ist es mittlerweile deutlich gestiegen. Wo haben die Preise in den vergangenen Jahren am kräftigsten zugelegt?
Verbraucher und Finanzmärkte haben gemeinsamen Gesprächsstoff: die steigende Inflation. Während in der Europäischen Zentralbank und im Ökonomenkreis diskutiert wird, wie nachhaltig der Schub ist, sind die Preissprünge an der Supermarktkasse oder beim Tanken deutlich zu spüren.
Illustriert wird das mit einer Zahl, die derzeit 4,5 Prozent beträgt. So stark stiegen die Verbraucherpreise im Oktober gegenüber dem Vorjahresmonat. Das hat das Statistische Bundesamt ermittelt. Die erste Schätzung für November liegt mit 5,2 Prozent sogar deutlich darüber.
Doch hinter dieser Zahl steckt viel mehr: Die Statistiker sehen sich die Preise von allen Waren und Dienstleistungen an, für die Haushalte üblicherweise Geld ausgeben. stern.de hat die Daten seit 1991 analysiert, um herauszufinden, was sich in den letzten 30 Jahren besonders stark verteuert hat.
Für die meisten Menschen dürfte die Preisentwicklung für Grundbedürfnisse wichtig sein, also in den Kategorien Nahrungsmittel, Bekleidung, Wohnung, Energie, Gesundheit und Verkehr.
Hier sind die Preise in den vergangenen 30 Jahren vor allem in den Bereichen Verkehr, Energie sowie Wohnen gestiegen. Seit 1991 haben sie sich mehr als verdoppelt. Ebenfalls stark angestiegen sind die Gesundheitskosten. Einen großen Sprung gab es dabei vor allem durch die Gesundheitsreform 2004.
Auch auffällig: In den vergangenen 15 Jahren haben sich auch Nahrungsmittel zu einem Kostentreiber entwickelt. Bis 2006 legten die Preise im Vergleich zu 1991 insgesamt lediglich um 15 Prozent zu. Danach erhöhten sie sich im gleichen Zeitraum jedoch um satte 45 Prozent.
In zwei Bereichen war der Anstieg noch stärker: Für Bildung muss man hierzulande zweieinhalb Mal so viel Geld ausgeben wie noch 1991. Destatis zufolge sind die Änderungen "im Zeitraum 2007 bis 2013 vor allem in der Einführung und Abschaffung von Studiengebühren in den Bundesländern begründet". Daneben würden sich insbesondere in den letzten Jahren auch unterschiedliche Regelungen der Bundesländer beim Entgelt für Kindertagesbetreuung auf die Preisentwicklung auswirken.
Auch Genussmittel wie Tabak und Alkohol wurden teurer, die Preise kletterten um mehr als 130 Prozent.
Doch es gibt auch eine Ausnahme. Im Bereich Telekommunikation und Post sind die Preise in den 90er Jahren zwar noch moderat angestiegen, danach kehrte sich der Trend allerdings um. In diesem Bereich lässt sich die so genannte Qualitätsanpassung gut beobachten, die bei der Berechnung von Preisveränderungen eine wichtige Rolle spielt. Wenn sich bei einem Auto die Ausstattung verbessert oder das neue Smartphone noch mehr kann als die Vorgänger-Modelle, wird der aktuelle Preis nach unten angepasst. Mit anderen Worten: Ein Qualitätszuwachs taucht in der Statistik als Preisrückgang auf.
Zur Einordnung: In einer gesunden Volkswirtschaft steigen in der Regel die Preise. Wächst die Wirtschaft, dann steigen auch Einnahmen und Ausgaben. Es ist völlig normal, dass sich in einer Marktwirtschaft die Preise ändern. Manche steigen, manche sinken. Wenn die Brötchen beim Bäcker um die Ecke oder der Haarschnitt beim Lieblingsfriseur teurer werden, ist das also noch keine Inflation. Erst wenn nicht nur die Preise einzelner Waren und Dienstleistungen steigen, sondern die Preise allgemein, wird von Inflation gesprochen.
Wichtig auch: Nicht nur die Preise sind hierzulande gestiegen, sondern auch das Einkommen der Deutschen.
Jeder Haushalt ist verschieden und gibt sein Geld für andere Dinge aus. Die Teuerungsrate der amtlichen Statistik bezieht sich nicht auf Einzelfälle, sondern auf einen nachvollziehbaren Durchschnittswert. Ermittelt wird die Inflationsrate in Deutschland vom Statistischen Bundesamt. Die Statistiker nehmen dafür Preise von allen Waren und Dienstleistungen an, für die Haushalte üblicherweise Geld ausgeben. Das ist der sogenannte Warenkorb, der 650 Güterarten umfasst - von untergärigem Bier bis zu Haustieren.
Um den durchschnittlichen Preisanstieg zu berechnen, werden die Produkte im Warenkorb unterschiedlich gewichtet. Das heißt: Dinge, für die mehr ausgegeben wird (beispielsweise die Miete), werden stärker gewichtet als Dinge, für die weniger ausgegeben wird (beispielsweise Hörhilfen). Daraus wird jeden Monat der "Verbraucherpreisindex" errechnet. Die Veränderung zum Vorjahr oder zum Vormonat ist die Inflationsrate.
Die EZB hat derweil ihr Inflationsziel im Sommer geändert und sieht Preisstabilität erreicht, wenn die Verbraucherpreise im Euroraum mittelfristig in Höhe von zwei Prozent steigen. Das ist eine leichte Erhöhung des Inflationsziels, das zuvor "unter, aber nahe zwei Prozent" gelautet hatte. Die EZB versteht dieses Ziel als "symmetrisch". Das heißt: Für die Zentralbank ist eine zu niedrige Inflationsrate genauso negativ wie eine zu hohe Inflationsrate.
Datenanalyse von Tibor Martini, stern.de
Quelle: ntv.de, jga/mmo