Religionsfreiheit in Indiana Der US-Kulturkampf tobt an der Wall Street
07.04.2015, 08:03 Uhr
Demonstration gegen den "Religious Freedom Restoration Act" in der Hauptstadt Indianas, Indianapolis.
(Foto: AP)
Der Gouverneur von Indiana rudert zurück und will ein als schwulenfeindlich kritisiertes Gesetz umschreiben. Ein Grund für seinen Sinneswandel sind die lautstarken Proteste großer Unternehmen wie Apple und Wal-Mart.
In den USA tobt ein Kulturkampf. Schwule und Lesben kämpfen für Gleichberechtigung. Eigentlich haben sie schon lange gewonnen, denn selbst der Oberste Gerichtshof hat etwa die gleichgeschlechtliche Ehe längst erlaubt. Das Problem: Nicht alle wollen mitfeiern. Konservative Floristen, Konditoren und Fotografen weigern sich, homosexuelle Kunden zu bedienen und sozialkonservative Politiker stützen die ignorante Haltung mit umstrittenen Gesetzen. Doch die USA wehren sich – allen voran die Wall Street. Denn längst haben auch US-Unternehmen erkannt, dass man mit Toleranz besser dasteht und letztlich auch mehr verdient.
Begonnen hat das jüngste Drama in Indiana im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten. Indiana gehört zwar nicht wirklich zum "Bible Belt", den religiös-konservativen Südstaaten, aber Religion wird dennoch großgeschrieben und einer nicht unbedeutenden Zahl von Wählern passen homosexuelle Paare einfach nicht ins Bild. Das spielt zur Zeit eine große Rolle, denn langsam beginnt der Kampf ums Weiße Haus. Die ersten republikanischen Präsidentschaftsanwärter laufen sich warm und wer die Vorwahlen innerhalb der Partei gewinnen will, der muss sich jetzt rechts aufstellen, ganz rechts. Ja, gerne noch ein Stückchen weiter rechts.
Ein "gefährliches" Gesetz
Es gilt die Basis zu befriedigen und das geht mit religiösen Themen am besten. Der "Religious Freedom Restoration Act" soll nun Bürgern – und Unternehmen – in Indiana erlauben, mit ihrer religiösen Überzeugung so ziemlich jedes Verhalten zu rechtfertigen. In Wahrheit geht es allerdings nicht um den Schutz religiöser Freiheit, sondern eindeutig um die legale Diskriminierung von homosexuellen Paaren - immerhin ist das Gesetz in Indiana eine Reaktion auf einen Fall in New Mexico, wo ein Hochzeitsfotograf ein schwules Paar abblitzen ließ. Die beiden Männer klagten und siegten, denn das Unternehmen hatte gegen sie diskriminiert und damit verfassungswidrig gehandelt.
In einigen konservativen Staaten reagiert man sofort mit Gesetzesinitiativen. In Arizona legte die republikanische Gouverneurin Jan Brewer nach lautstarken Protesten ein Veto ein – Mike Pence in Indiana unterschrieb hingegen. Es folgte ein Shitstorm allererster Güte. Nicht nur die üblichen Schwulen-, Lesben- und Transgender-Verbände protestierten, sondern auch viele weltoffene Unternehmen, die plötzlich die Grundrechte ihrer Mitarbeiter und Kunden gefährdet sahen: Apple-Chef Tim Cook nannte das Gesetz aus Indiana schlicht "gefährlich", in einem offenen Brief protestierten die Chefs von Eli Lilly, Roche, Anthem, Angie's List und anderer Unternehmen mit Sitz in Indiana gegen die Initiative.
Ein paar hundert Meilen südlich wandte sich Wal-Mart an den Gouverneur von Arkansas, der im Begriff war, ein gleichlautendes Gesetz zu unterschreiben: Er solle das bitte nicht tun, forderte der größte Arbeitgeber im Staat, man fürchte um die Gleichberechtigung im Staat, von der letztlich Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen profitierten. Wal-Mart hatte Erfolg: Gouverneur Asa Hutchinson verweigerte die Unterschrift.
Pence rudert zurück
Vermutlich keine allzu schwere Entscheidung angesichts der teuren Konsequenzen für Indiana: Denn außer den großen Unternehmen strichen etwa die Bundesstaaten New York, Connecticut und Washington anstehende Reisen verschiedener Delegationen. Die Veranstalter der "Gen Con", einer der größten Spielemessen der Welt, drohten in einen Nachbarstaat abzuwandern. Das Endspiel im College-Basketball ließ sich in der Kürze der Zeit nicht mehr verlegen, die Liga protestierte ihrerseits aber gegen den offensichtlichen Willen Indianas, einzelne Gruppen zu diskriminieren.
In Indiana rudert Gouverneur Pence nun zurück. Sein Gesetz habe wirklich nur den Hintergrund, die religiöse Freiheit von Unternehmen zu stärken - um Diskriminierung sei es nie gegangen. In welchen Fällen - außer eben Diskriminierung – das Gesetz greifen würde, hat er bislang nicht gesagt, auch gibt es aus dem zuständigen Abgeordnetenhaus keine plausible Erklärung. Er fühle sich in seiner Ehre als Bürger von Indiana geradezu "beleidigt", wenn irgendeiner vermute, dass er etwa gegen Schwule und Lesben diskriminieren wolle. Vielmehr würde sein Gesetz von den linken Medien bewusst falsch interpretiert.
Das ist unglaubwürdig und im Prinzip auch längst widerlegt. Egal - in den nächsten Tagen will Pence sein Gesetz umschreiben lassen. Den Erfolg dürfen sich die Unternehmen auf die Fahnen schreiben, die einmal nicht gegen staatliche Regulierung stimmten, sondern lautstark für Toleranz und gesunden Menschenverstand.
Quelle: ntv.de