Wirtschaft

Rally nur ein "Schneeballsystem" Der "Wal der Wall Street" heizt die Kurse an

Durch seine schiere Größe kann der Wal erhebliche Wellen schlagen.

Durch seine schiere Größe kann der Wal erhebliche Wellen schlagen.

(Foto: dpa)

Mitten in der Wirtschaftskrise klettern die US-Börsen von einem Rekordstand zum nächsten. Ist das nachhaltig oder erleben wir vor allem bei den Tech-Aktien eine Blase? Neue Enthüllungen zeigen, wie ein sich selbst verstärkender Boom beim Handel mit Optionsscheinen den Markt aufheizt.

Wenn es um die jüngste Rally am US-amerikanischen Aktienmarkt ging, kamen die Experten mit den bekannten Erklärungen kaum weiter: Die lockere Geldpolitik der Notenbank und die guten Quartalsergebnisse einiger Unternehmen reichen unter normalen Umständen kaum aus, um die Leitindizes der Wall Street wochenlang von einem Fabelrekord zum nächsten treiben - und das mitten in der noch lange nicht ausgestandenen größten Wirtschaftskrise seit Generationen. Wie unter anderem die "Financial Times" und das "Wall Street Journal" berichten, gibt es wohl noch einen anderen Grund, der die Aktienkurse in extreme Höhen getrieben hat und auch wieder für ihren Absturz sorgen könnte: milliardenschwere Geschäfte mit Call-Optionen.

Wie die FT enthüllte, war es vor allem der japanische Technologieinvestor Softbank, der - neben Aktien für mehrere Milliarden Dollar - solche Optionen in bisher kaum vorstellbaren Mengen kaufte. Dem Bericht zufolge sicherte sich Softbank innerhalb weniger Wochen mit solchen Calls das Recht, Aktien im Gegenwert von rund 30 Milliarden Dollar zu kaufen. Als "Wal" der Wall Street bezeichnete die Wirtschaftszeitung Softbank. Als Wale gelten Investoren, die so groß sind, dass sie alleine einen Markt bewegen können. Dabei streute Softbank das Risiko nicht etwa breit, sondern konzentrierte sich auf die Papiere der großen US-Technologiekonzerne Apple, Amazon, Microsoft, Facebook, Alphabet sowie Tesla und Netflix.

Genau diese Börsenschwergewichte sind es, deren Aktien auch Leitindizes wie den S&P 500 dominieren und einen Großteil der Kursgewinne der vergangenen Wochen ausmachten. Abgesehen von den Techaktien fällt die Rally der letzten Wochen gar nicht so schwindelerregend aus. Die IT-Branche herausgerechnet, hat der S&P 500 gerade erst sein Vor-Corona-Niveau erreicht.

Geht die Wette weiter?

Der Einsatz von Softbank ist für einen einzelnen Investor zwar gigantisch, die Kurse richtig angeheizt hat er aber wohl erst gemeinsam mit anderen Investoren. Laut Daten der Investmentbank Goldman Sachs wurden in den vergangenen beiden Wochen im Durchschnitt täglich Optionen auf einzelne US-Aktien mit einem Wert von 335 Milliarden Dollar gehandelt. Das sei ein Vielfaches des gewohnten Volumens. Einen Großteil davon machen neben Hedgefonds offenbar abertausende Kleinanleger aus, die seit einiger Zeit auch über Apps wie Robinhood mit Optionen handeln können, was schnellere und größere Gewinne - oder auch Verluste - verspricht als der direkte Kauf von Aktien.

Der Boom bei den Optionen treibt die betreffenden Aktien in einem sich selbst verstärkenden Kreislauf in die Höhe. Denn Verkäufer solcher Calls, meist Investmentbanken, müssen dafür vorsorgen, dass ihr Kunde sein Recht ausübt, die Aktie zu einem festgelegten Kurs zu kaufen. Dafür müssen die Banken diese Aktien zuvor kaufen. Das treibt den Kurs. Dadurch werden wiederum die Optionen attraktiver. Zudem gelten viele ausstehende Calls als Signal für einen steigenden Aktienkurs, was automatisierte Handelssysteme zum Kauf bewegt. Dieser Kreislauf drehte sich in den vergangenen Wochen immer schneller.

Wenn der Trend allerdings bricht, befürchten Experten, dass die Aktienrally wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Die Kleinanleger seien ebenso wie institutionelle Investoren in diesem "Schneeballsystem" gefangen, zitiert Bloomberg den Chefstrategen des Finanzdienstleisters BTIG, Julian Emanuel. Wenn dieser gigantische Schneeball ins Rollen käme, bestehe "das Risiko, dass er zu einer Lawine wird".

An den letzten beiden Handelstagen erlebten die Technologieaktien erhebliche Einbußen. Der Tech-Index Nasdaq 100 fiel zeitweise um rund zehn Prozent. Ob die US-Börsen nun ins Rutschen geraten, dürfte erheblich vom Verhalten von Softbank und anderer Call-Besitzer abhängen. Versuchen sie, ihre bisherigen Gewinne zu realisieren beziehungsweise Verluste zu begrenzen, bevor die Kurse weiter fallen? Oder wetten sie unbeirrt weiter auf steigende Kurse und halten die Rally damit am Laufen? Die Softbanks-Aktionäre jedenfalls rechnen mit herben Verlusten: Der Kurs der Aktie rutschte nach Bekanntwerden der Optionswetten um mehr als sieben Prozent nach unten.

Quelle: ntv.de

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