Verband: "Keine Insolvenzwelle" Deutlich mehr Firmen in Deutschland gehen pleite
12.01.2024, 11:48 Uhr Artikel anhören
Hohe Energiepreise, die insgesamt schwache Konjunktur und gestiegene Zinsen: Belastungen gibt es für Unternehmen viele dieser Tage.
(Foto: picture alliance / Fotostand)
Im Vergleich zum Vorjahr melden in Deutschland deutlich mehr Unternehmen Insolvenz an. Laut Experten wird dieser Trend wohl auch weiter anhalten. Trotzdem gibt es leichte Entwarnung: Um eine Pleitewelle handle es sich nicht. Es seien Nachholeffekte zu beobachten.
Die maue Konjunktur und hohe Zinsen haben am Jahresende 2023 viele deutsche Unternehmen in die Insolvenz rutschen lassen. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen stieg im Dezember um 12,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. "Seit Juni 2023 sind damit durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten", hieß es dazu. Im November hatte es sogar ein Plus von 18,8 Prozent gegeben. Diese Verfahren fließen erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik ein, der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt in vielen Fällen etwa drei Monate davor.
"Auch wenn die Zahlen von Monat zu Monat steigen, markieren sie nicht den Beginn einer Insolvenzwelle", sagte der Vorsitzende des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), Christoph Niering. Von Januar bis Oktober 2023 stieg die Zahl der Firmenpleiten um 24,1 Prozent auf 14.751. Die Forderungen der Gläubiger bezifferten die Amtsgerichte allein für Oktober auf knapp 1,6 Milliarden Euro. Das ist rund doppelt so viel wie ein Jahr zuvor.
"Für die kommenden Monate erwarten wir weiter steigende Zahlen", sagte der Insolvenzexperte Steffen Müller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Die Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften sei seit den historischen Höchstständen vor etwa 20 Jahren stark zurückgegangen. Selbst bei einem weiteren moderaten Anstieg im neuen Jahr läge das Insolvenzgeschehen aber noch immer im normalen Bereich.
Weiter Insolvenzen auf "erhöhtem Niveau"
Das sieht auch der VID so. "Wir werden weiterhin Unternehmensinsolvenzen auf einem erhöhten Niveau sehen, das aber nicht mehr die Spitzenwerte der Nullerjahre erreicht", sagte Niering. "Wir beobachten bei den aktuellen Insolvenzen immer noch vorrangig einen Nachholeffekt." Gemeint seien damit vor allem Unternehmen mit erodiertem Geschäftsmodell oder Bereiche mit strukturellen Problemen, wie etwa Krankenhäuser oder die Immobilienbranche. Staatliche Interventionen wie die Corona-Hilfen hätten strukturelle Veränderungen nur aufgeschoben.
Bezogen auf 10.000 Unternehmen gab es im Oktober in Deutschland insgesamt 4,4 Firmeninsolvenzen. Die meisten entfielen auf den Wirtschaftsabschnitt Verkehr und Lagerei mit 8,1 Fällen. Dann folgten die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, wie beispielsweise Zeitarbeitsfirmen, mit 6,7 Fällen. Zugelegt hat im Oktober auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen. Sie erhöhte sich um 11,7 Prozent auf 5631. Für den Zeitraum Januar bis Oktober 2023 ergibt sich daraus ein Plus von 1,3 Prozent auf 55.649 Fälle.
Quelle: ntv.de, rog/rts