Zinsen höher schrauben? Die US-Notenbank ist im Blindflug
22.03.2023, 06:59 Uhr
Fed-Chef Powell hat angekündigt, die Inflation weiter nach unten zu drücken.
(Foto: REUTERS)
Die Inflation ist viel zu hoch, während regionale Banken mit erheblichen Schwierigkeiten kämpfen. US-Notenbankchef Jerome Powell steht vor einer schwierigen und riskanten Zins-Entscheidung.
Die US-Notenbank Fed muss zwei Probleme gleichzeitig bekämpfen: hohe Inflation und Instabilität im Bankensektor. Besonders verzwickt ist die Lage, weil das klassische Mittel gegen Inflation - also Zinserhöhungen - komplizierterweise regionalen US-Geldhäusern große Probleme bereitet.
Heute Abend deutscher Zeit wird die von Jerome Powell geführte Notenbank entscheiden, ob und in welcher Höhe die Zinsen weiter erhöht werden. Das bisherige Tempo war sportlich. Die Fed hat weniger als zwölf Monate gebraucht, um die Leitzinsspanne von nahe null bis auf das aktuelle Niveau von 4,5 bis 4,75 Prozent nach oben zu schrauben. Damit will sie die hohe Inflation in den Griff bekommen. Das gelingt ihr aber nur langsam. Auch wenn die Teuerungsrate zuletzt auf 6 Prozent gefallen ist, liegt sie noch immer weit über dem Ziel der Fed von 2 Prozent.
Die Logik hinter Zinserhöhungen: Sie machen Kredite teurer und bremsen damit sowohl Konsum als auch Investitionen. Das dämpft tendenziell die Preise.
Allerdings hat das von der Fed eingeschlagene Tempo unerwünschte Nebenwirkungen. Es macht Regionalbanken zu schaffen - allen voran der Silicon Valley Bank (SVB), die davon überfordert war. Sie hatte zwar lediglich das getan, was alle Banken tun: Sie hatte Kundeneinlagen investiert. Angesichts des langjährigen Dauer-Zinstiefs hatte sie einen Großteil in US-Staatsanleihen angelegt. Doch wegen schnell und stark steigender Zinsen verloren sie rapide und deutlich an Wert.
Das war zunächst ein rein bilanzieller Effekt, da die als weiterhin besonders sicher geltenden Alt-Anleihen immer noch die vereinbarten Zinsen abwerfen. Zum Verhängnis wurde der Bank, dass das Management das Risiko steigender Zinsen nicht ausreichend abgesichert hatte und dass Anleger plötzlich in Scharen aus Angst ihr Geld abzogen - vor allem auch deshalb, weil bei der Bank überproportional viele Konten über der gesetzlichen Versicherungsgrenze von 250.000 Dollar lagen. Das brachte die SVB an den Rand des Zusammenbruchs. Sie wurde vorübergehend geschlossen und unter staatliche Kontrolle gestellt. Doch zu einer Vertrauenskrise im Bankensystem kam es dennoch, Aktien von Geldinstituten gingen auf Achterbahnfahrt.
Fed dürfte vorsichtiger werden
Mittlerweile ist halbwegs Ruhe eingekehrt. Angesichts der Turbulenzen wuchsen in den vergangenen Tagen allerdings die Zweifel, ob die Fed wirklich das Zinstempo wieder erhöht. Notenbankchef Powell hatte bislang angedeutet, die Zinsen kräftig um 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen. Doch das war vor der Bankenkrise. Mittlerweile wird an den Finanzmärkten mit einer Erhöhung von lediglich 25 Basispunkten gerechnet.
Ein geringer Zinsanstieg würde die Banken etwas entlasten. Dass die Fed deshalb aber auf eine Zinserhöhung verzichtet und eine Pause einlegt, gilt als sehr unwahrscheinlich. Eine solche unangekündigte Vollbremsung könnte an den Finanzmärkten Turbulenzen auslösen, schließlich will die Fed bislang keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie bei der Bekämpfung der Inflation nicht nachlassen will.
Was die Aufgabe der Notenbanker besonders knifflig macht: Die Anspannung im Bankensektor hat auch Folgen für den Rest der Wirtschaft und damit indirekt auch auf die Inflation. Der Grund: Derzeit sieht es danach aus, dass viele Banken ihre Kreditvergabe zurückfahren werden. So wollen sie ihre Kapitalpuffer vergrößern und das Kreditrisiko vermindern. Doch restriktivere Kreditvergabe macht Kredite für Unternehmen und Verbraucher tendenziell teurer und führt damit zu weniger Investitionen und Konsum.
Das dämpft tendenziell die Preise - und damit die Inflation. Die Investmentbank Goldman Sachs geht davon aus, dass die Verschärfung der Kreditvergabestandards einer Erhöhung des Leitzinses der Fed um 25 oder 50 Basispunkte entspricht.
Hinzu kommt, dass Zinserhöhungen ihre volle Wirkung erst mit Verzögerung erreichen, als Faustregel gelten 12 bis 18 Monate. Das macht es für die Fed noch schwieriger, bei Zinserhöhungen das richtige Tempo zu finden, also die Inflation zu drücken und gleichzeitig die Kollateralschäden gering zu halten.
Quelle: ntv.de