Wirtschaft

Die Uhr tickt Die USA nähern sich dem Schulden-Abgrund

Finanzministerin Janet Yellen warnt vor "katastrophalen" Folgen.

Finanzministerin Janet Yellen warnt vor "katastrophalen" Folgen.

(Foto: REUTERS)

Die US-Regierung war noch nie zahlungsunfähig. Doch in Kürze könnte es so weit sein. Denn Demokraten und Republikaner pokern um die Aussetzung der Schuldenobergrenze in Höhe von 28,5 Billionen Dollar. ntv.de hat die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Worum geht es?

In den USA wird - wieder einmal - über die Anhebung der Schuldenobergrenze gestritten. Wenn der Kongress (das sind Senat und Repräsentantenhaus) nicht bis morgen diesen Schritt beschließt, dann droht am Freitag der "Government Shutdown". Dann würden Hunderttausende Bundesbedienstete in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt, zahlreiche öffentliche Einrichtungen müssten schließen. Die Regierung kann für eine begrenzte Zeit durch "außerordentliche Maßnahmen" (Übersetzung: Bilanzierungstricks) das Schlimmste verhindern: den Zahlungsausfall der USA. Doch im Oktober wäre der wohl unvermeidlich.

Was ist der Stand der Dinge?

Die Demokraten um US-Präsident Joe Biden wollen, dass das Schuldenlimit bis Dezember kommenden Jahres ausgesetzt wird, die Republikaner lehnen das ab. Um ihre Verhandlungsposition zu verbessern, verknüpfen die Demokraten den Wunsch mit 28,6 Milliarden Dollar Nothilfe für Opfer von Naturkatastrophen in den USA und 6,3 Milliarden Dollar zur Unterstützung evakuierter afghanischer Staatsbürger nach der Machtübernahme der Taliban. Das Repräsentantenhaus verabschiedete mit den Stimmen der Demokraten zwar ein entsprechendes Gesetz, doch im Senat scheiterte es am geschlossenen Widerstand der Republikaner. Die Uhr tickt.

Wie ist das Kräfteverhältnis?

Die Demokraten kontrollieren das Repräsentantenhaus, im Senat sind sie allerdings auf die Unterstützung von Republikanern angewiesen. Beide Parteien stellen in dieser Kammer jeweils 50 Senatoren. Zwar verfügen die Demokraten de facto über eine hauchdünne Mehrheit, weil in Patt-Situationen Vizepräsidentin Kamala Harris in ihrem Amt als Senatspräsidentin den Ausschlag gibt. Doch durch einen "Filibuster" genannten Verfahrenstrick kann jeder Senator verhindern, dass über einen Gesetzestext debattiert wird. Um einen "Filibuster" zu verhindern, ist eine Mehrheit von 60 Stimmen nötig.

Was ist die Schuldengrenze?

Im Prinzip ist das ein technokratischer Mechanismus, er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführt. Die Schuldengrenze bestimmt, wie viel Geld sich die US-Regierung leihen darf, um ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Wird die Obergrenze nicht erhöht, kann der Staat nicht alle diese Verpflichtungen erfüllen und fällig werdende Altschulden nicht begleichen.

Derzeit liegt sie bei 28,5 Billionen Dollar, damit ist das Limit erreicht. Es wurde seit 1960 fast 80 Mal angehoben oder ausgesetzt. Jahrzehntelang war das nur eine Formalität. Doch in der Präsidentschaft des Demokraten Barack Obama entdeckten die Republikaner die Obergrenze als politische Waffe, seitdem gibt es beim Erreichen des Limits einen parteipolitischen Kampf. Die nahende Zahlungsunfähigkeit wird als Druckmittel von einer Seite genutzt, um Zugeständnisse der anderen Seite zu erzwingen.

Wieso gibt es die Schuldengrenze?

Die Verfassung verlangt, dass der Kongress die Aufnahme von Schulden genehmigt. Die pauschale Schuldengrenze soll verhindern, dass die Regierung jedes Mal, wenn das Finanzministerium eine Anleihe auf den Markt bringt, vorher den Kongress um Erlaubnis bitten muss.

Wann wurde die Grenze zuletzt geändert oder ausgesetzt?

2019 während der Präsidentschaft von Donald Trump. Damals einigten sich Republikaner und Demokraten, die Grenze für zwei Jahre auszusetzen. Zum 1. August dieses Jahres war die Regelung ausgelaufen. Das heißt: Nun gilt wieder die damalige Obergrenze von 22 Billionen Dollar, zu der die seitdem gemachten Schulden in Höhe von rund 6,5 Billionen Dollar addiert werden - also insgesamt 28,5 Billionen Dollar.

Wann würde den USA das Geld ausgehen?

Finanzministerin Janet Yellen kündigte an, ihrem Ressort würden am 18. Oktober die Mittel ausgehen. Auch das unabhängige Haushaltsamt des Kongresses (CBO) geht davon aus, dass das im Oktober der Fall sein wird.

Welche Konsequenzen hätte das?

Eine Zahlungsunfähigkeit wäre in den USA ohne historisches Beispiel. Falls die Regierung ihre Schulden im Oktober nicht mehr bedienen könnte, drohten der US-Wirtschaft eine Rezession und eine weltweite Finanzkrise, warnt Yellen. Es wäre "unverantwortlich", die Kreditwürdigkeit der USA aufs Spiel zu setzen. Mit dieser Einschätzung ist die Finanzministerin nicht alleine. Ökonomen und Analysten warnen - wie bei jedem Schulden-Poker in den USA - vor den globalen Konsequenzen. Sie gehen davon aus, dass bei einem Zahlungsausfall der USA die Zinsen nach oben schießen.

Und warum wird die Grenze dann nicht angehoben?

Hintergrund ist auch diesmal ein Streit zwischen den Demokraten und den Republikanern. Dabei geht es - wie üblich - nicht nur um die Verschuldung, sondern auch um Projekte der anderen Seite. Diesmal nutzen die Republikaner das Limit, um ein 3,5 Billionen Dollar schweres Paket von Präsident Biden zu torpedieren. Biden will damit mehr Geld in Bildung und Kinderbetreuung stecken, Familien mehr unterstützen und sie steuerlich entlasten sowie Geld für den Kampf gegen die Klimakrise in die Hand nehmen - verteilt über mehrere Jahre. Finanziert werden soll es durch Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und das konsequentere Eintreiben fälliger Abgaben. Die Republikaner werfen den Demokraten eine verantwortungslose Haushaltspolitik vor.

Ist das alles?

Nein. Die Demokraten wollen unbedingt eine überparteiliche Lösung und argumentieren damit, dass in den vergangenen Jahren sowohl unter demokratischen als auch republikanischen Präsidenten Schulden angesammelt wurden. Sie wollen angesichts der polarisierten politischen Landschaft in den USA verhindern, von den Republikanern als Schuldenmacher hingestellt zu werden. Die Republikaner argumentieren, dass die Demokraten angesichts der Mehrheitsverhältnisse ihre Hilfe nicht brauchen und dafür ein anderes Mittel nutzen können - das sogenannte Reconciliation-Verfahren, mit dem das "Filibuster" nicht möglich ist. Das ist allerdings ein sehr kompliziertes parlamentarisches Verfahren und es ist fraglich, ob dafür die Zeit reicht. Außerdem darf es nur angewendet werden, wenn die betroffene Gesetzgebung das Staatsdefizit verringert. Es würde die Demokraten also zwingen, Ausgaben kürzen.

Die Republikaner geben sich in der Opposition in der Regel als fiskalpolitisch verantwortlich und lehnen deshalb höhere Staatsschulden und Defizite ab. Das hinderte sie allerdings nicht daran, während der Präsidentschaft Trumps durch Steuersenkungen und Konjunkturprogramme sowohl das Haushaltsdefizit als auch die Verschuldung massiv zu vergrößern.

Wird es zum Zahlungsausfall kommen?

Das gilt derzeit - noch - als sehr unwahrscheinlich. Bislang haben sich Republikaner und Demokraten angesichts der drohenden Konsequenzen immer auf einen Kompromiss geeinigt. Das heißt allerdings nicht, dass das der Poker auch diesmal gut ausgeht.

Quelle: ntv.de

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