Zehn Jahre nach dem Crash Diese neuen Blasen bedrohen die Wirtschaft
19.09.2017, 07:45 Uhr
Ohne Rücksicht auf mögliche Verluste: Bei vielen Autohändlern bekommt jeder Kredit - egal, ob er sich den damit gekauften Wagen tatsächlich leisten kann oder nicht.
(Foto: imago/Levine-Roberts)
Die Finanzkrise, die vor zehn Jahren begann, hat die US-Wirtschaft längst hinter sich gelassen. Doch während die Konjunktur brummt, bilden sich neue Blasen. Die Ähnlichkeiten mit dem damaligen Hypotheken-Boom sind verblüffend.
Dieses System hat die Weltwirtschaft schon einmal an den Rand des Abgrunds geführt: Kredite für Millionen US-Amerikaner für Dinge, die sich viele von ihnen nicht leisten können, mit Sicherheiten hinterlegt, deren Wert oft fragwürdig ist, gebündelt und weiterverkauft an renditehungrige Investoren.
Zehn Jahre nachdem ein unerwarteter Einbruch der US-Immobilienpreise zunächst die Hypotheken- und anschließend die weltweite Wirtschaftskrise auslöste, boomt wieder das Geschäft mit Subprime-Krediten - also Darlehen mit niedriger Bonität und hohen Zinsen. Diesmal sind es allerdings weniger die Hypotheken, die Beobachtern Sorgen machen. Besonders rasant gewachsen ist der Schuldenberg der US-Amerikaner in drei anderen Bereichen.
Auto-Kredite
Mit einem Volumen von insgesamt 1,1 Billionen Dollar ausstehender Kredite haben die Schulden der US-Bürger für Autokäufe einen Rekordstand erreicht. Rund 107 Millionen US-Amerikaner, das ist fast jeder zweite Erwachsene, zahlen derzeit einen Kredit für ein Auto ab. Ein gutes Fünftel dieser Kredite wird als Subprime oder Deep Subprime, also mit schlechter oder besonders schlechter Bonität, benotet.
Droht die Blase zu platzen? Die Ausfallrate bei Autokrediten ist relativ niedrig, doch sie steigt vor allem im Subprime-Segment. Zudem werden die Laufzeiten länger - ein Anzeichen dafür, dass die Banken ihre Anforderungen für die Kunden immer weiter senken.
Mehrere Aspekte des Auto-Kreditbooms erinnern Beobachter an die Praxis vor der Hypothekenkrise: Zahlreichen Berichten zufolge gehen einige der Kreditgeber extrem sorglos vor. So wird in vielen Fällen die Kreditwürdigkeit der Schuldner nicht geprüft. Viele Darlehen beruhen offenbar auf falschen Angaben der Kunden über ihr Vermögen und ihr Einkommen. Das heißt, der Anteil fauler Kredite könnte deutlich größer sein als offiziell bekannt. Als Sicherheit für viele Auto-Kredite dient ausschließlich das damit gekaufte Fahrzeug. Bei Zahlungsausfällen stellt sich aber oft heraus, dass der Wiederverkaufswert des Autos niedriger ist als der noch ausstehende Kreditbetrag. Der Kunde sitzt also in einer Schuldenfalle. Der Gläubiger sieht einen Teil seines Geldes nicht wieder.
Welche Folgen hätte ein Platzen der Auto-Blase? Mehr als eine Billion Dollar Kreditvolumen, davon mehr als 200 Milliarden mit schlechter Bonität: Das sind Riesensummen, aber auch ein Ausfall eines großen Teils der Auto-Kredite würde keine neue globale Finanzkrise auslösen. Zum Vergleich: Vor der Finanzkrise vergaben US-Banken Hypotheken von mehr als drei Billionen Euro pro Jahr.
Einige Investoren könnten allerdings empfindliche Verluste erleiden. Besonders die Subprime-Kredite sind derzeit beliebt, denn sie sind mit rund fünf Prozent pro Jahr relativ hoch verzinst. Viele der ursprünglichen Kreditgeber haben ihre Auto-Darlehen gebündelt und - mitsamt dem Risiko - an Investoren weiterverkauft.
Zudem stellt der Schuldenberg ein Problem für die Autoindustrie dar. Die Nachfrage in den USA ist rückläufig. Die lockere Kreditvergabe hält den Autoabsatz noch auf hohem Niveau. Ohne die Darlehen dürften die Neuwagenverkäufe auf dem übersättigten Automarkt einbrechen.
Kreditkarten
Auch bei den Kreditkartenschulden haben die US-Amerikaner in diesem Jahr ihren bisherigen Rekord aus der Zeit vor der Finanzkrise eingestellt und die Marke von einer Billion US-Dollar geknackt. Manche Beobachter werten das als gutes Zeichen für die Wirtschaft. Denn die US-Bürger sind offenbar zuversichtlich in Bezug auf ihre finanzielle Situation und konsumieren fleißig.
Droht die Blase zu platzen? Die meisten Banken sehen derzeit keinen Grund zur Sorge. Denn solange sich die Arbeitslosigkeit auf einem historischen Tiefststand befindet, rechnen sie nicht mit massiven Ausfällen. Zudem geben US-Haushalte derzeit durchschnittlich weniger als zehn Prozent ihres Einkommens für den Schuldendienst aus, das ist deutlich weniger als in den vergangenen Jahren. Doch es gibt Warnzeichen: Die US-Bank Wells Fargo senkte jüngst ihren Ausblick für die Karten-Schulden, da die Kredit-Kriterien in besorgniserregendem Maß abgesenkt worden seien.
Welche Folgen hätte ein Platzen der Karten-Blase? Wie schmerzhaft faule Kreditkartenschulden sein können, haben die US-Banken bereits in der vergangenen Krise erlebt: Damals mussten sie 100 Milliarden Dollar abschreiben. Darüber hinaus ist die Kreditvergabe über die Karten entscheidend für die US-Konjunktur. Sollten die Banken sich hier aufgrund erheblicher Ausfälle zurückhalten, könnte das dem Konsum und damit der gesamten Wirtschaft einen herben Dämpfer versetzen.
Studienkredite
Noch schneller als die Kreditkarten- und Autoschulden der US-Amerikaner sind die Schulden der Studenten der US-Unis in den vergangenen Jahren gewachsen. Mit 34.000 Dollar Schulden verlassen die Abgänger die Hochschulen im Durchschnitt. Insgesamt summieren sich die Studentenkredite auf rund 1,4 Billionen Dollar.
Droht die Blase zu platzen? In gewisser Hinsicht ist das bereits der Fall. Von den 44 Millionen US-Amerikanern mit Uni-Schulden können acht Millionen ihre Kredite derzeit nicht bedienen. Das entspricht einer Ausfallrate von 18 Prozent. Nur gut ein Drittel der ehemaligen Studenten kann seinen Kredit fristgerecht und ohne staatliche Unterstützung zurückzahlen.
Welche Folgen hat das Platzen der Studentenkredit-Blase? Es wird auf jeden Fall sehr teuer für den US-Steuerzahler. Wurden vor der letzten Finanzkrise Studentenkredite vor allem von Banken herausgegeben, so stammte das Geld für neue Darlehen zuletzt zu 90 Prozent vom Erziehungsministerium. Der Staat trägt also auch den größten Teil des Ausfallrisikos. Darüber hinaus gilt die Überschuldung vieler Uni-Abgänger als Problem für die Gesamtwirtschaft und die Gesellschaft. Wegen der Belastung aus den Studienkrediten kaufen weniger junge US-Amerikaner Häuser, Möbel und andere Haushaltsgüter als noch vor zehn Jahren. US-Medien stellen sogar eine Verbindung zwischen der gestiegenen Schuldenlast und zunehmenden Fällen von Depressionen und Beziehungsproblemen in jungen Familien her.
Quelle: ntv.de