Analyse des IFO-Instituts Energiekrise kostet Deutschland 110 Milliarden Euro
08.11.2022, 12:02 Uhr
"Der derzeitige Realeinkommensrückgang dürfte auch in den kommenden Jahren bestehen bleiben", warnte IFO-Konjunkturforscher Wollmershäuser.
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Die hohen Energiepreise liegen der deutschen Volkswirtschaft schwer auf der Tasche: Das IFO-Institut rechnet mit einem Realeinkommensverlust von knapp 110 Milliarden Euro zwischen 2021 und 2023. Das wäre der stärkste Rückgang seit der zweiten Ölkrise Ende der 1970er Jahre.
Die gestiegenen Gas- und Ölpreise saugen nach Berechnungen des IFO-Instituts fast 110 Milliarden Euro aus der deutschen Volkswirtschaft heraus. Das entspricht 3,0 Prozent der Wirtschaftsleistung eines Jahres. Entsprechend weniger wird nach Einschätzung der Münchner Ökonomen bei Tarif- und Gehaltsverhandlungen an Arbeitnehmer zu verteilen sein. Das Institut veröffentlichte die Studie vor dem Hintergrund der laufenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie.
Realeinkommen sind die inflationsbereinigten Einkommen. Die verlorenen Milliarden sind demnach die Summe, die aus Deutschland zur Bezahlung der sehr viel teurer gewordenen Energieimporte ins Ausland abfließt - 35 Milliarden Euro im vergangenen Jahr, 64 Milliarden in diesem und noch einmal neun Milliarden 2023.
Nur während der zweiten Ölpreiskrise in den Jahren von 1979 bis 1981 sei der Realeinkommensverlust mit 4 Prozent der Wirtschaftsleistung noch höher ausgefallen, sagte IFO-Konjunkturforscher Timo Wollmershäuser. Die gesamtwirtschaftlichen Kaufkraftverluste in den drei Jahren hätten erst 1986 wieder ausgeglichen werden können. Damals setzte ein kräftiger Verfall der Ölpreise ein, während gleichzeitig die D-Mark spürbar zum Dollar aufwertete. Dadurch wurden die meist in der US-Währung abgerechneten Energieimporte billiger.
"Der derzeitige Realeinkommensrückgang dürfte auch in den kommenden Jahren bestehen bleiben", so Wollmershäuser. "Zum einen werden die Energiepreise mit dem Wegfall Russlands als Lieferant wohl dauerhaft hoch bleiben. Zum anderen wird sich an der Abhängigkeit Deutschlands von importierter Energie so schnell nichts ändern."
Endverbraucher dürften Energiepreise tragen
Wollmershäuser und sein Kollege Wolfgang Nierhaus gehen davon aus, dass die deutschen Unternehmen ihre Exportpreise zunächst sehr viel weniger kräftig erhöhen können als die Importpreise steigen. "Ein Gutteil der höheren Preise für importierte Energie dürfte daher von den heimischen Endverbrauchern zu tragen sein", schrieben die Wissenschaftler.
Die Bezifferung der Realeinkommensverluste sei wichtig bei allen Verteilungsdiskussionen, betonte Wollmershäuser. Die hohen Preise für in Deutschland produzierte Waren und Dienstleistungen seien nicht Folge eines Booms, sondern spiegelten vor allem die hohen Kosten für importierte Energie und Vorprodukte wider. Das zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern zu verteilende Einkommen "muss also um die Realeinkommensverluste korrigiert werden".
Quelle: ntv.de, mbu/dpa/rts