Lira auf ungebremster Talfahrt Erdogan nimmt Werteverfall "billigend in Kauf"
25.10.2021, 14:08 Uhr
Die Lira sackt immer weiter und weiter ab. Doch statt die Zinsen anzuheben und damit dem Preisanstieg den Kampf anzusagen, kappt der türkische Präsident den Leitzins. Laut Portfoliomanager Iredi nimmt Erdogan den Werteverfall billigend in Kauf. Das Land drohe außerdem den Anschluss zu verlieren.
Die türkische Lira ist stark unter Druck. Seitdem am Donnerstag bekannt wurde, dass die türkische Notenbank den Leitzins trotz einer hohen Inflation um 2,0 Prozentpunkte auf 16,0 Prozent gesenkt hat, verlor die Lira im Handel mit dem Euro etwa 3,5 Prozent an Wert. Seit Beginn des Jahres beläuft sich der Wertverlust mit der europäischen Gemeinschaftswährung mittlerweile auf etwa 25 Prozent.
"Die Regierung nimmt den Werteverfall der türkischen Währung billigend in Kauf", sagt Ascan Iredi, Portfoliomanger bei der DZ Privatbank S.A., ntv. Das sei zwar schön für den Export, da türkische Produkte im Ausland so billiger und wettbewerbsfähiger werden, habe aber auch massive Schattenseiten. Die Türkei ächzt derzeit unter einem hohen Preisanstieg - zuletzt erreichte die Inflation über 19 Prozent und gehört damit zu den höchsten weltweit.
Für die deutsche Wirtschaft ist die Abwertung der türkischen Lira laut Iredi erstmal ein gutes Zeichen, weil günstig eingekauft werden kann. Sollte die türkische Lira allerdings immer weniger wert werden, funktioniere das dauerhaft nicht mehr. "Das Land muss weiter investieren, schließlich werden die Maschinen unerschwinglich teuer", sagt Iredi. Auf lange Sicht sei die Abwertung der Währung ein Nachteil. "Nicht nur das Volksvermögen sinkt durch die Inflation." Das Land verliere international auch den internationalen Anschluss. "Das ist für Unternehmen sehr negativ."
Nach herrschender Ökonomenlehre sind die Leitzinsen ein wichtiges Instrument im Kampf gegen einen hohen Preisanstieg. Zentralbanken erhöhen in der Regel den Leitzins, den die Banken meist an ihre Kunden weitergeben. Die beabsichtigte Folge: Die Zahl der Kreditvergaben und damit die Geldmenge im Umlauf sinkt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist aber der Meinung, hohe Leitzinsen würden die Inflation eher anheizen und lehnt sie zudem deshalb ab, weil sie das Wachstum bremsen. Er möchte über niedrige Zinsen Kredite und Investitionen ankurbeln und auf diese Weise letztlich die Wirtschaft.
Unternehmen werden es nicht honorieren
Als Reaktion darauf diszipliniert der Finanzmarkt die türkische Lira. Weil die Zinsen nicht erhöht werden, entlade sich laut Iredi der Markt, indem er die Lira abwertet. "Dieses Problem kann auch das Ausland nicht lösen, sondern nur die Türkei selbst." Laut dem Portfoliomanager ist Erdogans Vorgehen ein politisches Kalkül, das aus seiner Sicht dauerhaft nicht funktionieren wird.
Damit die türkische Lira wieder Fuß fassen kann, müsste die Regierung laut Iredi einsehen, dass höhere Zinsen hermüssen. Ansonsten verschaffe man sich langfristig einen Nachteil und riskiere, die Wirtschaft gegen die Wand zu fahren. "Anders wird man den Verfall der türkische Lira nicht aufhalten können." Dieses Signal könnte Erdogan allerdings Stimmen kosten und nur darum gehe es dem türkischen Präsidenten. Auf lange Sicht würden es die Unternehmen Erdogan nicht honorieren, ist sich Iredi sicher. "Letztlich wird es Arbeitsplätze kosten und spätestens dann wird es auch Auswirkungen auf die nächsten Wahlen haben."
Quelle: ntv.de, jki