Wirtschaft

Riskant, unglaubwürdig, zu spät Experten zerreißen Musks Robotaxi-Vision in der Luft

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Musk reagiert mit den Robotaxi-Plänen auch auf die sich abkühlende Nachfrage nach Elektroautos.

Musk reagiert mit den Robotaxi-Plänen auch auf die sich abkühlende Nachfrage nach Elektroautos.

(Foto: dpa)

Tesla-Chef Elon Musk stellt ein neues Robotaxi-Konzept vor. Experten halten die Pläne für riskant und die Preisversprechen für fraglich. Dass autonomes Fahren mit dem Cybercab mittelfristig Realität wird, hält Branchenkenner Schwope zudem für unwahrscheinlich.

Ein zweisitziges Coupé mit Flügeltüren, ohne Lenkrad oder Pedale: So soll das Robotaxi aus dem Hause Tesla aussehen, das Firmenchef Elon Musk Analysten, Geldgebern und Fans am Vorabend in den Filmstudios von Warner Brothers bei Los Angeles vorgestellt hat. Die Produktion soll 2026 beginnen, die Fahrzeuge weniger als 30.000 Dollar kosten, sagte Musk. Wann die Autos auf den Markt kommen sollen, beantwortete der Tesla-Chef jedoch erwartungsgemäß nur vage.

Die Ankündigung ist laut Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer nicht nur "sehr dünn", sondern auch "voller Risiken". "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Investoren da große Hoffnung hineinsetzen", sagt Dudenhöffer ntv.de. Das Einzige, was Aufsehen erregt habe, sei der Preis von 30.000 Dollar, aber der sei wenig glaubhaft. Dem stimmt auch Frank Schwope von der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover (FHM) zu. Der langjährige Kenner der deutschen Automobilbranche schätzt, dass der Preis nach Steuern und einer gewissen Ausstattung jenseits von 40.000 US-Dollar liegen wird.

Tesla Motors (USD)
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Anders als andere Autobauer verlässt sich Tesla bei "Full Self Driving" allein auf Kameras und verzichtet auf andere Sensoren wie Radar oder Lidar. Dazu kommt Künstliche Intelligenz. Dieses Vorgehen ist billiger und einfacher als das anderer Autobauer, die eine Vielzahl von Systemen parallel einsetzen. Dudenhöffer hält das für gefährlich. Der Autopilot von Tesla habe bereits gezeigt, wie schwach Kameras als Sensoren beim autonomen Fahren sind. "Leichte Wettereinflüsse etwa können die Kameras blind machen. Damit sind Unfälle vorprogrammiert", sagt Dudenhöffer. Für ihn ist der Cybercab für 30.000 Dollar eine Wette, die nicht aufgeht.

Robotaxis in China und USA schon im Einsatz

Der Tesla-Chef will sein Unternehmen vom Autobauer zum Robotik-Konzern umbauen. Seine Vision ist es, eine Flotte von selbstfahrenden Tesla-Taxis zu betreiben, die Fahrgäste über eine App abrufen können. Dudenhöffer gibt zu bedenken: Robotaxen fahren in China schon seit drei Jahren in großer Zahl. Bis Musk damit in den Markt kommt, werden sie in allen großen Städten in China unterwegs sein. "In China hat Musk keine Chance. Er ist zu spät", sagt Dudenhöffer.

Und auch für den Heimatmarkt sieht der Branchenexperte schwarz. Die Wagen der Google-Schwesterfirma Waymo machen ohne einen Menschen am Steuer jede Woche mehr als 100.000 Fahrten mit Passagieren in vier US-Städten. Vor allem in San Francisco gehören die zu selbstfahrenden Autos umgebauten Jaguar-Elektrofahrzeuge von Waymo zum Stadtbild. Waymo ist Tesla nach Einschätzung von Dudenhöffer zehn Jahre voraus - und das könne Musk in den nächsten drei Monaten nicht wettmachen.

Und Europa? Laut Dudenhöffer ein fragmentierter Markt mit hoher Komplexität. "Die Städte und die Straßen sind aus historischen Entwicklungen entstanden und nicht am Reißbrett. Und das macht sie für KI-Autos kompliziert, so der Branchenkenner.

Schon in der Vergangenheit musste der Tesla-Chef seine optimistischen Zeitpläne wiederholt zurücknehmen. Die Systeme "Autopilot" und "Full Self Driving" sind nach jetzigem Stand lediglich Fahrerassistenzsysteme, bei denen der Fahrer ständig die Kontrolle über das Fahrzeug haben muss. Bislang hat das Unternehmen keine Freigabe der Aufsichtsbehörden für autonomes Fahren erhalten.

Abkühlende Nachfrage nach Elektroautos

Angekündigt hat Musk das selbstfahrende Taxi schon vor Jahren - zuerst 2016. Dass das autonome Fahren mit dem Cybercab mittelfristig Realität wird, hält Schwope deswegen für unwahrscheinlich. "Die Genehmigungen für echtes autonomes Fahren nach Level 5 sind mit dem Cybercab kaum zu erreichen, insbesondere so lange nicht, wie Tesla nur auf Kamerasysteme setzt und nicht zusätzlich auf Lidar."

Musk reagiert mit den Robotaxi-Plänen auch auf die sich abkühlende Nachfrage nach Elektroautos. Dem Unternehmen droht in diesem Jahr möglicherweise erstmals ein Absatzrückgang. Die Fahrzeugflotte altert, hohe Zinsen verderben vielen Autokäufern die Lust auf einen Neuwagen.

Die Erwartungen bei Analysten und Investoren waren hoch, dass Musk ein funktionierendes autonomes Fahrzeug und Pläne für dessen Markteinführung vorstellt, inklusive Zeitplan. Seit Ankündigung eines Robotaxis im April ist die Aktie um 52 Prozent gestiegen. Branchenkenner Dudenhöffer geht nicht davon aus, dass sich die Investoren von der Hollywood-reifen Show blenden lassen: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. In diesem Falle dürften es die Investoren sein."

Quelle: ntv.de, mit rts

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