Schäuble gegen Erleichterungen Griechische Wirtschaft erholt sich schneller
15.04.2016, 17:23 Uhr
Griechenlands Premier Tsipras hat eigentlich gute Neuigkeiten - die Verhandlungen mit den Geldgebern stocken allerdings.
(Foto: dpa)
Die Wirtschaft in Griechenland steht offenbar weit besser da, als die internationalen Geldgeber erwartet hatten. Nun scheinen auch die Sparziele aus dem dritten Hilfspaket erreichbar. Neuen Forderungen des IWF erteilt Finanzminister Schäuble aber eine Absage.
Griechenlands Wirtschaft erholt sich deutlich schneller von der schweren Krise als erwartet. Im vergangenen Jahr sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) "um nur noch 0,2 Prozent" geschrumpft, schreibt der griechische Regierungschef Alexis Tsipras in einem Gastbeitrag in der "Financial Times". Das "Handelsblatt" berichtete unter Berufung auf Informationen von EU-Diplomaten über einen Rückgang von 0,3 Prozent. Im Sommer vergangenen Jahres waren die internationalen Geldgeber des Landes noch von einem Einbruch der Wirtschaftsleistung in 2015 um 2,7 Prozent ausgegangen. Auf der Grundlage dieser Erwartung war im vergangenen Juli das dritte Hilfsprogramm für Griechenland beschlossen worden.
Die europäische Statistikbehörde Eurostat wird die Daten zum Wirtschaftswachstum am kommenden Donnerstag veröffentlichen. Bis dahin seien allenfalls nur noch geringfügige Abweichungen möglich, sagte ein EU-Diplomat dem "Handelsblatt". Die EU-Kommission hält es auf Grundlage der neuen BIP-Zahlen dem Zeitungsbericht zufolge für machbar, dass Griechenland die im dritten Hilfspaket vereinbarten Sparziele erreicht.
"Vereinbarungen getroffen"
Die Regierung in Athen hatte sich verpflichtet, 2018 einen Primärüberschuss (ohne Schuldendienst) von 3,5 Prozent vom BIP zu erzielen. Der Internationale Währungsfonds hält einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent im Jahr 2018 dagegen für völlig unrealistisch und spricht von nur 1,5 Prozent. Der IWF mahnt strengere Reformen in Griechenland an und drängt darauf, dem Land noch einmal erhebliche Erleichterungen beim Schuldendienst zu gewähren. Derzeit liegt der Schuldenstand Griechenlands bei 200 Prozent der Wirtschaftskraft.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wies diese Forderungen allerdings zurück. Auch der frühere griechische Finanzminister Giannis Varoufakis selbst habe im vergangenen Jahr erklärt, der Schuldenstand sei nicht das Problem, sagte Schäuble in Washington am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds. Das Land muss für die meisten Kredite in den nächsten Jahren nur wenig oder gar keine Zinsen zahlen und vorerst auch etliche Kredite nicht tilgen.
Auch IWF-Europadirektor Poul Thomsen hält eine Lösung der Griechenland-Krise ohne Schuldenschnitt für möglich. "Wir halten das für machbar", sagte er. Die Gespräche über einen Schuldenerlass seien mit den griechischen Behörden aber noch nicht geführt, sagte Thomsen. Erst müsse über Reformen gesprochen werden. Er forderte von Griechenland etwa weitere Maßnahmen in der Steuerpolitik. "Die Steuervermeidung geht immer weiter nach oben, die die Steuereinnahmen gehen immer weiter nach unten", sagte er. Griechenland schließe derzeit 55 Prozent seiner Bevölkerung über Freigrenzen von der Besteuerung bei der Einkommenssteuer aus, EU-weit liege diese Quote bei 18 Prozent. "Was wir brauchen ist eine Verbreiterung der Steuer-Basis, indem wir die Freigrenze herabsetzen."
Schäuble pochte darauf, dass Griechenland die Zusagen aus dem dritten Rettungspaket der Europäer von bis zu 86 Milliarden Euro einhalten müsse. "Unsere Botschaft ist sehr einfach: Wir haben im letzten Jahr Vereinbarungen getroffen." Die Umsetzung etwa der Rentenreform sei schwierig. Athen dürfe aber nicht der Versuchung erliegen, nicht das zu tun, was unabweisbar getan werden müsse.
Kein Paket ohne IWF
Schäuble erteilte gleichzeitig Überlegungen an ein Griechenland-Paket ohne den IWF eine klare Absage. Dies sei gesetzlich gar nicht möglich, sagte er. Der IWF beteiligt sich bisher nicht finanziell am dritten Rettungspaket für Athen, ohne ihn würde der Bundestag keine weiteren Hilfen genehmigen.
Bei dem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in der US-Hauptstadt steht die Krise in Griechenland auf der Agenda. Zuletzt waren die Verhandlungen zwischen der Regierung in Athen und den internationalen Geldgebern über weitere Finanzhilfen für das angeschlagene Euroland ins Stocken geraten.
Der Internationale Währungsfonds rechnet allerdings mit einer baldigen Einigung. Die Verhandlungsdelegation werde wohl Anfang kommender Woche nach Griechenland zurückkehren, sagte IWF-Europa-Chef Poul Thomsen auf der Tagung der Organisation in Washington.
Insgesamt sollen 5,4 Milliarden Euro gespart werden. Renten sollen gekürzt, neue indirekte Steuern verhängt und die Privatisierungen vorangetrieben werden. Doch der IWF will noch weitere Sparmaßnahmen. In Athen kursieren verschiedene Lösungsvorschläge. Aus Finanzministeriums-Kreisen sickert seit Tagen durch, man könnte die griechischen Zinsen einfrieren. Zudem könnte man den Höchstbetrag, den die Griechen künftig zahlen müssen, um ihre Schulden abzustottern, auf 15 Prozent des Bruttoinlandproduktes jährlich einschränken.
Quelle: ntv.de, mli/dpa