Ökonom über Trumps Pläne "Im Wettbewerb mit China sind US-Zölle sogar ein Vorteil"
23.11.2024, 16:17 Uhr Artikel anhören
Der designierte US-Präsident Trump hat angekündigt, Zölle in Höhe von 10 bis 20 Prozent einführen zu wollen.
(Foto: picture alliance/dpa/Getty Images North America Pool via AP)
Mit Donald Trump zieht laut dem Ökonom Klaus-Jürgen Gern die Unsicherheit ins Weiße Haus. Der Republikaner hat im Wahlkampf höhere Zölle angekündigt. Im Interview erklärt der IfW-Experte, was das für deutsche Unternehmen bedeutet und wieso es China noch schlimmer treffen wird.
ntv.de: Was kommt auf deutsche Unternehmen mit einem US-Präsidenten Donald Trump zu?
Klaus-Jürgen Gern: Mit Donald Trump zieht Unsicherheit ins Weiße Haus ein. Der designierte US-Präsident denkt zwar immer groß. Was davon am Ende tatsächlich umgesetzt wird, steht allerdings in den Sternen. Hinzu kommt: Die Pläne, die bislang bekannt sind, passen nicht wirklich zusammen. Diese Inkonsistenz wird vermutlich auch Trump bald klar werden. Insofern ist unsicher, was von den aktuellen Vorhaben am Ende wirklich umgesetzt wird.
Momentan sehen Trumps Pläne Einfuhr-Zölle in Höhe von zehn Prozent vor. Angenommen, er setzt dieses Vorhaben um: Welche Konsequenzen hat das?
Die USA sind der wichtigste Exportmarkt für Deutschland. Trumps Pläne sind schädlich, aber nicht fatal. Zumal China noch höhere Zölle drohen. Deutsche Firmen konkurrieren in den USA oft mit China. Insofern wären die US-Zölle sogar ein Wettbewerbsvorteil für europäische Unternehmen im US-Markt. Das mildert den Effekt zum einen. Zum anderen dürfte als Reaktion auf die Zölle der US-Dollar aufgewertet werden. Dies mindert den Wettbewerbsnachteil europäischer Unternehmen gegenüber US-Unternehmen. Unseren Berechnungen zufolge werden die zu erwartenden Rückgänge bei den deutschen Exporten nicht dramatisch ausfallen. Die US-Zölle werden die deutsche Wirtschaft nicht in die Krise stürzen.
Wie hoch wäre der Schaden für Deutschland?
Der Schaden beläuft sich nach unseren Berechnungen auf einige wenige Zehntel des Bruttoinlandsprodukts – also im mittleren zweistelligen Milliardenbereich. Einen überschaubaren Zollsatz auf alle Einfuhren bei einem sogar noch höheren Zoll auf einen wichtigen Konkurrenten kann Deutschland gut wegstecken. Problematisch wird es, wenn die EU mit Gegenzöllen reagiert und ein Handelskrieg zwischen den USA und der EU und möglicherweise zwischen den USA und China ausbricht. Zudem nehmen die Streitigkeiten der EU mit China bereits jetzt zu und könnten sich weiter verschärfen. Sollten die Chinesen durch hohe Zölle bei einigen Produkten aus dem US-Markt ausgeschlossen werden, wird das Land probieren, seine Produkte in Europa abzusetzen. Das könnte wiederum Antidumping-Untersuchungen, Straf- oder Ausgleichszölle zur Konsequenz haben. Am Ende würde das Welthandelssystem möglicherweise praktisch komplett ausgehebelt werden und dies hätte tatsächlich gravierende Folgen für die deutsche Wirtschaft.
Wenn vor allem China leidet: Sollte Europa Trump für die US-Zölle nicht dankbar sein?
Es wird sicherlich Exporteure geben, die durch die US-Zölle und einen damit verbundenen Wettbewerbsvorteil gegen China profitieren werden. Gerade Länder mit wettbewerbsfähigen Produktionsstandorten, etwa in Osteuropa, können gewinnen. Bei Ländern wie Deutschland mit einer hohen Kostenstruktur ist das allerdings wohl nicht der Fall. Wenn der US-Markt für China wegfällt, suchen sich chinesische Produzenten neue Abnehmer. Autos von chinesischen Autobauern drängen dann zum Beispiel noch mehr nach Europa. Die Konkurrenz aus Europa sieht sich dann auf dem Heimatmarkt einem größeren Wettbewerb ausgeliefert. Profitieren könnten davon die Verbraucher.
Wie sinnvoll wären Gegenzölle der EU?
Ich würde der Europäischen Union raten, mit den USA eine Verhandlungslösung zu suchen. Die USA können mit Recht darauf verweisen, dass die EU in Teilen protektionistisch ist. So werden Autoexporte aus den USA nach Deutschland mit einem höheren Zoll belegt als andersherum. Vor allem der EU-Agrarmarkt ist besonders abgeschottet. Das ist ein Wirtschaftsbereich, in dem die USA stark exportorientiert sind. Wenn Europa den USA entgegenkommen würde, könnte man vielleicht die Zollerhebung verhindern oder zumindest vermindern. Das wäre vernünftiger als sich ein Beispiel an den Chinesen zu nehmen, die 2018/19 mit eigenen Zöllen reagiert haben und in einen Handelskrieg mit den USA eingetreten sind.
Welche Branchen werden unter potenziellen US-Zöllen besonders leiden?
Besonders betroffen sind die Exportkönige wie die Autoindustrie, der Maschinenbau und die Chemieindustrie, die auch in den USA stark vertreten sind.
Trump plant außerdem die Unternehmenssteuer zu senken. Um Zölle zu umgehen, könnten sich mehr deutsche Unternehmen in den USA ansiedeln. Wie dramatisch wäre das für den Wirtschaftsstandort Deutschland?
Mit verbesserten Investitionsbedingungen will Trump Industrie und Produktion ins Land locken. Von dem Abbau von Regulierungen und Beschränkungen profitieren auch deutsche Unternehmen, die bereits in den USA aktiv sind – und das sind nicht wenige. Mit der Senkung der Unternehmenssteuer wächst der Anreiz, einen Standort in den USA aufzubauen. Schon zuvor haben Unternehmen durch einen US-Sitz versucht, Handelsschranken zu umgehen. BMW produziert einige Modellreihen in den USA und exportiert von dort in die Welt und auch nach Deutschland. Um sich die USA als großen Binnenmarkt zu sichern, könnten sich andere Unternehmen an BMW ein Beispiel nehmen.
Wird die Senkung der Unternehmenssteuer für die deutsche Wirtschaft damit eine größere Herausforderung als neue US-Zölle?
Attraktivere Standortbedingungen durch niedrigere Steuern und geringe Regulierung stärkt die Position der USA im internationalen Standortwettbewerb und kann Investitionen aus Deutschland abziehen. Die Notwendigkeit, wirtschaftspolitisch der Investitionsschwäche in Deutschland gegenzusteuern, die bereits seit einiger Zeit zu verzeichnen ist, würde damit zusätzlich verstärkt.
Wird Trump mit seiner Wirtschaftspolitik erfolgreich sein?
Wenn Donald Trump tatsächlich für einen Konjunkturaufschwung sorgt, geht das mit einer höheren Nachfrage in den USA einher. Die zieht wiederum Importe ins Land – selbst bei höheren Zöllen. Sollte er also wirklich einen Wirtschaftsboom erzeugen, könnte die daraus resultierende steigende Nachfrage auch einen positiven Effekt auf die deutschen Exporteure haben. Das kann aber nicht gelingen, wenn Trump in großem Stil Migranten aus dem Land jagt. Ohne sie ist die mit einem Aufschwung verbundene zusätzliche Produktion angesichts der bereits jetzt niedrigen Arbeitslosigkeit nicht möglich.
Mit Klaus-Jürgen Gern sprach Juliane Kipper
Quelle: ntv.de