Wirtschaft

68.900 offene Ausbildungsplätze Immer mehr Lehrstellen bleiben unbesetzt

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"Die Arbeitgeber müssen jetzt endlich auf alle Jugendlichen zugehen und ihnen attraktive berufliche Perspektiven bieten", so Hans-Jürgen Urban.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Betriebe suchen händeringend Nachwuchs, doch immer weniger junge Leute interessieren sich für eine Berufsausbildung. Die Zahl der geschlossenen Ausbildungsverträge ist zwar minimal gestiegen, das Grundproblem bleibt aber bestehen.

Auf dem Ausbildungsmarkt bewegt sich wenig. Neue Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zeigen zwar ein leichtes Plus bei den geschlossenen Ausbildungsverträgen in diesem Jahr. Doch die grundsätzlichen Probleme im System verschärfen sich weiter: Eine sinkende Zahl junger Menschen interessiert sich für eine Berufsausbildung, während Unternehmen Nachwuchs suchen und immer mehr Stellen nicht besetzen können. "Das ist ein Warnsignal, dass wir dringend mehr junge Menschen in Ausbildung bringen müssen", sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger.

Insgesamt 475.100 neue Ausbildungsverträge wurden in diesem Jahr laut BIBB geschlossen. Das sind zwar 2100 mehr als im vergangenen Jahr, die Experten sprechen bei diesem geringen Anstieg aber von einer Stagnation. Im Vergleich zu 2019, vor Corona, waren es fast 10 Prozent weniger neue Ausbildungsverträge. Das Angebot an Stellen steigt nach dem Corona-Einbruch 2020 seit dem vergangenen Jahr wieder an und lag in diesem Jahr bei 544 000. Dem standen 535.000 junge Leute gegenüber, die an einer Ausbildung interessiert waren (erfolgreiche und erfolglose Bewerber). Die Zahl der Ausbildungsinteressierten sinkt allerdings seit Jahren. Unternehmen haben zunehmend Probleme, Nachwuchs zu finden.

Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen ist 2022 den Angaben zufolge nun im dritten Jahr in Folge gestiegen und erreichte mit 68.900 erneut einen Höchststand. "Damit wird die Entwicklung der stetig steigenden Besetzungsprobleme fortgesetzt", heißt es. Die Gewinnung von Jugendlichen für eine duale Ausbildung bleibe eine der zentralen Herausforderungen zur Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs, sagte BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser. Bau und Handwerk suchen besonders. Als eine Ursache für die Entwicklung wird neben der "generellen Attraktivität" der Berufsausbildung die demografische Entwicklung genannt. Verwiesen wird auf sinkende Schulabgängerzahlen.

Wirtschaft fordert bessere Schulbildung

Probleme, junge Leute zu finden, hatten auch in diesem Jahr vor allem Unternehmen im Handwerk und im Baugewerbe, während Bewerber in kaufmännischen oder Medienberufen auf der anderen Seite auch erfolglos blieben. Auch regional gibt es Unterschiede: So wurde in Bayern oder Thüringen ein rechnerisches Überangebot an Stellen festgestellt, in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg gab es dagegen mehr Interessierte als Plätze. Aus der Wirtschaft kamen Klagen über schlecht ausgebildete Schulabgänger. Viele Ausbildungsplätze könnten nicht besetzt werden, weil Schülerinnen und Schülern die notwendigen Kompetenzen in Kernfächern wie Deutsch und Mathematik nicht ausreichend vermittelt worden seien, sagte Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander.

"Hier muss die Politik endlich ihre Verantwortung wahrnehmen und das Grundrecht auf schulische Bildung sowie Bildungsmindeststandards gewährleisten." Die Gewerkschaften sehen die Verantwortung bei den Unternehmen: "Die Arbeitgeber müssen jetzt endlich auf alle Jugendlichen zugehen und ihnen attraktive berufliche Perspektiven bieten. Die Rosinenpickerei der Unternehmen auf dem Ausbildungsmarkt kann sich das Land nicht mehr leisten", sagte Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall.

Erneuert wurde von IG Metall und Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) auch die Forderung nach einer Ausbildungsgarantie, an deren Finanzierung sich Betriebe, die nicht ausbilden, beteiligen sollen. Die Regierung müsse das im Koalitionsvertrag festgehaltene Vorhaben zügig auf den Weg bringen, sagte Elke Hannack, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

Quelle: ntv.de, Jörg Ratzsch, dpa

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