"Rezessionsgefahr steigt" Industrie leidet unter Auftragsschwund
05.07.2019, 13:25 Uhr
Zollkonflikte und die lahmende Autoindustrie wirken sich negativ auf die deutsche Wirtschaft aus.
(Foto: picture alliance/dpa)
Nach einem mauen Jahresabschluss gewinnt die deutsche Industrie zunächst an Tempo. Die aktuellen Konjunkturzahlen bewegen sich jedoch wieder in die andere Richtung. Von einer prognostizierten Trendwende im zweiten Halbjahr nehmen Experten mittlerweile Abstand.
Die Industrie kämpft mit einem Auftragsschwund und lässt die Hoffnung auf ein rasches Ende der Talfahrt in dem wichtigen Wirtschaftssektor schwinden. Das Neugeschäft im Verarbeitenden Gewerbe sank im Mai um 2,2 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das Bundeswirtschaftsministerium sprach von einem spürbaren Rückgang, nachdem sich die Auftragseingänge zuletzt auf niedrigem Niveau stabilisiert hatten. Der Industrie machen neben Zollkonflikten, die lahmende Autoindustrie sowie Unsicherheiten in Politik und Wirtschaft zu schaffen.
"Die Bestellungen aus dem Ausland sinken deutlich", sagte Kevin Heidenreich vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Dies gilt als schlechtes Omen für die Aussichten der angeschlagenen deutschen Volkswirtschaft. Im Sommer 2018 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent geschrumpft. Danach stagnierte die Wirtschaft, bevor sie zu Jahresbeginn wieder Fahrt aufnahm. Doch Forschungsinstitute haben ihre Prognosen für 2019 mittlerweile reihenweise gekappt. Und auch die Bundesregierung erwartet nur noch ein mageres Plus von 0,5 Prozent.
Kaum Hoffnung auf Wende im zweiten Halbjahr
Doch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer weist daraufhin, dass nahezu alle Konjunkturprognosen davon ausgehen, dass die Wirtschaft im zweiten Halbjahr ihre aktuelle Schwäche überwinden wird: "Aber von einer Wende zum Besseren ist bisher nichts zu sehen." Auch Volkswirt Carsten Brzeski von der Direktbank ING schlägt skeptische Töne an: "Die verheerenden Auftragsdaten lassen die Hoffnung auf eine konjunkturelle Wende in der Industrie platzen."
Zuletzt mehrten sich bereits die Hiobsbotschaften in Schlüsselbranchen der deutschen Wirtschaft: Die Autobauer rechnen für dieses Jahr mit einem Rückgang des Neugeschäfts von einem Prozent auf ihrem Heimatmarkt. Und die stark exportorientierten Maschinenbauer erwarten für 2019 einen Rückgang der Produktion um zwei Prozent. Dies gelte trotz der hohen Auftragsbestände, die im April für 8,5 Monate reichten, erläuterte VDMA-Präsident Carl Martin Welcker jüngst. Denn diese seien über Firmen und Branchen ungleich verteilt und könnten "das starke Minus im Auftragseingang" bis zum Jahresende nicht komplett abpuffern.
Maschinenbauer spüren Handelskonflikt
Die überwiegend mittelständisch orientierte Branche mit mehr als einer Million Beschäftigten gilt als Rückgrat der Wirtschaft. Die Maschinenbauer spüren laut Welcker neben den Folgen des Handelskonflikts auch die Umwälzungen der Autoindustrie. "Die Entwicklung der Auftragseingänge kann hinsichtlich ihrer Bedeutung nicht hoch genug eingestuft werden", meint Ökonom Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank, der "steigende Rezessionsgefahren für die deutsche Volkswirtschaft" wittert. Bei zurückgehenden Auftragseingängen habe die Industrie weniger zu produzieren und letztlich leide auch die Beschäftigung darunter. "Steigt die Arbeitslosenquote, färbt dies auch negativ auf den privaten Konsum ab. Von dieser Spirale nach unten ist die Volkswirtschaft teilweise schon erfasst."
Die Stimmung der Verbraucher hatte sich zuletzt eingetrübt, wobei laut den Nürnberger Marktforschern der GfK auch die Furcht vor Jobverlust eine Rolle gespielt haben dürfte - etwa bei Beschäftigten in der Autoindustrie und deren Zulieferern. Und die Bundesagentur für Arbeit bereitet sich bereits auf einen Anstieg der Kurzarbeit in verschiedenen Industriebranchen vor.
Quelle: ntv.de, jpe/rts