Wirtschaft

Spekulationen über Verkauf Karstadt steht vor dem Abgrund

Karstadt-Eigentümer Berggruen soll bereits über einen Verkauf an die österreichische Investorengruppe Signa verhandeln.

Karstadt-Eigentümer Berggruen soll bereits über einen Verkauf an die österreichische Investorengruppe Signa verhandeln.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wie es und ob es mit der traditionsreichen Warenhauskette Karstadt weitergeht, ist derzeit unsicherer denn ja. Experten berichten von einem Investitionsstau in Milliardenhöhe. Die 17.000 Mitarbeiter bangen um ihre Arbeitsplätze. Informiert werden sie bisher nicht.

Karstadt zwischen Hoffen und Bangen: Vier Jahre nach seinem Einstieg bei der Essener Warenhauskette steht der einst als Retter gefeierte Investor Nicolas Berggruen vor einem Scherbenhaufen. Der plötzliche Abgang der erst vor knapp fünf Monaten angetretenen Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt hat offensichtlich gemacht, wie prekär die Lage des Traditionsuntenehmens nach wie vor ist. Die 17.000 Mitarbeiter bangen um ihre Zukunft.

Während das Unternehmen auf alle Anfragen mit beharrlichem Schweigen reagiert, machen Spekulationen die Runde. Laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung soll Karstadt-Eigentümer Berggruen bereits über einen Verkauf an die österreichische Investorengruppe Signa verhandeln. Die Signa-Gruppe des Tiroler Unternehmers René Benko soll früheren Medienberichten zufolge eine Option haben, die Mehrheit an den 83 regulären Karstadt-Warenhäusern zum symbolischen Preis von einem Euro zu übernehmen.

Sollte es dazu kommen, wäre Karstadt fast gänzlich in der Hand des Österreichers, der bereits die Mehrheit an Filetstücken hat sowie dem operativen Geschäft von Karstadt Sports und den drei Luxuswarenhäusern in Berlin, Hamburg und München. Auch gehören Benko zahlreiche Karstadt-Immobilien.

"Sanierungsbemühungen sind verpufft"

Ob und wann Benko die Option zieht, blieb zunächst unklar. Sowohl Karstadt, als auch Berggruen und Benko waren zunächst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Signa lehnte eine Stellungnahme ab. Beim Bundeskartellamt ist nach Aussage eines Sprechers keine Übernahme von Karstadt-Warenhäusern angemeldet.

Doch Fachleute wie der Handelsexperte Thomas Roeb sind skeptisch: "Die Übernahme von Karstadt macht für Benko nur dann Sinn, wenn er daran glaubt, dass Karstadt sich sehr schnell grundlegend sanieren lässt, wofür aber im Moment wenig spricht", sagt er. Fest steht: Die Sanierungsbemühungen der vergangenen Jahre sind zum großen Teil verpufft. "Die Häuser, die wir saniert haben, funktionieren nicht besser als die Häuser, die wir nicht saniert haben", gestand Berggruen selbst schon vor einigen Monaten.

Doch stand nach Einschätzung vieler Branchenkenner ohnehin nicht annähernd genug Geld für eine erfolgreiche Neuausrichtung zur Verfügung. Der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein schätzt, dass in den 83 Warenhäusern des Konzerns inzwischen ein Investitionsstau von mindestens 1,5 Milliarden Euro entstanden ist. "Berggruen hätte wahrscheinlich sein gesamtes Vermögen investieren müssen, um Karstadt fit zu machen für das Internetzeitalter. Was er im Übrigen ja immer noch tun könnte nach Vorbild der US-Warenhauskonzerne, wenn er es wirklich ernst meinen würde", meint er. Schließlich gehe es darum, in den Geschäften ein überzeugendes Einkaufserlebnis zu bieten und gleichzeitig mit zukunftsfähigen Systemen stationären Handel und Online-Geschäft wirkungsvoll zu verknüpfen.

Verunsicherung im Unternehmen ist groß

Dass Warenhäuser auch heute noch in Deutschland erfolgreich agieren können, wenn genug investiert wird und das Management stimmt, zeigt der Rivale Kaufhof. Während Karstadt rote Zahlen schreibt, gelingt es der Metro-Tochter, sich erfolgreich auf dem hartumkämpften Markt zu behaupten. Doch Kaufhof-Mutterkonzern Metro steht nicht als Retter für den kriselnden Rivalen bereit. "Karstadt ist für uns überhaupt kein Thema", betonte Metro-Chef Olaf Koch. Dabei galt eine Fusion von Kaufhof und Karstadt zu einer Deutschen Warenhaus AG noch vor einigen Jahren unter vielen Handelsexperten als naheliegende Antwort auf die Probleme der Vertriebsschiene, der Konkurrenten wie H&M und Zara, aber auch der boomende Online-Handel zu schaffen machen.

Umso schwerer wiegt der überraschende Abgang an der Karstadt-Spitze. "Bei Karstadt fehlt jetzt der erfahrene Manager, den man meines Erachtens bräuchte, um die anstehenden Sanierungsanstrengungen nicht nur durchzuziehen, sondern auch der Öffentlichkeit gegenüber plausibel zu machen", meint Roeb. Einen Nachfolger außerhalb des Konzerns zu finden, dürfte nach dem lautem Abgang Sjöstedts allerdings schwer sein. Laut "Bild"-Zeitung steht die Aufgabe Sjöstedts im Zusammenhang mit den Verhandlungen zwischen Berggruen und Benko.

Die Verunsicherung im Unternehmen sei groß, sagte Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt. Informationen seitens der Eigentümer gebe es nicht. "Ich will wissen, was die Hintergründe des Rücktritts von Frau Sjöstedt sind und was auf uns zu kommt", sagte Patzelt, der zugleich auch stellvertretender Aufsichtsratschef ist. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Antworten zu bekommen. Ich muss wissen, was das für die Mitarbeiter heißt." Er erwarte, dass die Arbeitsplatzsicherheit im Vordergrund stehe.

Insider: Weihnachtsgeschäft ist gesichert

Ungeachtet aller Spekulationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ist das Geschäft Insidern zufolge zunächst gesichert. Verabredungsgemäß fließen zudem in den nächsten Wochen weitere Mittel von Benko, wie eine mit Karstadt vertraute Person sagte. "Diese Tranche spielt eine entscheidende Rolle und sichert das Weihnachtsgeschäft ab", sagte der Insider. "Karstadt ist ein Sanierungsfall aber nicht pleite."

Dass sich kurzfristig ein neuer Vorstand finden lasse, bezweifelt der Insider. Möglicherweise werde auf der Aufsichtsratssitzung Ende Juli darüber entschieden, einen neuen Sanierungsexperten zu verpflichten.

Schon wird spekuliert, dass Aufsichtsratschef  Stephan Fanderl im Chefsessel Platz nehmen könnte. Anders als Sjöstedt, die offensichtlich auf eine "sanfte Sanierung" setzte, hat Fanderl allerdings bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass er auch zu schmerzhaften Einschnitten bereit wäre. Schon zum Jahresanfang verlangte er in einem Interview: Alle Filialen müssten auf den Prüfstand gestellt und schmerzhafte Konsequenzen bis hin zur Schließung dürften nicht ausgeschlossen werden.

Quelle: ntv.de, kst/dpa/rts

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