Deutschland könnte leer ausgehen Katar und China schließen Mega-LNG-Deal
22.11.2022, 13:29 Uhr
Der Emir von Katar, Scheich Tamin bin Hamad Al Thani, und Chinas Staatschef Xi Jinping 2019.
(Foto: picture alliance / newscom)
Katar zieht den "längsten Vertrag in der Geschichte der LNG-Industrie" an Land: 27 Jahre lang beliefert das Emirat China mit insgesamt 108 Millionen Tonnen Flüssiggas. Deutschland steckt bei den Verhandlungen mit Katar in einem schwierigen Dilemma.
Katar und China haben ein langfristiges und umfangreiches Gasabkommen unterzeichnet. Das staatliche Unternehmen Qatar Energy werde jährlich vier Millionen Tonnen Flüssiggas (LNG) in die Volksrepublik liefern, teilte der Konzern mit. Der Vertrag läuft über 27 Jahre und ist damit laut Energieminister und Qatar-Energy-Chef Saad Scherida Al-Kaabi der "längste" Vertrag in der Geschichte der LNG-Industrie.
Das Gas soll aus dem östlichen North Field vor der Küste des Landes kommen und an den chinesischen Konzern Sinopec gehen. Sinopec erklärte, der Konzern wolle zudem einen Anteil am südlichen North Field übernehmen. Die westlichen Energiekonzerne Shell, TotalEnergies und ConocoPhillips halten daran bislang einen Anteil von 25 Prozent.
Die Qatar Energy und Sinopec hatten bereits im März 2021 ein erstes Gaslieferabkommen unterzeichnet, das über zehn Jahre läuft. Katar ist nach Angaben des Energieberatungsunternehmens Enervis der weltgrößte Exporteur von Flüssiggas und will die Produktion von LNG bis 2027 um 60 Prozent steigern. Dann will das Land 126 Millionen Tonnen jährlich herstellen. Das reiche Emirat verfügt nach Russland und dem Iran über die drittgrößten Gasreserven weltweit. Katar teilt sich mit dem Iran das weltweit größte Gasfeld, das vor der Küste des Landes liegt.
Deutschland im Dilemma
Der allergrößte Teil des Exports geht nach Asien, bislang vor allem nach Japan, Südkorea und Indien. Seit Beginn des russischen Krieges in der Ukraine fragen auch Deutschland und andere europäische Länder verstärkt LNG nach. Solch langfristige Verträge wie China wollen sie aber nicht abschließen, weil LNG lediglich als Übergangsenergiequelle dienen soll. Auf dem Markt sind Laufzeiten von 20 Jahren üblich, wie Sebastian Gulbis, Partner beim Energieberatungsunternehmen Enervis, gegenüber ntv.de erklärt. Verträge mit Laufzeiten von mehr als zehn Jahren seien dominant.
"Dies kollidiert aus deutscher Sicht unmittelbar mit den ambitionierten Dekarbonisierungszielen Deutschlands, welche in den nächsten 20 Jahren eine massive Reduktion des Erdgasverbrauches vorsehen, im Ziel sogar innerhalb von 20 Jahren auf null", sagt Gulbis. "Der Abschluss eines größeren Vertrages mit einer Laufzeit von mehr als zehn Jahren könnte für Deutschland daher das Risiko bergen, zu viel Gas kontrahiert zu haben." Deutschland und Katar schlossen im Mai eine Energiepartnerschaft. Damals hieß es, Katar könnte schon 2024 Flüssiggas nach Deutschland liefern. Allerdings ist bislang unklar, wann ein Lieferabkommen tatsächlich geschlossen werden kann.
Katar könnte auf Deutschland als Kunden verzichten
Katars Deal mit China verdeutlicht in Gulbis' Augen Deutschlands Risiko, "dass Katar in der derzeitigen angespannten Situation möglicherweise ausreichend Abnehmerländer findet, welche bereit sind, Verträge mit einer solchen langen Laufzeit abzuschließen - und für Deutschland nichts mehr übrig bleibt". Dieser Umstand verbessere Katars Verhandlungsposition in den derzeitigen Gesprächen enorm. Im schlimmsten Fall müsse Deutschland sich darauf vorbereiten, LNG in größerem Umfang am kurzfristigen Spotmarkt zu beschaffen. Das würde Risiken für die Versorgungssicherheit bedeuten, denn die Mengen müssten dann am kurzfristigen Markt auch verfügbar sein. Hinzu kämen die kurzfristigen Preisschwankungen am Spotmarkt, wobei extreme Preisaufschläge möglich sind.
"In Summe bedeutet dies für Deutschland eine mittelfristige starke Reduktion des Erdgasverbrauches, zum Beispiel durch den massiven Einbau von Wärmepumpen oder Effizienz- und Sanierungsmaßnahmen sowie den Einsatz von Wasserstoff", resümiert Gulbis. Ironisch dabei sei, dass ein sinkender Verbrauch die Gegensätze in den Verhandlungen mit Katar weiter verschärfen würde. "Dieser Widerspruch lässt sich letztlich kaum auflösen."
Quelle: ntv.de, chl/AFP/dpa