Wirtschaft

"Quick Commerce" schwächelt Lieferdienst Getir streicht jede neunte Stelle

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In großen deutschen Städten gehören die Fahrer von Getir fest zum Straßenbild.

In großen deutschen Städten gehören die Fahrer von Getir fest zum Straßenbild.

(Foto: picture alliance/dpa)

Binnen Minuten liefert der Lieferdienst Getir Lebensmittel an die Haustüre - ein während der Corona-Pandemie beliebt gewordener Service. Doch Corona ist vorbei und richtig viel Geld lässt sich wegen hoher Kosten nicht verdienen. Die Übernahme von Konkurrent Gorillas dürfte nun 2500 Mitarbeiter den Job kosten.

Der Lebensmittel-Lieferdienst Getir will sich von rund 2500 Mitarbeitern trennen. Das teilte das Unternehmen mit. Demnach beschäftigt das Unternehmen zurzeit etwa 23.000 Menschen in fünf Ländern, es soll also in etwa jeder neunte Arbeitsplatz wegfallen. Wie sich die Stellenstreichungen auf die Länder verteilen, teilte das Unternehmen nicht mit.

Es gehe darum, die Effizienz deutlich zu erhöhen, begründete das Unternehmen die Kürzungen. "Entscheidungen wie diese werden nie leichtfertig getroffen", erklärte Getir. Damit sei kein weiterer Rückzug aus einem der verbleibenden fünf Länder verbunden. Getir bleibe in der Türkei, Großbritannien, Deutschland, den Niederlanden und den USA vertreten.

Der türkische Lieferdienst ist im "Quick-Commerce"-Bereich tätig, bei dem sich Kundinnen und Kunden per App Supermarktprodukte innerhalb kurzer Zeit an die eigene Haustür liefern lassen können. In der Corona-Pandemie boomte dieses Geschäft, vor allem junge Menschen in Großstädten nutzten die neuen Liefermöglichkeiten, danach ging das Interesse spürbar zurück.

Mit Übernahme verhoben?

Die teils rasant fahrenden Lieferanten auf ihren Fahrrädern sorgten in den Städten zunehmend für Diskussionen um die Sicherheit für Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer. Zudem gab und gibt es viel Kritik an den Arbeitsbedingungen für die Lieferanten.

Erst vor wenigen Wochen hatte Getir mitgeteilt, dass sich der Lieferdienst aus Spanien, Portugal und Italien komplett zurückziehen will. Damit könne man die Finanzmittel auf die bestehenden Märkte konzentrieren, in denen die Chancen auf Gewinne und nachhaltiges Wachstum größer seien, hieß es damals. 96 Prozent der Umsätze stammten ohnehin aus den fünf Kernmärkten. Wie viele Stellen dadurch gestrichen wurden, wurde nicht bekannt. Damals hieß es, das Unternehmen wolle das Geschäft in Europa vor allem auf Deutschland konzentrieren.

In Deutschland hatte Getir vor einiger Zeit den Wettbewerber Gorillas übernommen. Laut Webseite liefert die Marke Gorillas derzeit in mehr als 20 deutschen Städten Lebensmittel aus, die Marke Getir fährt laut ihrem Online-Auftritt durch zehn deutsche Städte. Ob sich der Lieferdienst nun aus einzelnen deutschen Städten zurückziehen wird, ging aus der Unternehmensmitteilung nicht hervor. Angesichts der hohen Zahl an Stellen, die wegfallen sollen, ist das aber wahrscheinlich.

Einem Bericht von "Gründerszene" und "Business Insider" zufolge spielt auch die Gorillas-Übernahme eine Rolle bei den Stellenstreichungen: "In Gesprächen äußerten mehrere Personen aus dem Unternehmensumfeld von Getir den Verdacht darüber, dass man angesichts der tatsächlichen Zahlen von Gorillas im Nachhinein einen zu hohen Preis für das Unternehmen bezahlt habe." Daher seien Sparmaßnahmen nötig.

Getir hat mit wachsender Konkurrenz zu kämpfen

Um die weitere Finanzierung des Startups ranken sich seit Monaten Spekulationen. Ende Juli hatte Getir davon gesprochen, eine Finanzierungsrunde stehe kurz vor dem Abschluss. In der Mitteilung vom Dienstag ist davon nicht mehr die Rede.

Das Quick-Commerce-Geschäft gilt insgesamt als umstritten. Skeptiker monieren vor allem hohe Kosten bei vergleichsweise wenig Gewinn. So müssen Konzerne wie Delivery Hero mit Sitz in Berlin für die zentral gelegenen Warenhäuser zum Beispiel hohe Mieten zahlen. Nur durch besonders attraktive Standorte können Kuriere die Waren aber in kurzer Zeit zu den Kunden ausliefern. Zusätzlich gaben die Konzerne viel Geld für Werbung aus, um Kunden überhaupt erst auf das neue Angebot aufmerksam zu machen.

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In den vergangenen Monaten hat Getir trotz des so schon schwierigen Geschäfts weitere Konkurrenz bekommen. Der eigentlich auf Restaurant-Lieferungen spezialisierte Dienst Lieferando hat inzwischen ebenfalls Lebensmittel und Haushaltsprodukte ins Angebot aufgenommen - etwa per Kooperation mit Getir. Auch ursprünglich auf die Lieferung von Getränken ausgerichtete Dienste bieten immer öfter eine große Palette an Lebensmitteln und Snacks an.

Große Margen versprechen die schnellen Lieferungen nicht, entsprechend genau wird bei den Unternehmen auf die Kosten geschaut. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten kritisiert regelmäßig, dass ausgerechnet bei der Bezahlung der Fahrer gespart wird. Die "Rider" von Lieferando rief die Gewerkschaft im April erstmals zum Streik auf. Auf einen Tarifvertrag konnten sich beide Seiten bisher nicht einigen.

Quelle: ntv.de, jog/dpa/rts/AFP

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