Wirtschaft

Klimabonus statt Energiesparen Linken-Chef weist "Verzichtspropaganda" zurück

Schirdewan fordert einen "sozialen Klimabonus" für Einkommensschwache.

Schirdewan fordert einen "sozialen Klimabonus" für Einkommensschwache.

(Foto: dpa)

Die Bundesregierung ruft die Bürger zum Energiesparen auf. Die Linke hält das für den falschen Ansatz und fordert stattdessen Hilfe für Einkommensschwache. DIW-Chef Fratzscher warnt gar vor Protesten wie der "Gelbwesten" in Frankreich.

Linken-Chef Martin Schirdewan hat sich gegen Appelle der Bundesregierung gewandt, angesichts der Gaskrise den privaten Energieverbrauch einzuschränken. "Ich rate den Leuten, nicht auf die Verzichtspropaganda hereinzufallen", sagte er den Funke-Zeitungen. "Es kann nicht darum gehen, weniger zu heizen oder kälter zu duschen."

Stattdessen forderte Schirdewan eine gezielte Unterstützung einkommensschwacher Haushalte. Diese sollten einen "sozialen Klimabonus" bekommen, der bei einem Grundbetrag von 125 Euro im Monat liege und für jedes weitere Haushaltsmitglied um 50 Euro aufgestockt werde. Außerdem sprach er sich für eine Deckelung der Energiepreise aus, "damit die Leute im nächsten Winter noch heizen und Fernsehen gucken können". Zur Finanzierung regte der neue Parteichef eine Übergewinnsteuer an. "Wir müssen bei den Ölmultis und Gaskonzernen die Krisenprofite abschöpfen", sagte er. "Das machen selbst neoliberale Länder wie Großbritannien."

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte in der Debatte um die Energieversorgung vor einer "sozialen Zerreißprobe". Bewegungen wie die "Gelbwesten" in Frankreich seien auch in Deutschland möglich, sagte Fratzscher dem "Handelsblatt". "Die gegenwärtige Krise könnte der letzte Tropfen sein, der das Fass der zunehmenden sozialen Spaltung zum Überlaufen bringt." Der DIW-Chef forderte höhere Löhne und eine dauerhafte Anhebung der Sozialleistungen. Die Politik sollte nicht versuchen, "mit Placebos wie Einmalzahlungen Menschen ruhig zu stellen".

Netzagentur ruft erneut zum Sparen auf

Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller erneuerte dagegen mit Blick auf eine drohende Mangellage in Herbst und Winter den Aufruf, Energie und damit Gas zu sparen. "Jede noch so kleine Maßnahme zählt", sagte er dem "Focus". "Ich verstehe, dass da manche jetzt drüber lachen. Wenn sie die nächste Gasrechnung bekommen, wird ihnen das Lachen aber vergehen."

Sollte die Bundesregierung die dritte und letzte Stufe im Notfallplan Gas ausrufen, agiert die Bundesnetzagentur als Bundeslastverteiler - sie entscheidet also, wer wie viel Gas bekommt. Sogenannte geschützte Kunden, darunter auch private Haushalte, haben dann Vorrang. Viele Unternehmen, etwa in der Industrie, erhalten dann aber möglicherweise kein Gas mehr. "Wer nicht aus Solidarität oder im Sinne des Klimaschutzes Gas sparen will, sollte an die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes denken", sagte Müller.

Verschärft wird die Debatte durch die Angst um ein Ende der Gaslieferungen aus Russland. Am Montag sollen jährliche Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1 beginnen, die in der Regel zehn Tage dauern. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.

Quelle: ntv.de, chl/AFP/dpa

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