Wirtschaft

Cryan will Chef bleiben Luftanhalten bei der Deutschen Bank

Wer hat Schuld an der Dauermisere der Deutschen Bank? Hat Aufsichtsratschef Achleitner den Vorstandvorsitzenden Cryan vorgeschoben?

Wer hat Schuld an der Dauermisere der Deutschen Bank? Hat Aufsichtsratschef Achleitner den Vorstandvorsitzenden Cryan vorgeschoben?

(Foto: picture alliance / Boris Roessle)

Die Botschaft des obersten Deutschbankers an die Beschäftigen kommt überraschend: Der angebliche Führungsstreit scheint beendet. Cryan demonstriert Loyalität mit seinem Aufsichtsratschef Achleitner. Wie lange wird der Frieden wohl halten?

So schnell geht es manchmal. Der Führungsstreit bei der Deutschen Bank ist gerade voll entbrannt, da ist er auch schon wieder vorbei. Es ist der oberste Deutschbanker höchstselbst, der für die vermeintliche Ruhe sorgt. Statt seines erwarteten Abgangs verkündet John Cryan den Mitarbeitern in einem Schreiben, dass er weitermachen werde. "Ich möchte Ihnen versichern, dass ich mich weiterhin mit all meiner Kraft für die Bank einsetze und gemeinsam mit Ihnen den Weg weitergehen möchte, den wir vor rund drei Jahren angetreten haben."

Deutsche Bank
Deutsche Bank 29,87

Der Vorstand wolle sich darauf konzentrieren, die mit dem Aufsichtsrat abgestimmte Strategie umzusetzen. "Hier gibt es keinen Dissens", lässt der Brite wissen. Dass sich der Bankchef selbst an die Beschäftigten wendet, hat einen Grund: Angeblich soll es Zoff zwischen ihm und Aufsichtsratschef Paul Achleitner über den weiteren Sanierungskurs gegeben haben. Cryan will bei den Beschäftigten und der Öffentlichkeit um Vertrauen werben, indem er Einigkeit der Führungsriege demonstriert.

Woher der plötzliche Sinneswandel nach anderthalb Tagen Wirbel rührt, verrät er in seiner "Nachricht zur aktuellen Lage" nicht. Ein Zerwürfnis von Aufsichtsratschef Achleitner und Bankchef Cryan wird schon länger kolportiert. Dass es Streit gegeben hat, dementiert der Vorstandschef zumindest nicht.

Niemals beste Freunde

Ausgelöst hatte die Führungsdebatte laut der britischen Zeitung "Times" ein Streit über die Zukunft des Investmentbankings. Cryan wollte demnach die Sparte, die die Bank seit Jahrzehnten schröpft, schrumpfen. In guten Jahren hatten die Investmentbanker noch zwei Drittel der Erträge der Deutschen Bank beigesteuert. Im vergangenen Jahr war es gerade mal noch so viel wie Privat- und Firmenkundenberater sowie Vermögensverwalter zusammen reinbringen. Eine geringere Abhängigkeit vom extrem schwankenden Investmentbanking könnte ein durchaus gangbarer Weg sein, die Bank zu sanieren. Achtleitner will an dieser Sparte aber nicht rütteln.

Jeder, der auf Cryan folgt, dürfte das Thema wieder aufs Tapet bringen. Mit einem Neuen an der Spitze ist Achleitner also nicht gedient. Umgekehrt weiß Cryan, der offen Lust auf mehr bei der Deutschen Bank bekundet hat, dass jeder Vorstandsvorsitzende an Achleitner vorbei muss. Da dieser im Ruf steht, in Strategiefragen besonders beharrlich zu sein, wird es auch sein Nachfolger nicht leicht haben. Der Deutschen Bank wäre also auch nicht mit einem Wechsel gedient. Ein Abgang Cryans würde zudem auch Achleitner beschädigen, der den als Sanierer geschätzten ehemaligen UBS-Finanzchef selbst zur Deutschen Bank geholt hat.

Wie lange dieser Frieden hält, muss sich zeigen. Tiefpunkte in seiner Karriere hat Achleitner bisher gut weggesteckt. Aber auch er gilt inzwischen nicht mehr als unumstritten. Ungemütlich war es zuletzt für ihn im Frühjahr 2016, als Großinvestoren ihm vorwarfen, zu lange am Führungsduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen festgehalten zu haben. Auch deshalb hat er sich mit Cryan wohl entscheidungsfreudiger gezeigt. Achleitner hat bislang alle überdauert.

Trotzdem hat der Chefaufseher der Deutschen Bank bislang wenig Glück gebracht. Unter der Ägide Achleitners ist der Aktienkurs in den vergangenen fünf Jahren um rund 55 Prozent eingebrochen. Deshalb muss auch er sich die Fragen gefallen lassen, woher die Kursverluste und die Ertragsmisere rühren. Und ob die Führung insgesamt noch richtig aufgestellt ist. Fragen, die sich vor allem Cryan in den vergangenen Tagen gefallen lassen musste.

Die Führungsriege scheint begriffen zu haben, dass sie die Debatte um einen Wechsel an der Spitze zu früh losgetreten hat. Cryan, der ausdrücklich als Übergangskandidat geholt wurde, hat sein Werk noch nicht beendet. "Einen Öltanker zu wenden, benötigt seine Zeit", hatte der Deutschbanker erst kürzlich auf einer Veranstaltung in Austin, Texas gesagt. Regulär endet sein Vertrag 2020.

Angriff ist die beste Verteidigung

Die Bank geht mit dem Schreiben in die Offensive. Mit dem Führungsstreit hat sie in den vergangenen Tagen viel Kritik geerntet. Nicht nur Großaktionäre hielten den Zeitpunkt der Debatte für verfrüht. Auch aus dem Vorstand sollen entsprechende Äußerungen nach außen gedrungen sein. Die Sanierung sei noch nicht abgeschlossen, gab der Bankenexperte Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim zu bedenken. Ein möglicher Cryan-Nachfolger müsste die Mitarbeiter motivieren und ihnen eine Perspektive bieten. "Doch dazu sind im Moment noch zu viele Baustellen offen."

Auch die Berliner Politik hatte sich angesichts des Wirbels kritisch geäußert. Als "alles andere als positiv", bezeichnete SPD-Wirtschaftspolitiker Bernd Westphal die Situation. Das Management der Deutschen Bank muss seinen Job machen, für den es bezahlt wird. Wer 2,3 Milliarden Euro Boni ausschüttet, muss auch liefern."

Die Stimmung in der Öffentlichkeit drohte zudem innerhalb von zwei Tagen zugunsten Cryans und gegen Achleitner umzuschlagen. Auch das könnte der Schuss vor den Bug gewesen sein und die Motivation gesteigert haben, es noch einmal miteinander zu versuchen. Die Bank liege "gut auf Kurs", müsse erzielte Fortschritte aber besser zur Schau stellen", heißt es in Cryans Schreiben an die Mitarbeiter. Man könnte ergänzen: und weniger die internen Streitigkeiten. Auf Harmonie gebürstet mutet deshalb auch die Ankündigung an, es werde in den nächsten Monaten "gute Nachrichten" zur Integration der Postbank in das Privat- und Firmenkundengeschäft der Deutschen Bank geben.

Ende April legt die Deutsche Bank die Ergebnisse fürs erste Quartal vor. Bis dahin dürfte es wohl eine Atempause geben. Spannend wird, ob sich Achleitner noch äußern wird. Er schweigt bislang.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen