Mit Robotik und AutomatisierungSo trotzt Knuspr dem Lieferdienst-Kollaps

Während viele Schnelllieferdienste den deutschen Markt verlassen, behauptet sich Knuspr. Das Startup kombiniert lokale Produkte mit KI-gestützter Logistik. Im Interview erklärt Geschäftsführer Olin Novak, warum ohne Automatisierung in der Branche an Wachstum nicht mehr zu denken ist.
ntv.de: Die Zeiten, in denen Schnelllieferdienste die Shootingstars der Startup-Szene waren, sind inzwischen vorbei. Gorillas und Getir haben den deutschen Markt verlassen. Wieso hat Knuspr bislang überlebt?
Olin Novak: Knuspr verfolgt einen ganz anderen Ansatz als Gorillas und Getir. Wir beliefern unsere Kunden aus einem Logistikzentrum pro Stadt. Darüber hinaus heben wir uns auch durch unser Angebot ab. Bei Knuspr können Kunden aus bis zu 19.000 superlokalen Artikeln wählen. Wir bringen ihnen die Produkte, die sie normalerweise mühsam selbst in der Stadt zusammensuchen müssten - etwa in mehreren Supermärkten, der Apotheke, im Hofladen oder beim Metzger und Bäcker um die Ecke. Hinzu kommt: Wir liefern in drei Stunden. Diese ganzen Besorgungen selbst zu machen, würde viel länger dauern.
Was verstehen Sie unter "superlokalen Produkten"?
Mit "superlokal" meine ich, dass wir wirklich Produkte aus unmittelbarer Nähe unseres Lagers beziehen. Der Gemüsehof Reinheimer im Rhein-Main-Gebiet liegt nur rund drei Kilometer entfernt von unserem Logistikstandort in Bischofsheim. Wir helfen also direkt, diese Landwirte mit den Kunden zu verbinden. So tragen wir dazu bei, eine starke lokale Wirtschaft aufzubauen, anstatt große Mengen quer durch Europa zu transportieren.
Knuspr setzt in seinen Lagern in Berlin und München auf Roboter. Einige Wettbewerber nutzen ebenfalls Robotik und optimieren ihre Prozesse durch Softwareanwendungen. Worin liegt der technologische Vorteil Ihres Ansatzes?
Unsere Konkurrenten beziehen ihre Technologie von Drittanbietern. Knuspr hingegen hat mit der Software Veloq seine eigene KI-gesteuerte End-to-End Plattform entwickelt. Unsere Produktivität hat sich dadurch bereits um 20 Prozent gesteigert, und wir optimieren unsere Abläufe kontinuierlich weiter. Und nicht nur das: Wir sind fest davon überzeugt, dass Veloq tatsächlich auch eine Lösung für andere Einzelhändler weltweit ist.
Welche Auswirkungen hat die Automatisierung auf die Beschäftigten vor Ort?
In dem Tempo, in dem Knuspr wächst, müssten wir eigentlich andauernd neue Leute einstellen. Gerade in Deutschland ist es aber gar nicht so leicht, geeignetes Personal zu finden. Durch die Automatisierung der Prozesse brauchen wir einerseits also gar nicht mehr so viele Angestellte. Andererseits wird die Arbeit auch angenehmer. Unsere Angestellten müssen nicht mehr im Lager kilometerweit laufen und nach den richtigen Produkten suchen, sondern das Produkt kommt zu ihnen. Sie müssen es nur noch in die Einkaufstüte packen. Und selbst diesen Prozess automatisieren wir gerade.
Wie flexibel ist das System, etwa bei Sortimentsänderungen oder saisonalen Spitzen?
Das hängt unter anderem natürlich auch von der Anzahl der Roboter ab. In Berlin sind bisher sechs Stück im Einsatz. Da wir jedoch die Saison planen und unser Wachstum kennen, versuchen wir immer, einen gewissen Puffer einzuplanen. Dadurch bleibt die Flexibilität grundsätzlich sehr hoch. Natürlich gibt es Zeiten, in denen man die Auslastung maximieren möchte. In solchen Fällen ist höchstwahrscheinlich ein weiteres Logistikzentrum erforderlich - und genau das ist auch unser Ansatz.
Wie sieht dieser Ansatz genau aus?
Obwohl wir hier über Deutschland sprechen, ist Tschechien ein gutes Beispiel. In Prag betreiben wir drei Logistikzentren. Dank ihrer unterschiedlichen Standorte in der Stadt können wir innerhalb von 60 Minuten ausliefern. Wir sind überzeugt, dass die Zukunft darin liegt, ein Logistikzentrum zu nutzen und gleichzeitig ein weiteres auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt zu eröffnen. So können wir die Liefergeschwindigkeit erhöhen. Auf diese Weise erreichen wir mehr Haushalte, die tendenziell häufiger bestellen, weil das Angebot schneller verfügbar ist.
Wie viel hat Sie die Automatisierung insgesamt gekostet?
In die Automatisierung investierten wir pro Standort meist einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag.
Sie rechnen am Standort Berlin noch in diesem Jahr mit Gewinn aus dem laufenden Geschäft. Sind Sie auf Kurs?
Wir sind tatsächlich auf einem sehr guten Weg. Anstatt Ende des Jahres sind wir voraussichtlich schon vier Wochen früher profitabel.
Berlin gilt als besonders hart umkämpfter Online-Lebensmittelmarkt. Wie nachhaltig ist das aktuelle Wachstum von 90 Prozent auf gut 125.000 Bestellungen im Monat am Standort gegenüber dem Vorjahr?
Berlin unterscheidet sich nicht sonderlich von anderen Städten. Der Lebensmittel-E-Commerce macht rund vier Prozent des Marktes aus. Das bedeutet, dass etwa 96 Prozent noch auf stationäre Filialen entfallen. Aus dieser Perspektive ist unser Wachstum zwar beeindruckend. Unser Ziel muss es aber sein, dreistellig zu wachsen, weil das Marktpotenzial vorhanden ist.
Ist Profitabilität in dem Sektor ohne Automatisierung überhaupt noch möglich?
In Westeuropa geht an Automatisierung kein Weg vorbei. Wir haben es ohne probiert. Wir wissen, wie schwierig und fast unmöglich diese Aufgabe ist. Vielleicht gibt es einen Weg, wenn die Auswahl begrenzt ist und das Volumen klein bleibt. Aber wenn man in jedem Haushalt präsent sein möchte, dann ist das meiner Meinung nach extrem schwierig und nahezu unmöglich.
Wer sind Ihre größten Konkurrenten?
Für mich sind die wichtigsten Konkurrenten die großen stationären Anbieter wie etwa Edeka, Lidl und Kaufland. Wenn man sich nur auf die wenigen verbleibenden Akteure im Lebensmittel-E-Commerce konzentriert, wird es schwierig, hohe Wachstumsraten zu erzielen.
Beim Markteintritt hat Knuspr ein ambitioniertes Ziel ausgerufen: Fünf Milliarden Euro Umsatz bis 2030. Halten Sie das noch für realistisch?
Unser Ziel ist nach wie vor, in Deutschland weitere Städte zu erschließen, zu wachsen und auf dem Markt führend zu sein. Dabei gehen wir Schritt für Schritt vor. Deshalb konzentrieren wir uns zunächst darauf, Berlin profitabel zu machen. Danach kommt Frankfurt, wo wir voraussichtlich im nächsten Jahr die erforderlichen Volumina erreichen werden, um die Fixkosten zu decken. Unser Ziel bis 2030 ist nach wie vor, in den größten deutschen Städten aktiv zu sein und in Deutschland den Großteil des Umsatzes der Rohlik Gruppe zu erwirtschaften.
Die Rohlik Gruppe ist die Muttergesellschaft von Knuspr aus Tschechien. Wieso ist Deutschland als Markt so wichtig?
In den meisten anderen Märkten konzentriert sich alles auf die Hauptstadt, die oft eine oder mehrere Millionen Einwohner hat. In Deutschland gibt es mehrere solcher Städte. Aus dieser Perspektive ist Deutschland ein großartiger Markt für uns. Wir können nach und nach weitere Städte erschließen, die jeweils genügend potenzielle Kunden bieten. So können wir sehr schnelles Wachstum erzielen und gleichzeitig die Rentabilität sichern. In vielen anderen Märkten hat die zweitgrößte Stadt oft nur ein paar Hunderttausend Einwohner. Das ist ein riesiger Unterschied, weil die Kosten für den Aufbau eines Logistikzentrums in einer Stadt mit zwei Millionen Einwohnern ungefähr gleich hoch sind wie in einer Stadt mit 100.000 Einwohnern. Gleichzeitig sind die Erfolgschancen in der größeren Stadt deutlich höher.
Für Ende 2025 war eigentlich auch die Expansion nach Hamburg angekündigt. Den Start haben Sie verschoben. Das automatisierte Lieferlager soll nahezu einsatzbereit gewesen sein. Was ist schiefgelaufen?
Hamburg wäre auch schon vor zwei Jahren startklar gewesen. Wir haben uns aber bewusst dafür entschieden, mit der Expansion zu warten. Wir wollten uns keinen Druck machen. Es ging darum, sicherzustellen, dass die Ergebnisse in den anderen Städten stimmen und die Produktivität optimiert ist, damit wir bei einem neuen Markteintritt möglichst schnell profitabel werden können. Wir sind überzeugt, dass dies die richtige Strategie ist. Knuspr wird auch nach Hamburg kommen - der genaue Zeitplan steht aber noch nicht fest.
Wo sehen Sie künftig den härtesten Wettbewerb unter den Konkurrenten: bei Preis, Technologie, Sortiment oder Kundenbindung?
Wir beobachten, dass Menschen zunehmend auf ihre Ernährung achten. Gleichzeitig sind sie aber nicht bereit, dafür mehr zu bezahlen. Knuspr investiert deswegen stark in die Entwicklung von Eigenmarken. Das ist besonders in Deutschland entscheidend, weil Kunden so keinen Aufpreis zahlen müssen. Ich gehe davon aus, dass der Wettbewerb beim Sortiment und beim Service intensiver wird. Erfolgreich ist am Ende nur, wer ein wirklich umfassendes Sortiment anbieten kann. Bei der Kundenbindung entscheidet aus meiner Sicht vor allem der Service. Kunden bleiben nur dann dauerhaft treu, wenn jede Bestellung pünktlich, fehlerfrei und in hoher Qualität ankommt.
Mit Olin Novak sprach Juliane Kipper.
Das Interview wurde auf Englisch geführt und im Anschluss übersetzt und sprachlich geglättet.