
China ist das wichtigste Produktionsland für Apple: In der "iPhone-Stadt" Zhengzhou leben und arbeiten zu Spitzenzeiten fast 300.000 Foxconn-Mitarbeiter.
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Bei der Handyschmiede aus Kalifornien deutet sich eine Zeitenwende an: In wenigen Jahren schon soll ein Viertel aller iPhones in Indien hergestellt werden. Der globale Kurswechsel soll Apple mehr Produktionssicherheit bringen. Doch einfach dürfte er nicht werden.
Handelskrieg mit den USA, Technologieblockade und mögliche Invasion von Taiwan: Angesichts wachsender geopolitischer Spannungen zwischen dem Westen und China sucht Apple offenbar zunehmend nach alternativen Produktionsstätten abseits der Volksrepublik. Wie das "Wall Street Journal" (WSJ) berichtet, strebt der Handygigant mit seinem wichtigsten Zulieferer Foxconn an, innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre mindestens 50 Millionen iPhones jährlich in Indien herzustellen. Laut Insidern sollen perspektivisch noch mehrere zehn Millionen Stück hinzukommen. Sollten die Pläne aufgehen, würde bald ein Viertel aller iPhones in Indien hergestellt.
In den vergangenen Jahren hatte Apple bereits Fuß in Indien gefasst. Diese ersten Schritte sollen ermutigend verlaufen sein, sodass Apple nun die Voraussetzungen für eine größere Expansion schaffe, berichtet das "WSJ" unter Berufung auf Quellen in den Zuliefererketten. Im südindischen Bundesstaat Karnataka baut Foxconn derzeit ein Werk nördlich von Bangalore, das im April in Betrieb gehen soll und eine Produktionskapazität von 20 Millionen Handys hat. Pläne für eine weitere Megafabrik der gleichen Größenordnung wie in Karnataka lägen bereits in der Schublade, schreibt das Blatt.
Zusammen mit der Erweiterung des bestehenden Foxconn-Hauptwerks nahe Chennai und einer kürzlich vom indischen Industriekonzern Tata gekauften Fabrik zeichne sich ab, dass Apple somit die Herstellung von jährlich 50 bis 60 Millionen iPhones in Indien innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre anstrebe, sagten direkt mit den Planungen vertraute Personen der Zeitung. Laut Daten von Marktanalysten verkaufte Apple im vergangenen Jahr weltweit 225 Millionen iPhones. Der Konzern selbst veröffentlicht schon seit einigen Jahren keine Verkaufszahlen mehr.
Plan B für den großen Knall mit Peking
Mit dem Kurswechsel will Apple offenbar seine massive Abhängigkeit von China zurückfahren. Denn zwischen Peking und Washington herrscht inzwischen offene Feindschaft: Die USA und die Volksrepublik rangeln nicht nur um die Vorherrschaft in Asien. Gemeinsam mit Japan und den Niederlanden hat die Biden-Regierung eine Technologieblockade errichtet, die Hersteller im Reich der Mitte von Hochleistungschips und KI-Technik abschneiden soll.
Über dem schwelenden Handelskonflikt hängt zudem eine mögliche Invasion von Taiwan in den kommenden Jahren. Im Fall eines offenen Konflikts würde Apple damit nahezu sämtliche Fertigungskapazitäten für sein wichtigstes Produkt wegbrechen. Deshalb versucht der kalifornische Gigant zunehmend anderswo ein Bein auf die Erde zu bekommen. Hinzu kommt auch, dass Apple in China nicht mehr willkommen ist: Erst im Herbst hatte die chinesische Regierung - wohl auch aus Vergeltung für die Maßnahmen Washingtons - ihren Beamten die Nutzung von iPhones untersagt.
De-Risking von China bleibt mühsam
Nicht nur der iPhone-Bauer Foxconn, auch andere Apple-Zulieferer bauen ihr Netzwerk in Indien aus und machen das Land damit für den kalifornischen Internetgiganten zunehmend als Konkurrenzstandort attraktiv. Der japanische Batteriehersteller TDK etwa kündigte erst in dieser Woche ein neues Werk an, mit dem in Indien zusammengesetzte iPhones versorgt werden sollen. Auch die Stundenlöhne liegen laut der Zeitung inzwischen unter dem chinesischen Niveau.
Doch dafür hat Apple im demokratischen Indien längst nicht so freie Bahn wie im autokratischen China. Denn auf dem Subkontinent gibt es echte Gewerkschaften. Monatelang hatte Apple etwa laut Berichten in indischen Medien hinter den Kulissen bei Lokalpolitikern für eine Aufweichung der strikten Arbeitszeitregeln geworben, um die Schichtlänge auf das Niveau chinesischer iPhone-Fabriken zu bringen. Im Bundesstaat Tamil Nadu, wo das Foxconn-Hauptwerk bei Chennai liegt, hatten sie auch kurzzeitig Erfolg. Doch am Ende knickte der Landeschef auf Druck von Aktivisten ein - und zog die Erlaubnis für den 12-Stunden-Tag wieder zurück, nur wenige Wochen nachdem sie ausgesprochen worden war.
Am Ende dürfte China trotz der Verlagerungspläne aber aufgrund seines schieren Gewichts wichtigstes Produktionsland für Apple bleiben. Zu eingefahren und erprobt sind die dortigen Megawerke wie in Zhengzhou: In der "iPhone-Stadt" leben und arbeiten zu Spitzenzeiten fast 300.000 Foxconn-Mitarbeiter. Rund um den Komplex existiert ein weitreichendes Netz von Zulieferern, die die nötigen Teile für die Handys herstellen. Und auch die kritischen Rohstoffe, die man zur Herstellung braucht, sind gleich vor Ort vorhanden. Nach Indien müsste ein größerer Teil von alledem erst importiert werden. Aber wie heißt ein chinesisches Sprichwort so schön: Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
Quelle: ntv.de