Energietalk bei Markus Lanz "Strom muss günstig bei den Verbrauchern ankommen"
07.04.2023, 04:51 Uhr Artikel anhören
Windkraftunternehmer Johannes Lackmann will die Bevölkerung von der Notwendigkeit der Energiewende überzeugen.
(Foto: ZDF und Cornelia Lehmann)
Wie sieht die Energieversorgung der Zukunft aus? Das will Markus Lanz von seinen Gästen wissen. Eine klare Antwort bekommt er nicht. Ein Windkraftunternehmer sieht den Preis als Hebel für die Erneuerbaren.
Wer diesmal die ZDF-Talkshow Markus Lanz schaute, wird um zwei Erfahrungen reicher sein: Wie man als Moderator Peinlichkeiten wegzulachen versucht - und wie man kontinuierlich Fragen nicht beantwortet.
Letzteres zeigt CSU-Generalsekretär Martin Huber. Dem gelingt es glänzend, Fragen, die ihm nicht gefallen, zu ignorieren. So erklärt Huber gleich zu Beginn des Gesprächs über erneuerbare Energien, Bayern sei im Bereich Windkraft bei den deutschen Bundesländern im Mittelfeld, und der Freistaat werde jetzt aufholen, weil inzwischen Windkraftanlagen auch 220 Meter hoch und damit effizienter sein könnten. Moderator Lanz fragt, wie viele Windräder in Bayern im vergangenen Jahr ans Netz gegangen seien. Huber antwortet: "Wissen Sie, wer die meisten Klagen gegen Windräder einreicht? Das sind die Naturschutzverbände."
Die richtige Antwort wäre 14 gewesen. Das berichtete die Deutsche Presseagentur im Januar unter Berufung auf Brancheninformationen. In ganz Deutschland waren es 551. Gegen Ende der Sendung behauptet Huber, die Ampelkoalition wolle beschließen, dass im nächsten Jahr alle Heizungen ausgewechselt werden müssten. Die drei anderen Gäste und der Moderator fahren ihm in die Parade. Begriffe wie "Quatsch" und "alternative Wahrheiten" fallen. Tatsächlich war in der Referentenvorlage zu dem neuen Gebäudeenergiegesetz immer davon die Rede gewesen, dass nur solche Heizungen ausgewechselt werden müssen, die defekt sind.
Von Heimatenergie und Grundlastfähigkeit
Moderator Lanz ist inzwischen das Lachen vergangen. Er fragt den CSU-Generalsekretär, warum er solche Falschaussagen verbreite. Der versucht zunächst, die Frage zu überhören. Dann antwortet er: "Es war am Anfang schon die Überlegung, dass man einen Sanierungszwang prominiert - Huber meint hier vermutlich "herausstellt" -, natürlich auch mit den Vorgaben der Ampel und der Europäischen Union, der wurde dann ein bisschen abgeschwächt." Auch das stimmt so nicht.
Dennoch hat Huber, der offensichtlich schon voll im Wahlkampfmodus ist, auch einige bedenkenswerte Punkte. So spricht er von "Heimatenergie" und meint damit vor allem die erneuerbaren Energien, bei denen Bayern an der Spitze steht. "Die Besonderheit, die wir in Bayern haben, ist ja schon, dass wir durch die Stärke von Wasserkraft und Biomasse über 50 Prozent Grundlastfähigkeit bei den erneuerbaren Energien haben. Das wird immer vergessen. Deswegen kommt es auf den Mix an. Ich finde es immer ein bisschen schade, wenn man sich bei den Erneuerbaren ausschließlich auf den Wind fokussiert und alle anderen an den Rand stellt."
Tatsächlich bringt Huber hier mit der Grundlastfähigkeit einen wichtigen Gedanken ins Spiel. Dabei geht es darum, dass Stromerzeugungsanlagen eine ausreichende Stromerzeugung als Grundlast gewährleisten sollen. Grundlast ist der Stromanteil, der von Industrie und Haushalten grundsätzlich benötigt wird. Normalerweise gibt es bei der Stromlieferung einen Mix aus Anlagen mit hoher und niedriger Grundlastfähigkeit. Anlagen mit hoher Grundlastfähigkeit liefern den konstanten Strom, der immer fließen muss. Früher waren das vor allem Atomkraftwerke. Anlagen mit niedriger Grundlastfähigkeit sorgen dafür, dass genug Strom da ist, wenn mehr gebraucht wird. Dazu zählen Solar- und Windkraftanlagen.
Akzeptanz statt größtmöglichem Abstand
Je mehr dieser Anlagen gebaut werden, desto höher wird ihre Grundlastfähigkeit, sagt die Ampelkoalition. Huber ist anderer Meinung und betont bei Lanz: "Deswegen haben wir dafür geworben, die Kernkraftwerke länger am Netz zu lassen." Auch Windkraftunternehmer Johannes Lackmann spricht von heimischen Energien. "Für mich sind das Energien, die wir nicht importieren müssen." Das sei wichtig, damit sich Deutschland nicht von Despoten abhängig mache, die Menschenrechte missachten. Viele Energieformen könnten bei uns gefördert werden, dazu gehöre auch die Windenergie, sagt der Experte.
Umweltaktivistin Pauline Brünger kritisiert, dass in Bayern noch immer die 1000-Meter-Regel gelte - von einigen Ausnahmen abgesehen. Dort heißt sie 10H-Regel. Sie besagt, dass der Abstand zwischen einer "Wohnbebauung" und einer Windanlage einen Kilometer betragen muss. In Bayern gibt es jedoch Ausnahmen, zum Beispiel in Wäldern oder nahe Autobahnen und Gewerbegebieten. Da darf der Abstand geringer sein.
Diese Regelung hält auch Lackmann für falsch. Für ihn ist wichtig, die Bevölkerung weiter von der Notwendigkeit der Energiewende zu überzeugen. Deswegen dürfe man nicht sagen, man wolle Windkraftanlagen so weit entfernt wie möglich von den Gemeinden aufbauen, sondern man müsse wie in Nordrhein-Westfalen die Gemeinden von erneuerbaren Energien überzeugen. "Wir haben in NRW eine hohe Akzeptanz von Windanlagen", sagt Lackmann. "Das liegt unter anderem daran, dass wir die Bürger mit günstigen Stromtarifen beteiligen."
Deutschland könnte Vorbild werden
Zudem wolle auch die Industrie Strom aus erneuerbaren Energien. "Wir haben mehrere Gemeinden, da haben sich Gewerbebetriebe zusammengeschlossen und an den Bürgermeister geschrieben, damit die Gemeinde Flächen zur Verfügung stellt", erzählt der Unternehmer. "Da brauchen wir nicht über Verpflichtung oder Flächenbereitstellung zu reden. Wenn die Gewerbebetriebe sich so aufstellen, ist das Thema durch."
Das funktioniere in Bayern ähnlich, sagt Huber. "Aber bei den Erneuerbaren geht es nicht nur um Wind. Es geht auch um Biomasse, Photovoltaik, Wasserkraft und Geothermie." Damit ist Lackmann im Prinzip einverstanden, nur beim Wasserstoff lenkt er ein: Der sei auf die Dauer zu teuer. Umweltaktivistin Brünger ist für einen Kompromiss: "Die Herausforderung wäre doch, so viel Strom wie möglich über Erneuerbare wie Wind und Solar zu produzieren, und dass wir den teuren Wasserstoff dazu nutzen, in speziellen Momenten auf ihn zurückzugreifen."
Am Ende können sich die Gäste auf einen richtigen Weg der Energiegewinnung nicht wirklich einigen. Doch Lackmann macht einen klaren Punkt: "Wenn wir es schaffen, erneuerbare Energien als preisgünstig und verlässlich darzustellen, wäre das auch ein Vorbild für andere Länder. Was wir aber im Moment machen, ist, dass wir als das Land dastehen, das den Strom teuer macht. Damit dürfen wir nicht weitermachen. Der Strom muss günstig bei den Verbrauchern ankommen."
Quelle: ntv.de