Wirtschaft

Startup erleichtert Geldanlage Teure Investments für alle

Hat man sich eine Übersicht über die verschiedenen Anlagemöglichkeiten verschafft, gibt es plötzlich weitere Hindernisse: den hohen Kapitaleinsatz, ausreichende Bonität und die nötige Expertise.

Hat man sich eine Übersicht über die verschiedenen Anlagemöglichkeiten verschafft, gibt es plötzlich weitere Hindernisse: den hohen Kapitaleinsatz, ausreichende Bonität und die nötige Expertise.

(Foto: picture alliance / Zoonar)

Investieren will gelernt sein. ETFs, Kryptowährungen oder Immobilien - die Möglichkeiten scheinen unendlich. Ein Berliner Startup will interessierten Anlegern Zugang zu Finanzprodukten verschaffen, die sonst nur vermögenden Profianlegern vorbehalten sind.

Das mit dem Investieren ist so eine Sache. Während die einen schon mit Anfang 20 in ETFs und Aktienfonds investieren, mit Kryptowährungen traden oder ihr Kapital in Immobilien anlegen, haben die anderen mit Mitte 30 nicht mal einen Blick auf die Börse geworfen. Das ist nicht unbedingt verwunderlich, denn die Möglichkeiten zu investieren scheinen unendlich - und unendlich komplex.

Hat man sich eine Übersicht über die verschiedenen Anlagemöglichkeiten verschafft, gibt es plötzlich weitere Hindernisse: den hohen Kapitaleinsatz, ausreichende Bonität und die nötige Expertise. Vor allem im Bereich Immobilien sind diese drei Voraussetzungen zwingend erforderlich. Nicht gerade einfach für junge Menschen, die auch vom stabilen und einigermaßen krisenfesten Wertzuwachs von Immobilien profitieren wollen.

Einen interessanten Lösungsansatz bietet das Berliner Startup Tokenstreet. Mit einer App will das junge Team Klein- und Erstanleger:innen Zugang zu Finanzprodukten verschaffen, an die sonst nur vermögende Profianleger:innen oder institutionelle Investor:innen herankommen. Mitgründerin Mona Feder sagt: "Während den Kleinanleger:innen eine beschränkte Auswahl an Finanzprodukten zur Verfügung stehen, haben hoch vermögende Anleger:innen eine deutlich größere Auswahl an attraktiven Anlageklassen."

Marktplatz für digitale, alternative Anlagelösungen

Feder ist verantwortlich für das Produkt und das Design bei Tokenstreet, außerdem ist sie noch Studentin an der Berliner Code University. Gemeinsam mit drei Kommilitonen gründete sie im Januar 2020 das Unternehmen, das man als den ersten deutschen Marktplatz für digitale, alternative Anlagelösungen bezeichnen kann.

Feder und ihre Gründerkollegen kennen die eingangs beschriebene Frustration: Sie alle sind Anfang 20, stecken mitten im Studium und haben eine Vorliebe für Finanzen. Schon früh haben sie sich mit Investments auseinandergesetzt. Dass ihnen manche Anlageklassen wegen mangelndem Vermögen und fehlenden Connections verwehrt bleiben, hat sie angestachelt, eine Plattform zu bauen, die die derzeitigen Hürden beseitigen soll. Denn während einige Wenige in der luxuriösen Lage sind, Vaters Family-Office die lästige Investmentangelegenheit für sich regeln zu lassen, soll die interessierte Laienperson ebenfalls vom Markt profitieren – und nicht von Techhürden abgeschreckt werden.

Das Ganze funktioniert folgendermaßen: Nach der In-App-Registrierung mit Video-Identifikationsverfahren, das man von anderen Investment-Apps wie Bux oder Robinhood kennt, können Nutzer:innen ihre bisherigen Kenntnisse und Erfahrungen angeben. Anschließend kann gleich aus den verschiedenen Anlagelösungen ausgewählt und investiert werden. Feder sagt, dass man zukünftig zwischen Investments in den Bereichen Immobilien, Venturecapital, Wachstums- und Buy-out-Fonds wählen kann: "Es handelt sich dabei um gebündelte Investments. Um die Anleger:innen nicht mit einem Auswahlparadoxon zu konfrontieren, haben wir uns bewusst für eine Diversifikation innerhalb der jeweiligen Anlageklasse entschieden."

Denn beim umfangreichen User-Research hat Tokenstreet festgestellt, dass wenig Zeit, mangelnde Expertise sowie fehlender Zugang hemmende Faktoren bei der privaten Geldanlage darstellen. Ihre Lösung: wenige Schritte, einfacher und verständlicher Zugang zu alternativen Anlageklassen. Die einzelnen zugrunde liegenden Investments wählt Tokenstreet dann in einem speziellen Verfahren aus. Interessanterweise dient die eben erwähnte Institution des Family-Office als Leitstern. Denn oft investieren diese in Immobilien, weil die für Sicherheit und planbare Renditen stehen. CEO und Mitgründer Vincent Amm sagt: "Der Aktienmarkt hat in der Vergangenheit im Vergleich zum Immobilienmarkt deutlich stärkere Wertschwankungen erfahren, weshalb Immobilien eine höhere Wertstabilität bieten."

Clou trägt Tokenstreet natürlich auch gleich im Namen

Zudem gibt es ganz nahe liegende Gründe für ein Investment ins Betongold: "Immobilien sind eine zukunftsträchtige Anlage, weil sie immer bestehen werden. Menschen müssen irgendwo wohnen und arbeiten. Es wird immer einen Wert geben, weil es immer eine Notwendigkeit geben wird", sagt Amm. Doch Tokenstreet setzt eben nicht nur auf Immobilien, weil sie ihr Angebot so breit wie möglich fächern wollen: "Private-Equity- und Venturecapital-Fonds sind darüber hinaus ebenfalls eine attraktive Ergänzung für jedes Anleger:innenportfolio. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Private-Equity-Markt den öffentlichen Markt hinsichtlich Nettorenditen weitaus übertroffen hat", sagt Feder.

Amm sagt auch, dass man mit strategischen Investmentpartner:innen verschiedene Zielinvestments prüft und die eigenen Investmentkriterien ansetzt. Kommt dieses für Tokenstreet infrage, holt sich das Unternehmen dann einen Anteil. Ziel sei stets eine langfristige Beziehung zu den Zielfonds. Daher schaut man sich die langfristige Strategie genau an: "Bei der Auswahl unserer Zielinvestments achten wir unter anderem auf den Track-Record der Fondsmanager:innen und bewerten die Anlagestrategie im Hinblick auf Klarheit, Konsistenz, Effektivität und Anlagemotiv", sagt Amm. Also investieren in hochklassige Anlageklassen auch für kleine Beträge: "Wir haben das Ziel, Tickets ab einem sehr geringen Mindestinvestment möglich zu machen", sagt Feder.

Den eigentlichen und dem Unternehmen zugrunde liegenden Clou trägt Tokenstreet natürlich auch gleich im Namen: Denn dieser Anteil wird über die Blockchain tokenisiert und anschließend an die Anleger:innen weitergegeben. Heißt: Die Anleger:innen bekommen einen mittelbaren Anteil an dem jeweiligen Fonds.

Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Tokenstreet entscheidet sich für ein Investment in Höhe von 1 Mio. Euro. Dieses stückelt man dann in eine Million Token. Erwirbt ein:e Anleger:in zum Beispiel 500 Token, hält er 500 Anteile an dem Investment. In diesem Fall in einem Wert von 500 Euro. Das Versprechen und die Wette sind natürlich, dass die Token an Wert zulegen, sobald der Wert des zugrunde liegenden Investments steigt, ganz gleich ob Immobilie oder Growth-Produkt.

NFTs sorgen Woche für Woche für neue Schlagzeilen

Die Token-Economy ist einer der verheißungsvollsten Wirtschaftstrends der Gegenwart. Token stellen nicht manipulierbare Positionen dar, die bestimmten Inhaber:innen zugeordnet werden können. Vereinfacht gesprochen, sind Token "eine Art digitaler Zwilling für materielle Güter oder aber auch immaterielle Rechte", wie der Bankenverband es auf seiner Website nüchtern erklärt.

Interessanterweise ist es gerade eine völlig andere Branche, die als erste flächendeckend und aufmerksamkeitsstark in diesem Bereich von sich reden macht: die Kunstwelt. Dort sorgen gerade Non-Fungible Tokens (NFTs) Woche für Woche für neue Schlagzeilen auch über die Branche hinaus, weil ständig neue Höchstpreise bei Versteigerungen von Digitalkunst erzielt werden.

Zudem sind NFTs in der Kunstwelt bereits im Establishment angekommen: Nicht etwa kleine und neue Auktionshäuser setzen auf die Versteigerungen, sondern unter anderen der altehrwürdige Platzhirsch Christie’s. Erst neulich wurde dort ein NFT-Kunstwerk des Künstlers Beeple für sagenhafte 69 Millopnen Dollar versteigert. Ein Signal, das weit strahlt – und auch auf neuartige Finanzprodukte Glanz abwirft. Feder über die Technologie: "Tokenstreet basiert auf Blockchain-Technologie, da es zum jetzigen Zeitpunkt die kosteneffizienteste Möglichkeit ist." Macht Sinn: Da es sich um ein Finanzprodukt handelt, ist Kosteneffizienz im Hinblick auf attraktive Renditen natürlich nur wünschenswert.

Unwissen trifft auf geringe Eintrittsbarrieren

Eine weitere Aufgabe, die Tokenstreet sich selbst gegeben hat: Aufklärungsarbeit leisten. "Unsere Aufgabe ist es, Anleger:innen aufzuklären. Dafür gibt es in der App eine große Learning-Sektion und einen Chat, über den man uns jederzeit kontaktieren kann", sagt Amm. Aufklärungsarbeit ist bei einem Finanzprodukt wie Tokenstreet besonders wichtig. Jede:r müsse verstehen, dass bei Anlageprodukten Totalverluste drin sind, selbst bei verhältnismäßig sicheren Klassen wie Immobilien.

Wo geballtes Unwissen von neugierigen jungen Menschen auf geringe Eintrittsbarrieren trifft, ist bei den Machern Verantwortung gefragt. Erst vergangenes Jahr sorgte die nur in den USA verfügbare Trading-App Robinhood international für unrühmliches Aufsehen, als ein junger Nutzer riskante Hebelprodukte verwendete – und sich wegen eines Darstellungsfehlers im Kontostand umbrachte.

Feder ist dennoch zuversichtlich: "Die Risiken hängen von Faktoren ab, die man im Vorfeld nicht vorhersehen kann. Durch die Diversifikation unserer Portfolios können wir innerhalb eines Investmentangebots jedoch das Risiko für unsere Anleger:innen vermindern." Trotzdem rät sie, ein grundsätzliches Verständnis für verschiedene Anlagemöglichkeiten mitzubringen. Als gute Anfängerregel gilt, dass bei langfristiger Geldanlage die Diversifizierung des eigenen Portfolios über verschiedene Anlageklassen sinnvoll ist, um eine maximale Risikostreuung zu erreichen. "So lassen sich Verluste ausgleichen und Gewinne potenziell maximieren", sagt Feder.

Amm sagt, er habe schon immer gewusst, dass er nicht nur an der Code University ist, um zu studieren – sondern um zu gründen. Und mit seinen Co-Founder:innen Feder, Lenny-Campino Hartmann und Alexander Borowski habe er schnell drei Menschen gefunden, mit denen er tiefer ins Gespräch über seine Leidenschaft für Finanzen und Anlagelösungen gehen konnte. Unterstützung bekommt das Team vor allem von der eigenen Universität, die damit das Versprechen einlöst, motivierte Talente ins Digitalunternehmertum zu entlassen.

Im Sommer soll die App dann live gehen

Auch wichtig: Feder und Co haben ein großes Netzwerk aus Investor:innen, von denen sie sich regelmäßig Feedback einholen. Warum sie darauf nicht verzichten können, erklärt Feder so: "Die Expertise und das Netzwerk, das man sich in 30 Jahren Kapitalmarkterfahrung aneignet, kann man nicht einfach schnell nachholen." Deshalb arbeitet Tokenstreet mit Expert:innen zusammen, die jahrelange Erfahrung haben.

Das Produkt selbst baut das vierköpfige Gründer:innenteam jedoch eigenständig. Dafür haben sie sich noch vier junge Engineers mit ins Boot geholt. Derzeit wird noch jede Minute in die App gesteckt. Wer Interesse hat, die Betaversion zu testen, kann sich auf einen Wartelistenplatz setzen lassen.

Business Punk-Podcasts

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Im Sommer soll die App dann live gehen. Wann genau, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sicher. Aber die Ansage bleibt: "Egal, ob ich 1 Euro, 10.000 Euro oder 10 Millionen Euro investiere: Jede:r sollte die gleichen Chancen haben, sein Geld am Kapitalmarkt anzulegen", sagt Amm.

Feders persönlicher Wunsch ist es, vor allem mehr Frauen zu ermutigen, eigenständig zu investieren, denn die fangen oft später an mit Investitionen als Männer, im Schnitt gleich mehrere Jahre. Oder noch schlimmer: oft gar nicht. "Investments wirken auf viele wie die Büchse der Pandora", sagt Feder. "Sie wissen nicht genau, was sie erwartet, und haben deshalb Angst, sie zu öffnen. Das wollen wir mit Tokenstreet ändern."

Eines soll man jedenfalls bald nicht mehr sagen können: dass Investieren in Assets abseits von ETFs, Futures und einzelnen Aktien zu kompliziert sei – oder man dafür mindestens siebenstellige Beträge auf dem Konto braucht.

Dieser Text ist zuerst bei "Business Punk" erschienen.

Quelle: ntv.de

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