"Europa muss sich vorsehen" Uganda erlebt ein Kaffee-Märchen - und China profitiert
31.12.2024, 16:48 Uhr Artikel anhören
Die roten Kaffeekirschen sind ein begehrtes Gut.
(Foto: picture alliance / Anadolu)
Wetterextreme zerstören große Teile der Kaffee-Ernte in Südamerika und Asien. Auf der Suche nach neuen Lieferanten werden europäische Kunden in Uganda fündig, doch ein neuer Konkurrent war schneller: China entdeckt den Kaffee für sich und verzückt ugandische Hersteller.
In Uganda herrscht Goldgräberstimmung. Kaffeebauern in dem ostafrikanischen Land können derzeit nicht schnell genug die satten roten Kaffeekirschen ernten. Die Wiege des Robusta-Kaffees ist plötzlich ein international wichtiger Kaffeeproduzent, weil Wetterextreme die Ernte in Brasilien und Vietnam, Europas Hauptlieferanten, zerstören. Internationale Kaffeepreise steigen auf Rekordhöhe. Kleinbauern in Uganda hingegen haben nie mehr für einen Sack Bohnen verdient. "Auf nach Uganda", so würde man meinen, lautet die Devise europäischer Einkäufer. Doch sie sind zu spät: Die Chinesen waren schneller und auch Diebe. Sie haben ugandische Kaffeeplantagen als neue Einkommensquelle entdeckt.
Ronald Bule ist ein kräftiger, einflussreicher Mann im Wakiso-Distrikt unweit des Victoriasees. Schon sein Großvater baute hier, unweit des Äquators, Robusta-Kaffee an. "Er trug immer eine Krawatte auf dem Feld. Jeder hier sprach darüber", erzählt uns Ronald lachend. Die Krawatte hat er abgelegt, und dennoch hält Ronald Bule die Familientradition aufrecht: Bei der Arbeit auf seiner Plantage in Bulwanyi-Maya ist er immer adrett gekleidet. Ein Hemd mit Kragen ist das Minimum, das weiß jeder. Und natürlich auch, dass Ronald Bule inzwischen die meisten Kaffeesträucher der Kooperative besitzt, der 13.500 Kleinbauern angehören.
"Kaffee ist mein Leben. Ich baue seit Kindestagen an und exportiere auch nach Deutschland. Aber Preise wie diese habe ich noch nie erlebt", sagt Ronald Bule über die jüngsten Entwicklungen auf dem Weltmarkt. Der Wert eines Sacks ugandischen Robusta-Kaffee hat sich in den vergangenen Monaten mehr als verdoppelt. "Ich bin mir sicher, der Preis wird noch weiter steigen."
Weltweite Ernteausfälle
Wie andere afrikanische Kaffeeproduzenten profitiert auch Uganda von Ernteausfällen der bisherigen europäischen Lieferanten in Asien und Südamerika. Weniger Kaffee bedeutet höhere Preise. Alternativmärkte mit großem Wachstumspotenzial wie Uganda sind wichtig, um die Preise auch für deutsche Verbraucher niedrig zu halten. "Alle kommen momentan zu uns", sagt Ronald Bule. Auch immer mehr Europäer. Aber die seien nicht ausschlaggebend.
Ronald Bule steht in der lauten Kaffeeabfüllablage seiner Kooperative CECOFA, in der er als Vorstand agiert. Es ist viel los. Auf klapprigen Lieferwagen treffen ständig neue Säcke frischer, in der Sonne getrockneter Kaffeebohnen ein. Sie werden manuell abgeladen und aufbereitet. "Da, die sind fertig", sagt Bule. "EXPORT" steht in großen Lettern auf den Säcken. "Bitte, das hier ist unser bester Kunde."
"Die Europäer müssen sich vorsehen"
Ronald Bule verneigt sich vor einem Mann mit gelbem Helm und weißem Kittel. Er zerdrückt probeweise Kaffeebohnen zwischen seinen Fingern. Riecht an ihnen. "Good, good."
Subi Bayliyung nickt enthusiastisch. Er ist Einkäufer von Equador Peak Coffee, einem chinesischen Kaffeehaus in Yiwu in der Provinz Zhejiang. Organisch. Hochwertig.
"Die Europäer sind zwar noch an unserer Ware interessiert, aber sie müssen sich vorsehen", warnt Ronald Bule. "Die Chinesen sind neue Kunden auf dem Kaffeemarkt, sie kommen besonders jetzt zu uns, persönlich. Sie bleiben vor Ort und sie bezahlen uns im Voraus. Die Europäer weigern sich, das zu tun."
China kauft komplette Ernte
Einkäufer wie Subi Bayliyung haben weitsichtig schon vor sechs Monaten auf ugandischen Robusta-Kaffee umgesattelt und sich so niedrigere Preise gesichert. Jetzt holen sie ihre Ernte ab.
"Immer mehr Chinesen trinken Kaffee. Unsere lokale Produktion ist aber zu klein. Also kaufen wir zunehmend mehr Kaffee in Alternativmärkten wie Uganda", sagt Subi Bayliyung. Er tippt seine Antworten in eine Übersetzung-App auf seinem Handy. Die Ergebnisse schickt er per Whatsapp an Ronald Bule. Wortlos kommunizieren die beiden so stundenlang, machen sogar Witze und lachen.

Subi Bayliyung (l.) kauft für ein chinesisches Kaffeehaus in Uganda ein.
(Foto: Nicole Macheroux-Denault)
Der Chinese hat die komplette Ernte der Kaffee-Kooperative aufgekauft. Während in deutschen Läden der Kaffeepreis steigt und Einkäufer nach alternativen Märkten suchen, hat China längst Verträge abgeschlossen und transportiert säckeweise wertvollen Kaffee ab. Zum Schaden deutscher Konsumenten.
Bisher nur ein Nebenverdienst
"Wir ermuntern unsere Bauern, mehr Kaffee anzubauen. Es gibt viel Potenzial nach oben", sagt Paul Sepuuya, Produktmanager der Kooperative CECOFA. "Unsere Mitglieder besitzen im Schnitt nur 0,4 Hektar. Das ist nicht viel, aber wir dafür sind viele." Und jede Bohne ist 100 Prozent organisch produziert sowie Fair Trade zertifiziert. Auf dem deutschen Markt ein Produkt höchster Qualität, in Uganda bisher nur ein Nebenverdienst. Neben Äthiopien ist Uganda allerdings das einzige afrikanische Land, in dem die klimatischen Bedingungen zwei Kaffee-Ernten pro Jahr ermöglichen.
Die Kunde vom "neuen Gold auf ugandischen Plantagen" hat sich herumgesprochen, auch in anderen Gesellschaftsbereichen. "Gestern haben wir wieder einen Dieb geschnappt", erzählt Ronald Bule. Er marschiert den schmalen, mit Gras überwachsenen Weg durch eine Mischung von Bananenpflanzen und Kaffeesträuchern. Überall hängen satte grüne und viele rote Kaffeekirschen. Sie sind bereit, gepflückt zu werden. Alles Handarbeit.
Ronald Bule geht flink über die Äste, katapultiert die roten Kaffeekirschen in einen Sack. Hinter ihm stehen zwei junge Männer. Abgenutzte Khaki-Hemden, schwarze Hosen, Gummistiefel und zwei große Macheten in der Hand. "Wir patrouillieren 24 Stunden lang, tagsüber zu zweit, nachts zu viert mit Hunden", sagt Schichtleiter Paul Shakubo.
Der junge Mann schaut sich regelmäßig um, läuft fast lautlos, die Knie ständig gebeugt. "Der Dieb hatte den ganzen Sack voll mit Kaffee", sagt er. "Wir haben ihn der Polizei übergeben."
Der Schwarzmarkt wächst
Ronald Bule zieht seine Augenbrauen hoch. "Der Schaden ist groß. Sie reißen ganze Äste ab. Sie klauen nicht nur, sie zerstören auch meine Büsche."
Mit steigenden Kaffeepreisen wächst auch der Schwarzmarkt für den illegalen Kaffee in Uganda. "Sie stehlen und verkaufen an Mittelmänner, die Beziehungen zu Exporteuren haben", sagt Bule. So gelangt gestohlener Kaffee in offizielle Exportketten, zu einem kleinen Teil auch nach Deutschland. Die Kooperative verliert auf diese Weise etwa ein Prozent ihrer Ernte, doch es wird jeden Tag mehr. "Das bekommen wir aber unter Kontrolle", meint Bule zuversichtlich. "Ich bin sicher, uns stehen große Zeiten bevor."
Ronald Bule setzt sich neben Subi Bayliyung auf die Treppe vor seiner Abfüllanlage. Subi ist übrigens nicht der echte Vorname des chinesischen Einkäufers. Die ugandischen Kaffeebauern haben ihn so getauft, in der lokalen Sprache bedeutet "Subi" Hoffnung. "Stell Dir mal vor, nur jeder zweite Chinese trinkt zukünftig jeden Tag einen Kaffee", sagt Bule lachend. "Das wird der Wahnsinn." Grund genug, beim Ernten vielleicht doch wieder eine Krawatte zu tragen.
Quelle: ntv.de