Wo liegt der faire Preis? Verkehrsunternehmen fordern 69-Euro-Ticket
14.07.2022, 18:32 Uhr
Gesucht wird die Lösung für einen deutschlandweit im Nahverkehr gültigen Tarif.
(Foto: picture alliance / Daniel Kubirski)
Das 9-Euro-Ticket kommt bei den Verbrauchern gut an. Für die Zeit nach dem Auslaufen ringen Politiker, Unternehmen und Verbände um eine Anschlussregelung. Ein Vorschlag für ein 29-Euro-Ticket stand bereits im Raum. Die Verkehrsunternehmen befürworten eine etwas teurere Lösung.
Im Anschluss an das 9-Euro-Ticket soll es auch in Zukunft eine einheitliche Flatrate für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in ganz Deutschland geben. Das hat der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) gefordert und dafür einen Tarif von 69 Euro im Monat für den Regional- und Stadtverkehr vorgeschlagen. "Das muss schnell entschieden werden, wir können nicht bis zum Herbst warten", sagte der VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" laut Vorabmeldung.
Dafür bekam er Unterstützung von der Grünen-Chefin Ricarda Lang. "Über das Modell werden wir in der Koalition beraten, klar ist aber: Es braucht eine Anschlussregelung, die - wie vom Bundesverkehrsminister vorgeschlagen - möglichst bundeseinheitlich gilt und dabei günstig ist, also auch sozial", so Lang gegenüber der Zeitung.
Politisch schafft eine solch schnelle Regelung eine große Herausforderung, weil zunächst die Finanzierung gesichert werden muss. Bisher war Konsens, dass die drastische Reduzierung des ÖPNV-Preises auf neun Euro im Monat nach drei Monaten Ende August ausläuft. Sie ist Teil des ersten Entlastungspakets der Bundesregierung in Reaktion auf den Ukraine-Krieg und trifft in der Bevölkerung auf große Zustimmung: Mehr als 31 Millionen neue Nutzer und Abonnenten haben allein im Juni von dem billigen Tarif profitiert.
Die Kosten für ein 69-Euro-Ticket schätzt der VDV nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auf etwa zwei Milliarden Euro im Jahr. Sie lägen damit unter den 2,5 Milliarden Euro, die der Bund den Ländern als Ausgleich für die entgangenen Ticketeinnahmen in den drei Monaten des 9-Euro-Tickets überweist. Zur Finanzierung brachte Wolff die Idee eines weiteren Sondervermögens wie für die Bundeswehr ins Spiel. In jedem Fall aber wäre für eine Nachfolgeregelung eine Gesetzesänderung noch in der parlamentarischen Sommerpause notwendig. Bisher ist geplant, dass der Bundestag erst wieder am 6. September zusammentritt, aber womöglich müssen die Abgeordneten ohnehin zu einer Sondersitzung zusammenkommen.
Verbraucherzentralen wollen 29-Euro-Ticket
Die Grünen-Chefin stellte gegenüber der Zeitung klar, dass sie sich noch nicht auf ein konkretes Modell festlegen möchte. Derzeit kursieren mehrere Vorschläge, allerdings scheint ausgeschlossen, dass das 9-Euro-Ticket einfach verlängert wird. Die Verbraucherzentralen wollen ein Ticket für 29 Euro im Monat, Parteikollegen von Lang aus Berlin hatten sich ebenfalls für eine Lösung zu diesem Tarif ausgesprochen.
"Wir stehen vor der Aufgabe, zwei Ziele gleichzeitig erreichen zu müssen", sagt Lang der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Wir wollen ein günstiges Ticket und gleichzeitig die Qualität des Angebots verbessern, das heißt in die Infrastruktur investieren."
Demgegenüber mahnt der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, dass die Politik nicht den Eindruck vermitteln dürfe, "dass die Party einfach weitergehe". Er sagt: "Wir erleben nicht nur eine Zeitenwende, sondern einen regelrechten Bruch." Er befürchtet, dass bei weiter steigenden Energie- und Personalkosten bald ein ganz anderes Thema dominieren werde: "Meine Sorge ist, dass die Verkehrsunternehmen ihre Leistungen ausdünnen werden", warnt Lewe, der zugleich Oberbürgermeister von Münster ist.
Quelle: ntv.de, mpe