Jacuzzis, Hometrainer, Konsolen Viele Verbraucher bereuen Corona-Anschaffungen
11.11.2021, 07:20 Uhr
Fast die Hälfte der Befragten einer britischen Studie hätten im Nachhinein gerne auf den Kauf einer Spielkonsole. verzichtet. Das hätte Geld gespart.
(Foto: dpa)
Die Entbehrungen in der Corona-Krise sorgen für jede Menge Frustkäufe. Schon kurz danach haben viele Verbraucher jedoch keine Verwendung mehr für diese Artikel. Versicherer kommt dieser Kaufrausch teuer.
Die Corona-Pandemie hat das Konsumverhalten der Menschen weltweit verändert. Bedenken um die eigene Gesundheit, Homeoffice und Homeschooling sowie Lockdowns rund um den Erdball haben nicht nur unseren Alltag auf den Kopf gestellt, sondern auch unsere Bedürfnisse.
Einerseits mussten Verbraucher in den fast zwei Jahren Pandemie auf viel verzichten - was dem Bankkonto gutgetan hat. Keine Reisen, keine Veranstaltungen, keine Shopping-Touren - das hat Geld gespart. Andererseits haben Konsumenten aber auch mehr Zeit darauf verwendet, wie sie den Verzicht auf ihre vor Corona lieb gewonnene Freizeitgestaltung durch neue Dinge kompensieren könnten. Und das hat viel Geld verschlungen, wie ein Studie zeigt.
Laut einer Umfrage des britischen Versicherers Aviva haben Haushalte in Großbritannien insgesamt mehr als 6,6 Milliarden Pfund auf Einkäufe verwendet, die sie schon jetzt nicht mehr haben wollen. Im Schnitt seien das annähernd 1400 Pfund pro Person. Jeder Zehnte bedauere seine Anschaffungen in der Pandemie, zitiert die BBC aus der Studie "Wie wir leben". Viele hätten die Sachen bereits weitergegeben oder verkauft.
Die Liste der Kompensationskäufe ist lang: Sie umfasst Spiel-, Heimwerker- und Fitnessgeräte, Kleidung, Schmuck, Musikinstrumente und Küchengeräte, aber auch Gartenmöbel, Pizzaöfen und Whirlpools. Viele der Artikel verstaubten jetzt, heißt es in der Studie des fünftgrößten Versicherers der Welt.
Als überflüssige Fehlinvestitionen bezeichneten die Befragten am häufigsten den Kauf von Spielekonsolen (45 Prozent), dicht gefolgt von Werkzeugen (43 Prozent) sowie Heimtrainern (39 Prozent). "Seit Anfang 2020 hat sich so viel verändert. Die Art und Weise, wie wir arbeiten, wie wir mit anderen interagieren. Und damit anscheinend auch der Inhalt unserer Häuser," zitiert die BBC Kunden- und Marketingdirektorin Nicki Charles. Viele hätten in den vergangenen Monaten Einkäufe getätigt, um sich zu unterhalten, oft habe das " Hunderte oder sogar Tausende von Pfund" gekostet.
Nicht nur in den Privathaushalten macht sich darüber Unmut breit. Auch Versicherer kommt das veränderte Konsum- und Freizeitverhalten der pandemiegeplagten Menschen teuer zu stehen. Laut Angaben von Aviva vom März stieg die Zahl der Schadensersatzansprüche für beschädigte Whirlpools im Corona-Jahr 2020 zum Vorjahr um 188 Prozent. Deutlich mehr Sonnenschirme seien ins Wasser gefallen und Abdeckungen der Pools von Vögeln zerstört worden, heißt es. Auch die Zurich Insurance Group registrierte einen Anstieg der Schadensmeldungen, bei denen ein Zusammenhang mit der Pandemie vermutet wird: Der Versicherer meldete im August 16 Prozent mehr Brände in Nebengebäuden wie Garagen, Schuppen und Wintergärten. Der coronabedingte Trend zu Bars auf dem eigenen Grundstück habe das Feuerrisiko noch erhöht, heißt es.
Deutsche sind knickriger als andere Europäer
Für Deutschland gibt es keine belastbare Zahlen zum Thema Fehlkäufe. Dafür aber jede Menge Berichte und Social-Media-Einträge, die für einen ähnlichen Trend sprechen. "Für faule Regentage eine Switch. Nun bin ich zu faul, das Teil überhaupt anzuschalten - schade", kommentiert zum Beispiel eine Nutzerin bei einer Instagram-Umfrage. Die Spielkonsole sollte Unterhaltung in den Alltag bringen. Der Kauf war offenbar leichter geschehen, als die Spielidee in der Praxis durchzusetzen.
Wie ärgerlich solche Spontankäufe sind, hängt letztlich von den Kosten ab. Ein zweistelliger Euro-Preis für Therabänder zur körperlichen Ertüchtigung, weil Sportstudios geschlossen sind, ist ärgerlich, wenn der Artikel verstaubt, aber verkraftbar. Gravierender ist die Anschaffung von Hightech-Geräten wie einem Peloton-Fitness-Fahrrad, das mal schnell mit 2000 Euro zu Buche schlägt. Der Corona-Boom für Peloton scheint mittlerweile vorbei. Es ist die Zeit des Erwachens für Verbraucher.
Nachdem der Fitnessgeräte-Hersteller die Umsatzprognose für das laufende Geschäftsjahr um bis zu eine Milliarde Dollar kappen musste, brach auch der Aktienkurs ein. Unterm Strich korrigierte das Papier Anfang der Woche um 12,5 Prozent auf 42,60 Euro. Das Management will jetzt Kosten sparen und setzt dafür den Rotstift an vielen Stellen an.
Konsumenten haben im Sommer, als sich die Corona-Lage entspannte, deutlich zu ihren alten Gewohnheiten wie Reisen und Nutzung kultureller Angebote zurückgefunden, wie eine internationale Studie der Unternehmensberatung Deloitte ergab. Laut der Befragung volljähriger Verbraucher aus 18 Ländern galt das vor allem für deutsche Käufer. Anschaffungen für den frühen Feierabend direkt aus dem Homeoffice dürften damit nicht mehr so hoch im Kurs stehen.
Auch die Tatsache, dass Homeoffice in Deutschland überhaupt weniger beliebt ist und Arbeitnehmer hierzulande wieder mehr Zeit auf der Arbeit verbringen, könnte den Kaufrausch bremsen. Die deutschen Verbraucher könnten deshalb finanziell etwas besser fahren als die britischen. Die Bundesbürger seien "veränderungsresistenter als der Rest der Welt", lautet das Ergebnis einer kürzlich veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung Roland Berger. Im weltweiten Vergleich seien sie weniger optimistisch für die Zukunft. Deshalb seien sie auch vorsichtiger. Ihre Fehlkäufe dürften sich so eher im Rahmen halten.
Quelle: ntv.de