Wachstum könnte sich halbieren WTO: Krieg versetzt Weltwirtschaft "schweren Schlag"
12.04.2022, 09:39 UhrIm Oktober rechnet die Welthandelsorganisation noch mit einem Wachstum von 4,7 Prozent für 2022. Doch der Krieg in der Ukraine setzt auch die globale Ökonomie unter Druck. Die WTO ist alarmiert: Europa dürfte die Folgen zu spüren bekommen - dramatisch könne es letztlich für ärmere Länder werden.
Der russische Krieg gegen die Ukraine könnte die globale Wirtschaft nach einer Analyse der Welthandelsorganisation (WTO) in diesem Jahr bis zu 1,3 Prozentpunkte Wachstum kosten. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte 2022 nach Modellrechnungen nur noch um 3,1 bis 3,7 Prozent wachsen, erklärte die WTO in einer Analyse über die Folgen des Krieges für den Handel. Der russische Einmarsch habe nicht nur eine humanitäre Krise "immensen Ausmaßes" ausgelöst, sondern auch der Weltwirtschaft einen "schweren Schlag" versetzt. Als Grund führt die Organisation höhere Lebensmittel- und Energiepreise und fallende Exporte Russlands und der Ukraine an.
Im Oktober war die WTO noch von einem Wachstum des Welthandels in diesem Jahr um 4,7 Prozent ausgegangen. Dies könne nach neuen Berechnungen fast halbiert werden, so die WTO. Es gehe nicht nur um russische und ukrainische Exporte von Energie, Getreide und Sonnenblumenprodukten. Russland sei einer der Hauptlieferanten von Palladium und Rhodium für die Herstellung von Katalysatoren für Autos, die Ukraine versorge die Halbleiterindustrie mit Neon.
"Europa wird die wirtschaftlichen Auswirkungen als Hauptabnehmer russischer und ukrainischer Exporte am stärksten zu spüren bekommen", so die WTO. Dramatisch werde es am ehesten in Afrika und im Nahen Osten: "Die ärmeren Länder sind durch den Krieg besonders gefährdet, da sie im Vergleich zu den reicheren Ländern einen größeren Teil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben", heißt es in dem Bericht. "Das könnte Folgen für die politische Stabilität haben." Ausbleibende Lieferungen an Getreide und anderen Nahrungsmitteln werden demnach die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse in die Höhe treiben. So sei mit einem Preisanstieg von 50 bis 85 Prozent für Weizen zu rechnen.
Auf lange Sicht könnten die Sanktionen westlicher Staaten und die Reaktionen Russlands darauf dazu führen, dass sich die großen Volkswirtschaften aus geopolitischen Erwägungen heraus abkoppeln, warnte die WTO. Auch wenn sich keine formellen Blöcke im Welthandel bilden, könnten private Akteure ihre Lieferketten entsprechend anpassen. Die Einkommensverluste, die sich aus einer solchen Entwicklung ergeben würden, "wären schwerwiegend, insbesondere für Schwellen- und Entwicklungsländer".
Quelle: ntv.de, mbe/dpa/AFP