Prigoschin reißt Loch in Etat Wagner-Rebellion kommt Putin teuer zu stehen


Russlands Defizit belief sich im ersten Halbjahr bereits auf mehr als drei Viertel des Fehlbetrags, den Putin für das gesamte Jahr geplant hat.
(Foto: picture alliance/dpa/Pool Sputnik Kremlin/AP)
Nicht nur den Chef der Wagner-Söldner kostet der Putschversuch ein Vermögen. Auch Kreml-Herrscher Wladimir Putin muss tief in die Tasche greifen, um die Folgen des unerwarteten Aufstands abzufedern. Dabei schrumpft seine Kriegskasse immer mehr.
Jewgeni Prigoschins Marsch auf Moskau hat nicht nur die Risse in den russischen Sicherheitsbehörden offengelegt und Wladimir Putins Macht ernsthaft infrage gestellt. Die Rebellion seiner Privatarmee könnte mittelfristig auch zur weiteren Belastung für den russischen Staatshaushalt werden. Denn nach mehr als anderthalb Jahren Angriffskrieg in der Ukraine gerät die Staatskasse immer mehr in Schieflage. Und wegen der durch die Sanktionen gebeutelten Wirtschaft ist Besserung nicht in Sicht.
Da sind zunächst die unmittelbaren Kosten: Russland muss nicht nur die Front mit Zehntausenden neuen Soldaten verstärken, die nach dem Aus für die Söldnertruppe nun in den Schützengräben fehlen. Aus Angst vor einer Wiederholung des Beinahe-Putschs werden neue Ausgaben für verstärkte Sicherheitsmaßnahmen rund um Moskau nötig. Denn der Kreml-Chef will nie wieder erleben, dass Panzerkolonnen auf seine Regierung zurollen und erst 200 Kilometer vor dem Roten Platz Halt machen.
Allein in diesem Jahr könnten sich die Kosten für diese zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen auf rund 1,3 Billionen Rubel (14 Milliarden Dollar) belaufen, schätzen Wirtschaftsforscher der Finanzagentur Bloomberg - ein Plus von rund 5 Prozent gegenüber dem laufenden Ausgabenplan. Das zusätzliche Haushaltsloch, das Prigoschin reißt, würde die prekäre russische Finanzlage noch weiter verschlimmern. Und könnte die Finanzarithmetik des Krieges verändern.
Ukraine-Invasion fliegt Putin finanziell um die Ohren
Bereits jetzt ufert das Defizit immer mehr aus: Allein im ersten Halbjahr belief es sich schon auf 2,6 Billionen Rubel, mehr als drei Viertel des Fehlbetrags, den Putin für das gesamte Jahr geplant hat. Finanzminister Anton Siluanov wird dennoch nicht müde zu beschwichtigen, dass es höchstens bei zwei Prozent der Wirtschaftsleistung liegen wird. Doch der Internationale Währungsfonds (IWF) und viele Analysten erwarten, dass es größer sein wird.
"Eine merkliche Verschlechterung der Handelsbedingungen könnte zu einem deutlichen Einbruch sowohl im Handelsüberschuss als auch bei den Staatseinnahmen führen", warnte der IWF bereits im April. Das Putin-Regime müsse daher entweder "Ausgaben kürzen oder Wege finden, spürbar höhere Defizite zu finanzieren."
Einen Vorstoß dazu hat Putins Zahlenmann Siluanov bereits unternommen. Interessanterweise soll der Finanzminister laut der russischen Zeitung "Vedomosti" bei einer internen Sitzung pauschale Haushaltskürzungen von zehn Prozent im kommenden Jahr für alle Ausgaben vorgeschlagen haben, die nicht Militär oder soziale Sicherheit betreffen. Ausgerechnet an dem Tag, als sich der Kreml-Chef diskret mit Prigoschin und anderen Wagner-Kommandeuren traf, um einen Deal auszuhandeln. Denn Russlands Deviseneinnahmen brechen immer mehr ein. Die Erlöse aus dem Verkauf von Öl und Gas lagen laut Reuters im ersten Halbjahr nur noch halb so hoch wie 2022.
Wie lange reicht die Kriegskasse noch?
Die Präsidentschaftswahlen im kommenden März, bei denen sich Putin für sechs weitere Jahre im Amt bestätigen lassen will, dürften die Finanznot noch weiter verschärfen. Denn der Machtverlust, den Russlands Dauerpräsident durch Herausforderer Prigoschin erlitten hat, könnte ihn Stimmen kosten. Und um das Ergebnis aufzuhübschen, muss der Kreml-Herrscher versuchen, sich durch Wahlgeschenke im Volk wieder beliebter zu machen.
Die Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung faktisch zu kaufen, ist ein bewährtes Mittel autoritärer Systeme. Laut Bloomberg sind die Reallöhne in Russland vor früheren Wahlen um etwa 12 Prozent gestiegen, vor allem durch bessere Bezahlung im Staatsdienst. Schon vor der Meuterei kündigte Putin eine Anhebung des Mindestlohns um fast 20 Prozent ab kommendem Jahr an, der Millionen Russinnen und Russen zugutekommt.
Doch die Folgen der Wagner-Rebellion wie gewohnt fiskalisch einzufangen, könnte diesmal womöglich schlicht zu teuer sein. "Die gewachsene Unsicherheit, infolge von Prigoschins Meuterei, könnte den Kreml veranlassen, noch mehr Ressourcen aufzuwenden, um die Lehnstreue des Volkes in das Putin-Regime zu erkaufen", zitiert Bloomberg Ben Noble, einen Professor für Osteuropastudien am University College London. "Es würde mich nicht wundern, wenn der Kreml besonders nach der Rebellion versuchen würde, einen noch höheren Stimmenanteil für Putin und eine Rekord-Wahlbeteiligung zu erzielen. Aber das wird sehr teuer werden."
Quelle: ntv.de