Kommt die Super League? Warum der UEFA Konkurrenz droht
26.01.2024, 15:14 Uhr Artikel anhören
Im Streit um die Gründung einer Super League hatte die UEFA vor dem höchsten europäischen Gericht eine Niederlage erlitten.
(Foto: picture alliance / DeFodi Images)
Das Urteil schlug Ende vergangenen Jahres im Fußballgeschäft ein wie eine Bombe: Der Europäische Gerichtshof entschied, dass die bisherige Monopolstellung der Europäischen Fußballunion (UEFA) gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. Ein milliardenschweres Geschäftsmodell gerät damit ins Wanken: Die UEFA organisiert unter anderem lukrative Wettbewerbe der europäischen Vereine wie die Champions League oder die Europa League. Schon länger aber laufen sich mögliche Konkurrenten für dieses Modell warm - wie die Manager, die das Konzept einer europäischen Super League vorantreiben. Sportmanager Bernd Reichart erzählt im Podcast "Die Stunde Null", wie er das bisherige System angreifen will – mit einer neuen Super League.
Sie haben im Dezember eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Fußballverbände Fifa und UEFA gewonnen. Das Gericht hat ein marktschädliches Verhalten attestiert. Was heißt das jetzt für die Super League?
Bernd Reichart: Das Gericht hat deutlich gemacht, dass die UEFA in der Vergangenheit ihre Marktposition missbraucht hat. Dank des Urteils kann die UEFA den Markt künftig nicht mehr einfach vor anderen verschließen. Jeder, vor allem aber die Vereine, hat jetzt die Freiheit, sich zu alternativen Wettbewerben auszutauschen - wie etwa der Super League. Das war vorher unter Androhung von Sanktionen nicht möglich.
Die UEFA selbst deutet das Urteil anders. Deren Präsident Aleksander Ceferin hat behauptet, das Urteil stärke vielmehr die UEFA. Warum liegen Sie mit Ihren Interpretationen so weit auseinander?
Das ist das typische Verhalten eines Monopolisten, der meint, seine Privilegien fortschreiben zu können. Wer sich mit Juristen und Experten unterhält, der wird viel Unterstützung für unsere Position hören.
Aber gerade Juristen legen Urteile ja oft sehr unterschiedlich aus. Die UEFA verweist auf eine Randbemerkung, in der es frei übersetzt heißt, dass Verbände durchaus Regeln zur Beschränkung von Wettbewerben aufstellen dürfen. Aber diese müssen dabei transparent, objektiv und nicht-diskriminierend sein. Die UEFA muss jetzt also einen neuen, fairen Regelkatalog aufstellen. Wie sieht der aus?
Was die UEFA macht, kann ich nicht sagen. Wir haben für die Super League von Anfang an angekündigt, fair mit allen umzugehen. Solidarisch mit dem Amateursport? Gerne. Echtes Financial Fairplay? Auch gerne. Übereinstimmung mit dem europäischen Sportmodell? Haken dran. Auf nationaler Ebene funktioniert das übrigens. Da haben sich die Vereine vor einigen Jahren frei von den nationalen Verbänden gemacht. Daraus sind eigene Ligen und Organisationen wie die DFL, La Liga und die Serie A entstanden. Warum soll das auf europäischer Ebene nicht möglich sein?
2022 hat die UEFA einen neuen Regelkatalog aufgestellt, um dem Urteil zuvorzukommen. Reicht der nicht?
Nein, der Katalog erfüllt nicht die Kriterien, die Sie bereits genannt haben. Er ist einzig auf die Wahrung des illegalen Monopols angelegt. Das Urteil hat dagegen sehr deutlich gemacht, dass die UEFA keine Regeln oder Verfahren einführen darf, um Projekte zu blockieren, die von den Vereinen organisiert werden, so wie die von uns vorgeschlagene Super League. Das Gericht war da sehr klar.
Das größte Problem des Profi-Fußballs ist die zunehmende Ungleichheit zwischen den Teams. Die UEFA versucht das seit Jahren mit dem Financial Fairplay anzugehen, scheitert daran aber. Wie würde eine Super League dieses Problem angehen?
Indem wir die Organisation der europäischen Wettbewerbe so gestalten wie fast alle nationalen Ligen in Europa. Wenn die Vereine diese Wettbewerbe selbst organisieren, selbst die Regeln machen und über ihre Einhaltung wachen, dann funktioniert das auch. Hinsichtlich Financial Fairplay ist die UEFA ein wandelnder Interessenkonflikt und würde nicht im Traum daran denken, ihre besten Pferde im Stall vom Wettbewerb auszuschließen. Ein großes Thema sind zudem einzelne Klubs, die aufgrund ihrer Eigentümerstruktur Zugriff auf nahezu unbegrenzte Mittel haben. Wir sind der Ansicht, dass der Fußball mit den Erlösen auskommen muss, die er erzielt.
Das klang im Ursprungsentwurf 2021 aber noch ganz anders - die Rede war von vier Milliarden Euro, die die Investmentbank JPMorgan geben sollte.
Damals mussten die Klubs Sanktionen der UEFA fürchten, welche die Existenzgrundlage der Klubs und ihrer Spieler bedrohten. Spielern wurde sogar ein Ausschluss von der WM in Katar in Aussicht gestellt. Das Geld war als Sicherheit gedacht, falls die Teams eine Zeit lang keine europäischen Erlöse erhalten. Dank des Urteils ist die Situation eine andere und wir benötigen diese Sicherheit nicht mehr. Was nicht heißt, dass wir nicht regelmäßig mit Investoren sprechen. Bei dem, was wir vorhaben, wollen wir die Klubs am Anfang nicht das ganze Risiko tragen lassen. Mit der Unterstützung von Investoren werden wir ein Sicherheitsnetz bereitstellen, das die Einnahmen und Solidaritätszahlungen während der ersten drei Jahre des neuen Wettbewerbs garantiert.
Was genau können die Fans von einer Super League erwarten?
Für mich ist es ein offenes Format mit den 64 besten europäischen Clubs in drei Ligen, zwischen denen die Teams auf- und absteigen können, und mit starker Verbindung zu den heimischen Ligen. Ein Wettbewerb, der vom ersten bis zum letzten Spieltag in den Bann zieht und nicht erst im Frühjahr spannend wird.
Drei Ligen soll es also geben. Bundesliga-Vereine könnten sich zunächst nur für die drittklassige "Blue League" qualifizieren und von dort weiter aufsteigen. Fans kritisieren, dass das zu einer Entwertung der nationalen Ligen führt. Was sagen Sie dazu?
Ich finde das aktuelle System deutlich unfairer. Warum qualifiziert sich der Vierte der Bundesliga direkt für die Champions League und der belgische Meister muss noch in die Qualifikation? Das wäre bei uns anders. Jeder, der sich qualifiziert, kann sich im ersten Jahr finanziell konsolidieren, im zweiten Jahr dank der besser planbaren Einnahmen den Kader ausbauen und im dritten Jahr vorne angreifen. Er muss sich aber natürlich sportlich beweisen, sonst steigt er ab. Die Einnahmen aus einer europäischen Liga ermöglichen es den Vereinen, langfristiger zu wirtschaften - und früher oder später auch nationale Serienmeister anzugreifen.
Die Champions League hat Teile dieses Konzepts übernommen. Auch dort wird in der kommenden Saison ein Ligensystem eingeführt. Wofür brauchen wir dann eine Super League?
Da muss ich massiv widersprechen. Das Modell, das jetzt in der Champions League kommt, war ein Grund für den ersten Anlauf mit der Super League 2021. Mit dem neuen Champions-League-System werden wir deutlich mehr unbedeutende Spiele sehen, die keinen Einfluss auf den Turnierausgang haben. Man hat Auswärtsspiele gegen Mannschaften, gegen die man dann keine Heimspiele hat. Das braucht niemand. Wir brauchen bessere Begegnungen auf Augenhöhe, in denen es um etwas geht. Sonst verlieren wir die Fans.
Fans sollen die Super League kostenlos streamen können. Haben Sie dabei besonders die Jungen im Blick, weil die ungern am Stück 90 Minuten schauen?
Die junge Generation an andere Sportarten oder Entertainmentangebote zu verlieren, ist eine der größten Bedrohungen für den europäischen Fußball. Wir müssen jungen Fans ein viel besseres Erlebnis bieten. Drei teure Abos, um alle Spiele sehen zu können, gehört sicher nicht dazu. Wir haben uns alle Modelle in der Unterhaltungsbranche angeschaut. Die Plattform, die wir bauen, zielt darauf ab, die Spiele der Super League mit einem Hybridmodell aus Abos und Werbung Milliarden von Fußballfans weltweit zugänglich zu machen. Die Basis davon ist, dass alle Spiele kostenlos gezeigt werden. Das ist erprobt und kann gut funktionieren. Spotify und viele andere Medienunternehmen mit hybridem Geschäftsmodell sind der Beweis dafür. Und für Vereine bietet es eine Möglichkeit, sich direkt mit ihren Fans auszutauschen. Man mag es kaum glauben, aber viele Vereine wissen sehr wenig über ihre eigenen ausländischen Fans. Das würde so eine Plattform ändern.
Trotzdem bleibt am Ende die Frage, wer überhaupt mitmachen will - Vereine wie Bayern und Dortmund haben nach dem Urteil die Teilnahme an der Super League abgesagt.
Seit Ende Dezember führen wir Gespräche mit noch mehr Klubs aus ganz Europa als vorher, und sehr viele sind ehrlich interessiert an unserem Format und der Streaming-Plattform. Aber wir legen dabei niemandem einen Vertrag auf den Tisch und bitten um eine Unterschrift. Das Gerichtsurteil hat bei den Vereinen viel in Bewegung gebracht. Aber natürlich dauert es eine Weile, bis man sich aus einem System löst, das 70 Jahre mit Angst und Drohungen regiert hat. Da bin ich geduldig.
Und wann startet die Super League?
Ein erster Vorschlag liegt vor, wir sind aber offen für Änderungen. Wir wollen jetzt Fans und Clubs davon überzeugen, dass wir eine valide und attraktive Alternative sind. Und erst wenn das alles gelingt, geht es in die Umsetzung. Wie schnell das geht - mal sehen. Zumindest der Startschuss ist durch die Rechtssicherheit jetzt gefallen.
Mit Bernd Reichart sprach Jannik Tillar
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Quelle: ntv.de